Vor dem Betreten eines Stalls, sollte man den Landwirt zuerst fragen. Das Wohl ihrer Tiere liegt diesen am Herzen. Foto: Bantle

Unbefugte betreten nach Skandal im Allgäu verbotenerweise Anwesen von Milchviehaltern und machen Fotos.

Dauchingen - Die Milchviehalter der Region wehren sich hinsichtlich des aktuellen Skandals in einem Allgäuer Betrieb, dem Tierquälerei vorgeworfen wird, gegen Vorurteile aus der Bevölkerung – und laden sie stattdessen zu sich ein.

Wie viele seiner Berufskollegen betrachtet es der Dauchinger Landwirt Andreas Schleicher, der zudem stellvertretender Landesvorsitzender des Bund Deutscher Milchviehalter (BDM) wie auch Kreis-Team-Leiter des BDM ist, mit großer Sorge, wie derzeit viele Landwirte pauschal verurteilt werden. Für Schleicher steht fest: der aktuelle Tierhaltungsskandal rechtfertige solche Pauschalverdächtigungen nicht.

Zuletzt berichten Milchviehhalter davon, dass sich seit dem Skandal Privatpersonen ungefragt Zugang zu ihren Ställen verschaffen und Fotos machen. Der BDM weist darauf hin, dass dies einen Hausfriedensbruch darstellen und zur Anzeige gebracht werden könne. Auch wenn in einigen Fällen die Ahndung von Tierschutzverstößen durch Privatpersonen als "Selbsthilferecht" anerkannt wurde, weil die Behörden ihren Pflichten nicht in ausreichend nachgekommen waren, sei es nicht hinnehmbar, dass die Aufdeckung eines solchen Skandals dazu führe, dass Privatpersonen mit Belohnungen für "Skandalbilder" ermuntert werden, sich Zugang zu den Betrieben zu verschaffen.

"Viele Betriebe öffnen gerne für Besucher ihre Stalltüren und freuen sich über das Interesse der Bürger und die Möglichkeit des Gesprächs", erklärt Schleicher. Das setze aber voraus, dass man vorher frage. "Und nicht jeder, der das nicht will, hat automatisch etwas zu verbergen."

Klima des Misstrauens und des Denunziantentums

Schleicher und viele seine Berufskollegen können sich nicht vorstellen, dass jemand akzeptieren würde, wenn nach Aufdeckung eines Haustierhaltungsskandals ungefragt Privatwohnungen betreten und Fotos gemacht würden, um festzuhalten, ob dort die Haustiere artgerecht gehalten werden. Darüber, kritisiert Schleicher, sollten diejenigen einmal nachdenken, die zu solchem Verhalten anstiften. Der BDM sehe mit Sorge, dass "derartige Vorfälle zu einem Klima des Misstrauens und des Denunziantentums" führen, was weder sachlich und menschlich gerecht noch hilfreich dazu sei, die Betriebe tiergerecht weiterzuentwickeln.

Dass Tierschutzverstöße geahndet werden müssen, stehe außer Frage. Wichtig sei dabei, dass die Behörden ihren Pflichten konsequent nachkommen, aber auch mit Augenmaß vorgehen und engmaschig kontrollieren, ob die Betriebe Möglichkeiten zur Verbesserung genutzt haben. Schleicher widerspricht der Behauptung, dass Missstände, wie sie auf dem Großbetrieb im Allgäu aufgedeckt wurden, vor allem auf die Betriebsgröße und mangelnde Kontrollen zurückzuführen seien.

Fakt sei, dass die Ausrichtung der Agrarpolitik auf schnelleres Betriebswachstum und effizientere Arbeitserledigung vielerorts dazu geführt habe, dass die Relation zwischen Tieren und Arbeitskräften nicht mehr stimme. "Die politischen Akteure, die diese Entwicklung mit vorangetrieben haben, tragen einen guten Teil Mitverantwortung. Wenn Beratungs- und Förderpraxis so aussehen, dass ein Stallbau nur dann als wirtschaftlich – und damit förderfähig – beurteilt wird, wenn die Kuhplätze mindestens verdoppelt werden, führt die Maxime der Wirtschaftlichkeit und der Kostenreduktion in der Praxis häufig dazu, dass sich Betriebe immer öfter überfordern. Dann tappen sie in die Arbeitsfalle, statt sich angepasst an die individuellen Betriebsvoraussetzungen weiterzuentwickeln", kritisiert Schleicher weiter. Immer noch werde auf Fachtagungen und Seminaren erzählt, dass man für 100 Kühe maximal eine Arbeitskraft brauchen dürfe. "Das ist Wahnsinn!"

Wohl ihrer Tiere liegt Landwirten sehr am Herzen

Eine permanente Kostenunterdeckung führe dazu, dass die Betriebe auf billige Arbeitskräfte angewiesen sind: in Lohnbetrieben oft unterdurchschnittlich bezahlt, in Familienbetrieben umsonst mitarbeitende Angehörige. "Wer etwas für das Tierwohl tun will, soll sich mit uns dafür einsetzen, dass sich die Tierzahl und die Zahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte für die Betreuung in einem Verhältnis gegenüberstehen, das menschlich und finanziell leistbar ist. Das ist der ausschlaggebende Faktor für das Tierwohl im Betrieb", so Schleicher.

Im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) haben sich aktive Milcherzeuger zusammengeschlossen, die ein existenzielles Interesse an der Weiterführung ihrer Betriebe haben. Das Wohl ihrer Tiere liegt Landwirten sehr am Herzen. Wer gerne einmal in den Stall eines Landwirtes schauen möchte, sollte jedoch vorher zumindest fragen.