Dashcams sind kleine Kameras im Auto, die das Verkehrsgeschehen während der Fahrt aufzeichnen. Doch was darf die Kamera eigentlich alles filmen? (Symbolfoto) Foto: Christin Klose/dpa

Ein zwölfjähriges Mädchen beschädigt mit ihrem Fahrrad einen geparkten Tesla. Die integrierte Kamera im Auto filmt den Vorfall und meldet es dem Besitzer. Mithilfe des Videomaterials kann das Mädchen überführt werden. Dieser Vorfall ereignete sich kürzlich in Sulz und wirft einige Fragen auf. Wir haben dazu Experten befragt. 

Zur Erklärung: Dashcams sind kleine Kameras im Auto, die das Verkehrsgeschehen aufzeichnen. Bei Autos der Marke Tesla nennt sich diese Funktion im geparkten Zustand Sentry- oder Wächter-Modus. Dieser ist standardmäßig ausgeschaltet und muss vom Besitzer aktiviert werden. Im aktiven Modus filmt das Elektroauto rundum, wenn ihm etwas zu nahe kommt oder bei Erschütterung. Die Aufnahmen werden dann sowohl auf einem USB-Stick gespeichert, der im Auto eingesteckt werden muss, als auch teils an die Server von Tesla übertragen.

 

Verstößt das nicht gegen den Datenschutz?

"Die Landesdatenschutzbehörden sehen den Einsatz von Dashcams nur als zulässig an, wenn die Aufnahmen kurz und anlassbezogen erfolgen", erklärt der ADAC auf seiner Webseite. Anlassbezogen bedeute, dass Daten nur dann gespeichert werden, wenn es zum Beispiel zu einem Unfall oder zu einer starken Verzögerung komme. Experten des ADAC beurteilen den Wächtermodus des geparkten Fahrzeugs in Sulz als rechtlich fraglich, da der Besitzer mit der Aktivierung der Funktion auch die datenschutzrechtliche Verantwortung übernehme.

Dies bestätigt auch Stefan Brink, der baden-württembergische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI). Gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) sei sowohl das Unternehmen Tesla, als auch der Fahrer, der den Wächtermodus aktiviert, verantwortlich für die Daten. Brink bewertet den Einsatz des Wächter-Modus im öffentlichen Straßenverkehr in der Regel als unzulässig, weil es sich im Normalfall um eine Überwachung von Personen handle, die keinen Grund für eine derartige Videoüberwachung gegeben haben. In so einem Fall überwiegt laut dem Datenschutzbeauftragten die Regel, dass sich Passanten im öffentlichen Raum frei bewegen können, ohne überwacht zu werden. "An dieser Bewertung ändert sich auch nichts, wenn in einem konkreten Fall dem Fahrzeug ein Schaden zugefügt wurde", so Brink.

Bei dem zuvor geschilderten Vorfall in Sulz kommt noch eine weitere Besonderheit hinzu, da ein Kind mit im Spiel war. Die Interessen eines Kindes sind in der DS-GVO besonders schwer gewichtet. "Kinder sollen keiner technischen Überwachung fremder Menschen ausgesetzt sein", erläutert der Datenschutzbeauftragte des Landes.

Wann sind Dashcams zugelassen?

Dashcams kommen zum Einsatz, wenn der Motor läuft. Sie unterscheiden sich daher vom Wächter-Modus bei Tesla-Autos. Aber auch hier gilt: Verantwortlich ist in der Regel der Fahrer, der die Kamera in Betrieb nimmt. Die Verwendung von Dashcams im Auto ist laut DS-GVO problematisch, da die versteckte Beobachtung und Aufzeichnung von anderen Straßenverkehrsteilnehmern einen schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen darstellt. Vergleicht man die Situation beispielsweise mit der Videoüberwachung auf einem Firmengelände, fällt auf, dass dort auf gut lesbaren Schildern auf eine Überwachung hingewiesen wird. Bei einer Autofahrt ist das nicht möglich.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die Verwendung einer Dashcam im Auto nur unter engen Rahmenbedingungen zugelassen. Möglich wäre es, wenn bei der Fahrt die aufgezeichneten Daten automatisch und nach kurzer Zeit unwiderruflich gelöscht werden und die Aufnahmen nur im Falle eines Unfalls gespeichert werden, erklärt der Datenschutzbeauftragte des Landes gegenüber unserer Redaktion. Die Auslösung könne dann sensorbasiert oder händisch erfolgen. Allerdings seien Aufnahmen mit einer Dauer von mehr als 30 Sekunden nicht zulässig. Dies gelte auch für Bereiche, die über das Unfallgeschehen hinausgehen, so Brink. "Außerdem ist es grundsätzlich unzulässig, die Aufnahmen im Internet zu veröffentlichen."

Gelten die Aufnahmen als Beweismittel?

Das hängt immer vom Einzelfall ab. Generell können die Aufzeichnungen im Falle eines Unfalls verwertbar sein - das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil von 2018 entschieden. Unfallaufnahmen dürfen solange gespeichert werden, wie es zur Verwertung als Beweismittel erforderlich sei. Trotzdem warnt Brink: "Betreiber solcher Dashcams müssen mit einem Bußgeld der Datenschutzbehörde rechnen."

Wie hoch kann ein Bußgeld ausfallen?

Noch scheinen die Datenschutzbehörden eher kulant mit solch einer Situation umzugehen, wie ein vergleichbarer Fall aus Berlin zeigt. Dort wurde der Tesla-Besitzer von den Behörden lediglich darum gebeten, den Wächter-Modus in Zukunft nur dort einzusetzen, wo keine Aufnahmen von unbeteiligten Passanten zu sehen seien. 

Der Vorfall aus Sulz habe aus Sicht der Polizei keinerlei Konsequenzen für den Tesla-Besitzer. "Das Auto wurde ja beschädigt und somit lag ein Grund vor", teilt Uwe Vincon, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, mit. Für die Arbeit der Polizei seien Dashcam-Aufnahmen wie diese aus Sulz hilfreich, so Vincon. Auch wenn Fälle dieser Art bisher eher selten vorkommen würden. "Allerdings weiß ein Passant, der einfach vorbeikommt nie, ob er gerade gefilmt wird oder nicht. Da gibt es sicher auch Argumente gegen eine Aufzeichnung."

ADAC für Aufnahmen, aber gegen "Hilfssheriffs"

Auch der ADAC setzt sich dafür ein, dass kurze, anlassbezogene Aufnahmen von Unfällen im Straßenverkehr zur Klärung der Schuldfrage vor Gericht verwertbar sein sollten. "Das wahllose Sammeln von Beweismitteln, um als Hilfssheriff die Verkehrsverstöße anderer anzuzeigen, sollte allerdings verboten bleiben", teilt der ADAC mit.

Info: 

Die Informationen aus der Datenschutzgrundverordnung beziehen sich auf folgende Artikel:

- Artikel 4 Nr. 2

- Artikel 6, Abschnitt 1, Unterabschnitt 1, Buchstabe f