Abwassergebührenbescheid in Stuttgart Foto: dpa

Gründstücke sind für Neuberechnung der Abwassergebühren fotografiert worden.

Stuttgart - Für eine Neuberechnung der Abwassergebühren haben die Gemeinden alle bebauten Grundstücke fotografieren lassen - rechtswidrig, wie der Datenschutzbeauftragte des Landes meint. Jetzt müssen sich die Gerichte damit befassen.

Als der Lenninger Unternehmer Rolf Hirsch im vergangenen Jahr von der Absicht seiner Gemeinde erfuhr, Luftbilder von allen versiegelten Grundstücken machen zu lassen, regte sich sein Widerspruchsgeist. Gibt es dafür überhaupt eine Rechtsgrundlage? Was ist mit dem Datenschutz - immerhin haben die Aufnahmen eine Bodenauflösung von fünf bis zehn Zentimetern. Während Hirsch in der Gemeinde mit solchen Fragen auf Unverständnis stieß, fand er bei Jörg Klingbeil ein offenes Ohr. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz hatte schon zuvor im Innenministerium Gespräche darüber geführt, wie die Gemeinden ihre Abwassergebühr künftig berechnen sollen. Auf die alte Art, als allein der Verbrauch an Frischwasser als Maßstab galt, dürfen sie es nicht mehr tun. Mehrere Gerichtsurteile zwingen sie vielmehr, eine gesplittete Abwassergebühr einzuführen: eine für Schmutz- und eine für Regenwasser. Für Letzteres gilt als Maßstab die Größe der versiegelten Fläche. Doch wie groß ist die? Hier kommen nun die Luftaufnahmen ins Spiel.

"Wir sind am Ende unserer Möglichkeiten"

Für ihre neuen Abwassersatzungen haben die Gemeinden im Frühjahr sämtliche versiegelten Flächen erfassen lassen. Die Luftaufnahmen glichen sie mit den Katastern ab. Erst in einem dritten Schritt baten sie die Immobilienbesitzer um genauere Auskünfte darüber, wo das Schmutz- beziehungsweise Niederschlagswasser auf ihrem Grundstück hinfließt. Diese Befragung wäre nach Ansicht von Datenschützer Klingbeil ausreichend und verhältnismäßig gewesen, um über die versiegelten Grundstücksflächen Auskunft zu erhalten. Für die Luftaufnahmen jedoch fehlt seiner Ansicht nach die Rechtsgrundlage: "Nicht zulässig" lautet der Tenor seiner Stellungnahme für das Stuttgarter Innenministerium, in der er vor allem das Kommunalabgabegesetz auslotet. Doch die Behörde sieht das ganz anders. Es reiche nicht, wenn sich die Gemeinden allein auf die Auskunft der Hausbesitzer verlassen, die Geodaten seien vielmehr als Vorbereitung der Befragung notwendig - und auch datenschutzrechtlich erlaubt, meint das Innenministerium. Dort hat man die Argumente Klingbeils in den vergangenen Tagen noch einmal gewogen - und letztlich für zu leicht befunden. Das Innenministerium sieht seine Argumente nicht entkräftet und hält an seiner Auffassung fest, dass Luftbilder zur Erhebung kommunaler Abwassergebühren zulässig sind. "Es geht letztlich um die Frage, wie die Selbstauskunft zielführend und bürgerfreundlich vorbereitet wird", heißt es in einer Mitteilung vom Mittwoch an die vier Regierungspräsidien. "Damit sind wir am Ende unserer Möglichkeiten", bedauert der stellvertretende Landesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Diekmann. Mehr als kontrollieren und mahnen könne seine Behörde nicht. Der Sachverhalt werde allenfalls noch in den Jahresbericht aufgenommen.

Während der Städtetag die Entscheidung des Innenministeriums mit Genugtuung zur Kenntnis nimmt, bereitet sich Rolf Hirsch auf eine neue Runde in der Auseinandersetzung vor - diesmal vor Gericht. "Ich werde klagen, und ich werde nicht alleine klagen", sagt der Lenninger Unternehmer und nennt eine Reihe von Juristen, die sich der Sache annehmen wollen. Hirsch geht es dabei nicht allein um die Luftbilder, sondern ums Prinzip: "Wir haben in Baden-Württemberg zwar Datenschutz, doch man lebt ihn nicht!" Man müsse dafür sorgen, dass sich auch Regierung und Rathäuser an Text und Geist der Vorschriften halten.