Eine Ehrennadel der Deutschen Olympischen Gesellschaft hat Gastgeber Michael Hakenmüller (rechts) an Roland Stierle, den Präsidenten des Deutschen Alpenvereins, nach seinem Vortrag in der Landessportschule Tailfingen überreicht. Foto: Karina Eyrich

Wo liegen die Grenzen der Belastbarkeit? Wie sieht die Zukunft des Bergsportvereins in Zeiten der Klima-Krise aus? Und: Sollte sich Garmisch-Partenkirchen um Olympische Winterspiele bewerben?

Ein Schwabe aus Böblingen ist seit 2022 Präsident des Deutschen Alpenvereins und dessen Sektion Ebingen der größte Verein im Zollernalbkreis – Tendenz steigend. Grund genug für Michael Hakenmüller von der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) und Markus Senft, den Leiter der Landessportschule in Tailfingen, Roland Stierle einzuladen, um mit Bergsportlern über die Auswirkungen der Klima-Krise auf ihren Sport zu diskutieren.

 

„Die Grenzen der Belastbarkeit sind erreicht“

Die Erholungsräume hätten die „Grenzen der Belastbarkeit erreicht“ – es ist bemerkenswert, dass der Satz, den Hakenmüller zitierte, von Luis Trenker und von 1970 stammt, und er hängte die Frage an: „Sind wir schon so weit, dass die Natur in den Alpen kippt?“ Tatsächlich sei sie am Scheideweg, mahnte der gebürtige Böblinger Stierle, dessen Verein sich 1874 mit dem österreichischen zusammengeschlossen und seither die touristische Erschließung der Alpen betrieben habe.

Auf die „Zäsur“ nach dem Ersten Weltkrieg – „die Alpen wurden überschwemmt“ – erließ der DAV die Tölzer Richtlinien, habe die Berghütten wieder einfacher gestaltet, um jene, die dort ihr „Lotterleben“ führen wollten, abzuschrecken, berichtete Stierle verschmitzt.

Foto: Karina Eyrich

Seit 1927 sei Naturschutz Satzungsziel im DAV, betonte der Präsident und nannte die jüngste Konsequenz: Zu Plänen für das höchstgelegene Skigebiet Österreichs „haben wir gesagt: Jetzt ist eine rote Linie überschritten!“

Das klassische alpine Klettern sei indes rückläufig und nun Bouldern angesagt – das ungesicherte Klettern in Hallen an nur wenige Meter hohen Wänden. „Vorteil: Man braucht keine Partner mehr.“

Fliegen – das hat der Deutsche Alpenverein zum Tabu erklärt

Zu Qualifikationen, etwa für Olympia, müssten freilich auch die Boulder-Sportler fliegen – eine Form des Reisens, die der DAV zum Tabu erklärt hat, will er doch 2030 klimaneutral sein. Was freilich nie ganz klappen werde, das räumte er auf Nachfrage ein. Doch wie kompensiert der DAV das, wollte Markus Senft wissen: „90 Euro pro Tonne CO2-Ausstoß, die zum Beispiel in Moore investiert werden. 51 000 Tonnen sind es aktuell pro Jahr, davon 70 Prozent für Mobilität.“

„Bäume kaufen!“, da werde ihr schlecht, bekundete eine Zuhörerin offen. „Die muss man auch hochbringen und pflegen – cool wäre es, wenn eine Sektion vor Ort direkt kompensierte!“

Roland Stierle sprach Klartext. Foto: Karina Eyrich

Dass weltbekannte Bergsteiger wie Luis Trenker und Reinhold Messner viele erst in die Berge gelockt hätten – „das ist die dunkle Seite“ – gab Stierle zu bedenken: „Messner predigt Naturschutz und holt Leute ins Gebirge.“ Die Verwerfungen zwischen ihm und dem DAV hätten sich in jüngster Zeit freilich gebessert.

Breiten Raum nahm die Diskussion um den Mountainbike-Sport ein, eine „Kernsportart beim DAV“, so Stierle: „Wir fahren nur auf MTB-Wegen, und Baden-Württemberg war ein ganz schlechtes Vorbild mit der Zwei-Meter-Regel, hat die Sportler auf Forstwege gedrängt.“ 500 000 bis 600 000 der 1,5 Millionen DAV-Mitglieder – deren Zahl sei doppelt so hoch wie vor 15 Jahren – fahren Mountainbike, schätzt Stierle. „Ein paar Hunderttausend“ seien Kletterer und Boulder-Sportler, und das Skibergsteigen erlebe seit Corona einen starken Aufschwung.

Gastgeber Michael Hakenmüller strahlte: Die Diskussion mit Stierle war lebendig und ergiebig. Foto: Karina Eyrich

Hakenmüller wies mit Blick auf Sportarten in der Natur in Albstadt auf Bodenschäden hin: „Die Grasnarbe am Zeller Horn wird immer dünner, die Wege immer breiter, und die Schäden, die Traufgänger anrichten, sind erheblich“, betonte er. Ob Olympische Spiele in solchen Zeiten noch möglich seien, fragte er Stierle. „Wie steht der DAV zu Winterspielen 2024 in den Alpen?“ Dieser sei „auf größter Distanz zu olympischen Spielen“, betonte der Präsident, und habe sich auch gegen deutsche Bewerbungen ausgesprochen, „weil wir in Sotschi und Pyeonhchang gesehen haben, wie viele Bäume gefällt werden, weil jemand ein paar Tage lang mit Skiern den Berg runterfährt“.

„Diese Werte und die Jugend schreibt der DAV ganz groß“

Bei dieser Aussage freilich blutete Michael Hakenmüller zumindest ein Teil seines Herzens, hatte er doch Sport studiert, weil ihn der Ruf an die Jugend der Welt, zum fairen Wettkampf zusammen zu kommen, so bewegt hatte. Eine Zuhörerin tröstete ihn: „Diese Werte, die Jugend und die Generationen – all das wird beim DAV ganz groß geschrieben.“ Michael Hakenmüller hatte also den richtigen Mann eingeladen und dankte ihm mit einer goldenen Ehrennadel der DOG.