Johannes Voigtmann will das Trikot von ZSKA Moskau nicht mehr tragen. Foto: imago/Chambert

Johannes Voigtmann ist ein Leistungsträger bei der Europameisterschaft im Nationalteam, weiß aber noch nicht, wo er nächste Saison spielt – schuld ist der Ukraine-Krieg.

Johannes Voigtmann geht mit einem Handicap in den Saisonhöhepunkt – die anstehende Basketball-EM im eigenen Land. Auf die obligatorische Sommervorbereitung in der spielfreien Zeit musste er verzichten. Sein Freund und Mentor Lars Masell war verhindert. Der ehemalige Ludwigsburger Assistenztrainer hat seine erste Stelle als Chefcoach bei Bundesligist Medi Bayreuth angetreten und jede Menge um die Ohren, so dass dieses Ritual ausfallen musste. „Denn es ist nicht einfach, einen passenden Trainingspartner zu finden“, sagt Voigtmann, „und mit Lars macht es immer Spaß.“

Zwangspause wegen des Ukraine-Krieges

Der war für Voigtmann in den vergangenen Monaten nicht garantiert. Der Center musste eine Zwangspause einlegen wegen des Ukraine-Krieges. Als der im Februar ausbrach, stand der 29-Jährige immer noch bei ZSKA Moskau unter Vertrag, brauchte aber nicht lange zu überlegen, dass dies kein Dauerzustand sein kann: „Die Entscheidung ist leicht nachvollziehbar, aber was da alles dranhängt, sieht der Außenstehende nicht“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Von der Wohnung bis zum Hund.

Am Ende führte eine recht abenteuerliche Autofahrt zurück in seinen Heimatort nach Eisenach, wo er sich bei Frau und den beiden kleinen Söhnen auch fit gehalten hat. So gut das eben ging. „Mannschaftstraining kann man nicht ersetzen“, sagt der 2,10 Meter große Center und war deshalb froh, als er Ende Juni in der WM-Qualifikation wieder auf dem Parkett stehen durfte. Natürlich mit Luft nach oben.

Am Donnerstag der nächste Test

Bis zum EM-Eröffnungsspiel am 1. September in Köln will er wieder bei 100 Prozent sein. Deshalb kommt die WM-Qualifikation am Donnerstag (in Schweden) und Sonntag in München gegen Slowenien ganz gelegen: „Das sind harte Spiele, durch die man im Wettkampfmodus ist.“ Ein echter Prüfstein also. Aber es kommt noch dicker. Denn bei der Heim-EM haben die Deutschen in Köln eine „Hammergruppe“ erwischt mit Frankreich, Slowenien und Litauen als Medaillenanwärter sowie Ungarn und Bosnien-Herzegowina als Außenseiter, so dass zumindest Platz vier und die K.-o.-Runde Plicht sind.

Doch die Ansprüche sind höher. Der seit 2021 im Amt befindliche Bundestrainer Gordon Herbert hat die Parole ausgegeben: „Wir wollen aufs Podium“ – also eine Medaille. Allerdings gibt es einige Ausfälle der Absagen und Verletzungen von Maxi Kleber, Isaac Bonga und zuletzt noch Moritz Wagner. Dazu bangt das Team um Daniel Theis (Kniebeschwerden), während Dennis Schröder (Knöchel) zumindest im Hinblick auf die EM Entwarnung gab: „Die lasse ich mir nicht entgehen.“ Der neben dem jungen Franz Wagner einzig verbliebene sichere NBA-Profi gilt als Hoffnungsträger, auch wenn sich an ihm immer wieder die Geister schieden.

Zu Unrecht, so Voigtmann, der hinter Schröder zum Assistenzkapitän berufen wurde. „Dennis ist ein sehr guter Teamspieler auf und neben dem Platz, deshalb kann ich die Kritik nicht nachvollziehen, auch wenn seine Spielweise vielleicht von der in Europa gewohnten abweicht“, sagt der Center. „Aber wir brauchen Einzelkönner, gerade am Ende, wenn es darum geht, Spiele zu gewinnen.“ Paradebeispiel war das Qualifikationsspiel gegen Polen, als Schröder 38 Punkte beisteuerte und den Sieg fast im Alleingang sicherte.

“Für eine Medaille muss sehr viel gut laufen“

So einfach wird es bei der EM nicht werden. Auf die Medaillenchance angesprochen, sagt Voigtmann: „Am Ende kommt es darauf an, wie gut wir es schaffen, ein Team zu sein. Dann ist viel möglich – aber für eine Medaille muss sehr viel gut laufen.“ Vor allem dürfen keine Ausfälle mehr dazukommen.

So sieht es wohl auch Herbert, den der Center noch aus seiner Bundesliga-Zeit in Frankfurt kennt: „Ich kenne seine Philosophie, ich weiß, wie seine Ansagen zu bewerten sind. Es hilft hoffentlich auch, den Trainer in bestimmten Situationen zu unterstützen.“ Der 63-jährige Kanadier besitzt als einstiger Berater der Brooklyn Nets eine gewisse Affinität zur US-Topliga NBA. Die fehlt Voigtmann zwar, doch der erläutert seine Gründe, warum er nie in den USA gespielt hat: „Ich habe immer gesagt, ich setze mich nicht irgendwo auf die Bank, nur weil ich NBA-Spieler sein will. Wenn, dann hätte die gesamte Situation stimmen müssen, doch mir war das zu unsicher.“

Unsicher ist das Stichwort für seine aktuelle Situation. Er ist gewissermaßen vereinslos – doch ZSKA Moskau sieht das anders. Der russische Traditionsclub pocht auf den Vertrag bis 2023. Das letzte Wort könnte nun der Weltverband haben. Sollte die Fiba kein grünes Licht für einen Wechsel (zu Olimpia Mailand?) geben, müsste sich der Spieler mit den Russen einigen. Kein leichtes Unterfangen. Ausgang offen – wie die EM.

Zwei wichtige Turniere

WM-Qualifikation
Die deutsche Mannschaft startet am Donnerstag in Schweden in die zweite Phase der WM-Qualifikation. Danach steht am Sonntag (15 Uhr) in München die Partie gegen Slowenien auf dem Programm. Dritter Gruppengegner ist Finnland (dazu kommen aus der ersten Quali-Phase die gespielten Partien gegen Israel und Estland). Die besten drei fahren zur WM 2023.

Europameisterschaft
Deutschland startet in seiner Gruppe am 1. September (20.30 Uhr) in Köln gegen Mitfavorit Frankreich. Die weiteren Vorrundengegner sind Bosnien-Herzegowina, Litauen, erneut Slowenien sowie Ungarn. Die besten vier Teams qualifizieren sich fürs Achtelfinale, das wie die gesamte K.-o.-Runde bis zum 18. September in Berlin ausgetragen wird.