Das Bild zeigt den Eingang des Lagers Dautmergen nach Kriegsende. Das KZ bildete einen der Ausgangspunkte für die Todesmärsche.Foto: Privatarchiv Immo Opfermann Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: KZ-Häftlinge aus "Wüste"-Lagern im April 1945 auf Todesmarsch

Vor 75 Jahren, im April 1945, sind die "Wüste"-Lager, die als Außenlager zum KZ Natzweiler-Struthof gehörten, mittels Bahntransporten und Todesmärschen geräumt worden. Es folgte die Befreiung durch die einrückenden französischen Truppen.

Zollernalbkreis. Es waren sieben Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof, die zuletzt 1945 in Bisingen, Dautmergen, Dormettingen, Erzingen, Frommern, Schömberg und Schörzingen existierten. Bekannt ist das verzweifelte und aberwitzige Projekt nationalsozialistischer Verblendung unter dem Tarnnamen "Wüste" und dem Ziel, Schieferöl zur Deckung des ungeheuren Mineralölbedarfs des deutschen Kriegsapparates zu gewinnen. Dafür kostete das Unterfangen unzählige Menschenleben.

Die Räumung erfolgte in mehreren Schritten: Als erstes waren die norwegischen und anderen skandinavischen KZ-Häftlinge aufgrund der Rettungsaktion Graf Folke Bernadottes, des Präsidenten des schwedischen Roten Kreuzes, im März 1945 aus der Hölle der "Wüste"-Lager entlassen worden. Die nächste Phase, der Abtransport von Häftlingen mittels Bahntransporten Anfang April 1945, ging auf Überlegungen zurück, die Häftlinge durch Zivilarbeiter zu ersetzen. Etwa am 7. und am 13. April gingen zwei Bahntransporte mit rund 4000 vor allem kranken und schwachen Häftlingen in das Dachauer Außenlager Allach ab.

Die eigentliche Räumung der "Wüste"-Lager erfolgte zwischen dem 16. und 18. April, als die französischen Truppen immer näher rückten. Für die Häftlinge war es ein chaotischer, überraschender Aufbruch. Nachdem die Häftlinge mit einigen Nahrungsmitteln ausgestattet waren, brachen Marschkolonnen mit 50 bis 300 Mann am Abend des 18. April wohl meist zwischen 18 und 21 Uhr von Dautmergen, Schörzingen und Schömberg aus auf, begleitet von Lagerpersonal und Wachmannschaften.

Insgesamt dürften – vorsichtig geschätzt – zwischen 1500, vielleicht auch bis zu 2500 Häftlingen auf die Todesmärsche geschickt worden sein. Manche kranken und zu schwachen Häftlinge oder Häftlinge, die sich versteckt hielten, blieben in den Lagern zurück und wurden dort von den Franzosen befreit.

Mögliche Ziele der Märsche könnten vielleicht Dachau, die imaginäre "Alpenfestung" oder auch das KZ Mauthausen gewesen sein, so die Aussagen von Überlebenden. Und tatsächlich endeten Märsche in der Gegend von Füssen, Marktoberndorf oder Innsbruck. Lagerpersonal und Wachmannschaften der "Wüste"-Lager begleiteten die Marschkolonnen. Marschiert wurde zum Teil vor allem des Nachts wegen möglicher Fliegerangriffe.

Auch bei den "Wüste"-Märschen kam es nochmals zu Grausamkeiten der Bewacher. Einer unbestimmten Anzahl von KZ-Gefangenen gelang auf den Märschen die Flucht. Es kam aber wohl auch vor, dass die Flucht stillschweigend geduldet wurde. Die geflüchteten Gefangenen hielten sich in den Wäldern oder bei Bauern versteckt. Ständig mussten sie aber noch gewärtig sein, von SS- oder Wehrmachtseinheiten aufgegriffen und erschossen zu werden. Bei späteren Ermittlungen der Kriminalpolizei wurde bei Leichenfunden eindeutig der Tod durch Genickschuss festgestellt.

Häftlinge, die nicht mehr weitergehen konnten und wegen Entkräftung am Weg zurückblieben, waren von den Bewachungsmannschaften erschossen worden.

Die meisten der "Wüste"-Häftlinge wurden auf dem Marsch durch französische Truppen um den 22. April befreit. Mitunter waren die Häftlinge bedroht, noch in letzter Stunde von der SS liquidiert zu werden. Über ihre tatsächliche Befreiung berichten die KZ-Häftlinge zum Teil ganz lapidar.

Dass nicht alle Häftlinge ihre Befreiung so emotionslos erlebten, wie in mancher nachträglichen Schilderung der Eindruck erweckt wird, zeigt folgende Aussage: "Um 14 Uhr nachmittags zogen die ersten französischen Panzerwagen in Ostrach ein, und wir waren befreit. Die Szenen, die sich abspielten, waren ergreifend. Die Häftlinge waren toll vor Freude. Endlich war der Moment der Befreiung gekommen. Dieses Gefühl werde ich niemals vergessen!"

Andreas Zekorn: Todesfabrik KZ Dautmergen. Ein Konzentrationslager des Unternehmens "Wüste" mit einem Epilog zu dem polnischen Schriftsteller und KZ-Häftling Tadeusz Borowski, Stuttgart 2019. Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs Band 49, herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, ISBN 978-3-945414-53-8. Preis: 6,50 Euro. Bucherwerb direkt bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg https://www.lpb-bw.de/alleprodukte.html