Ein außergewöhnliches Cover ziert die aktuelle Ausgabe des „Waldrausch“-Magazins: Imkerin Nina Spiegel hat sich von Sebastian Wehrle mit einem echten Bienenvolk auf dem Körper ablichten lassen. Foto: Wehrle

Gut für die Haut sind Bienenprodukte in Cremes und Salben – Nina Spiegel ging aber noch einen Schritt weiter und hat sich von Top-Fotograf Sebastian Wehrle für ein Cover des "Waldrausch"-Magazins mit 30.000 ihrer eigenen Bienen auf der Haut ablichten lassen. Eine spektakuläre Erfahrung (fast) ohne Stich.

30.000 summende Bienen, die sich über den nackten Körper bewegen – manch einem dürfte bei dem Gedanken schon ein Schauer über den Rücken laufen.

 

Wie mag sich so etwas wohl anfühlen? Nina Spiegel aus Bad Dürrheim (Schwarzwald-Baar-Kreis) kann das beantworten, denn sie hat es erlebt – bei einem außergewöhnlichen Shooting mit Fotograf Sebastian Wehrle. Nervös war sie dabei keineswegs. „Ich kenne meine Bienen und weiß, dass sie sanftmütig sind“, erklärt sie.

Zugegeben, so nah waren ihre Schützlinge ihr zuvor noch nie gewesen, aber das habe die Erfahrung nur umso besonderer gemacht. „Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man von jemandem ganz leicht gekratzt – wie eine Akupunktur“, beschreibt die 42-Jährige das Gefühl der Bienen auf der Haut. In Erinnerung geblieben ist ihr außerdem die Wärme, die von den Tieren ausging. „Ich habe richtig geschwitzt.“

„Angebracht“ wurden die Bienen an ihr mit Hilfe einer Schöpfkelle. Ein Imkerkollege habe da geholfen. Die Bienenkönigin wurde in einer Art kleinem Käfig auf Herzhöhe an Nina Spiegels Brust fixiert. Die Tiere hätten sich dann ganz von selbst in der Form eines Oberteils angeordnet. Das Ganze sei eine irre Erfahrung gewesen. „Manche fragen mich sogar, ob die Bienen ein Ergebnis von Photoshop sind.“ Aber nein, sogar das Exemplar, das sich direkt auf ihr Gesicht gesetzt hat, war so echt, wie es nur sein kann.

Nina Spiegel aus Bad Dürrheim fand Bienen schon als Kind faszinierend. Ihre ersten eigenen Völker bekam sie 2018. Neben den Bienen liegen ihr auch die Themen Artenschutz und Umwelt am Herzen. Foto: Johannes Feederle

Bienen stechen nur bei Bedrohung

Ursprünglich hatte sich die leidenschaftliche Imkerin einfach ein kunstvolles Foto von sich in traditioneller Bad Dürrheimer Tracht mit ihren Bienen gewünscht. Die Idee, dass die Bienen selbst zur Tracht werden könnten, kam von Sebastian Wehrle, der – im Gegensatz zu anderen Fotografen – gleich Feuer und Flamme angesichts dieses ungewöhnlichen Projekts war.

Aber blieb das Fotoshooting denn auch folgenlos? Schließlich sticht eine Biene, wenn sie sich bedroht fühlt oder Gefahr für den Schwarm befürchtet, auch mal zu. Nina Spiegel gibt zu: „Leider nicht ganz, aber das war meine Schuld.“

Unterstützung erhalten die Tiere durch Nisthilfen, etwa in Form von Insektenhotels aus Holz oder Stein. Foto: Johannes Feederle

Das Wohl der Tiere liegt ihr sehr am Herzen. Deshalb beobachtete sie deren Verhalten während des Shootings. Als sie feststellte, dass eine Biene Kot abgesondert hatte – laut der Imkerin ein Stresssymptom – beendete sie das Fotoshooting. Eine Biene hatte sich allerdings schon unter ihrem Klebe-BH verkrochen, geriet da offenbar in Bedrängnis – und stach zu.

Erstes Bienenvolk 2016

Woher aber kommen das ganze Wissen und die Begeisterung für die Bienen? Den ersten Kontakt mit den Tieren hatte Nina Spiegel schon früh, als ein Schwarm im Garten des Nachbarn unterwegs war. Weil ihre Mutter Allergikerin ist, durfte die kleine Nina die Bienen nur vom Fenster aus beobachten. Das tat der Begeisterung aber keinen Abbruch.

Honig hat Nina Spiegel schon immer direkt beim Imker gekauft. „Diese Quetschtuben aus dem Supermarkt hatten wir nie im Haus.“ Eines Tages registrierte sie außerdem, dass ihre Haut allergisch auf die Duftstoffe in ihren Hautcremes reagierte. „Na gut“, dachte sie sich, „dann stelle ich meine Cremes eben selbst her“. Dafür nutzte sie unter anderem Bienenwachs und Propolis. Letzteres ist eine von Bienen hergestellte harzartige Masse, der man eine antibiotische Wirkung nachsagt.

Die Begeisterung und den Respekt für die Bienen Hat Nina Spiegel an ihren Sohn weitergegeben. Foto: Johannes Feederle

Außerdem verbannte Nina Spiegel Industriezucker aus ihrem Haushalt und ersetzte ihn durch Honig, der von Natur aus Zucker enthält. Das Bienenprodukt fand also unterschiedliche Anwendung: kulinarisch, auf der Haut – da waren große Mengen erforderlich. Also dachte sich die Bad Dürrheimerin: Wieso nicht gleich ein eigenes Bienenvolk im Garten?

Sie kontaktierte einen Berufsimker, der ihr ein „Pflegevolk“ in den Garten stellte und sich über die Schulter schauen ließ. Das war 2016. Nina Spiegel absolvierte so etwas wie eine Lehre, las alle wissenschaftlichen Artikel, die sie in die Finger bekommen konnte, und entwickelte sich langsam, aber sicher zur Expertin. Als ein Imker-Kollege unerwartet starb, war für Nina Spiegel klar: Sie übernimmt die Bienenvölker. Prompt war sie 2018 stolze Besitzerin von vier Völkern mit je rund 50.000 Bienen.

Erntezeit: Bei Nina Spiegel findet Honig in der Küche Verwendung, aber auch als Kosmetikprodukt. Foto: Johannes Feederle

Wöchentliche Kontrolle

In der Hauptzeit, von April bis August, ist jede Menge zu tun. Einmal wöchentlich ist eine Schwarmkontrolle nötig, wie Nina Spiegel erklärt. Dabei wird geschaut, ob die Bienen mehrere sogenannte Schwarmzellen ziehen. Das passiert beispielsweise, wenn Platzmangel herrscht oder das Volk zu groß für die Königin ist. Dann besteht die Gefahr, dass das Volk den Stock verlässt und weiterzieht. Übrig bleiben in diesem Fall lediglich die alten und kranken Bienen, und die Honigernte falle eher dürftig aus, erklärt Nina.

Weitere Aufgaben des Imkers sind das Aufsetzen der Honigräume, das Überprüfen von Wassergehalt und Qualität des Honigs, das Schleudern und Bearbeiten des Honigs und das Säubern und Etikettieren der Gläser für den Verkauf. Hinzu kommen das Ausschmelzen der Bienenwaben und Reparaturen am Stock. „Bienen machen also jede Menge Arbeit. Das wissen viele gar nicht“, sagt Nina Spiegel.

Der Rauch des „Smokers“ regt die Bienen dazu an, so viel Honigproviant wie möglich aufzunehmen – die Basis, um sich an anderer Stelle niederzulassen und neue Waben zu bauen. Foto: Johannes Feederle

In einem guten Jahr, das nicht allzu kalt und verregnet ist, kann man im Schnitt 20 bis 35 Kilogramm Honig pro Bienenvolk ernten. Aber auch hier mache sich der Klimawandel bemerkbar, hat die Imkerin beobachtet. Durch die steigenden Temperaturen brüte die Königin länger, und die Bienen flögen früher los, würden aber meist noch nicht genug Nahrung finden. Deshalb müsse man zufüttern. Das bedeute einen erheblichen Futterverbrauch über mehrere Monate (von August bis März/April) – in ihrem Fall von rund 28 Kilogramm – was den Honigverkauf wiederum finanziell weniger lohnenswert mache.

Für Nina Spiegel spielt das aber nur eine untergeordnete Rolle. Den Honig sieht sie nach den vielen Jahren mit den Bienen eher als Nebenprodukt. Ihre größte Freude ist das Beobachten. Und da sind ihr schon manche bemerkenswerten Dinge aufgefallen.

„Bienen sind sehr soziale Wesen“, erklärt sie. So habe sie einmal beobachtet, wie eine Biene eine andere aus dem Stock getragen und 50 Zentimeter entfernt behutsam auf einen Grashalm gelegt habe. „Das war wie eine Beerdigung.“ Außerdem werde Teamarbeit bei den Bienen großgeschrieben. Man achte aufeinander. „Da kann sich der Mensch gern noch was abschauen“, sagt die 42-Jährige lachend.

Weil viele Menschen sie vor allem in der Anfangszeit des Öfteren im Imkeranzug sahen, wurde Nina Spiegel immer wieder gerufen, wenn ein Schwarm entdeckt wurde. In den wenigsten Fällen handelte es sich aber tatsächlich um Bienen, sondern stattdessen um Wespen oder Hornissen. Es brachte die Bad Dürrheimerin dazu, sich auch mit diesen Tieren intensiver zu beschäftigen und 2020 eine Weiterbildung zur Fachberaterin zu absolvieren.

Aber ist der Umgang mit diesen Tieren nicht gefährlich? Natürlich gebe es, je nach Genetik, friedlichere und aggressivere Arten, aber grundsätzlich seien insbesondere Bienen und Hornissen nicht auf Ärger aus, sondern sehr friedlich. Wespen würden oftmals von blumigen Parfüms angezogen. Fuchtele man dann noch herum, könne es schon passieren, dass man gestochen werde. Stattdessen sollte man sich nicht schnell bewegen, sondern sich langsam und ruhig entfernen.

Nina Spiegel wird nur noch sehr selten gestochen, wie sie erzählt. Den Imkeranzug trägt sie nur, wenn sie die Tiere nicht kennt. „Bei meinen Bienen trage ich den nie.“

So entstand das Titelfoto der „ Waldrausch“-Ausgabe. Foto: Wehrle

Bienenkästen sind Unikate

Dass die Bad Dürrheimerin nicht nur Bienenfan ist, sondern ihre Heimat von ganzem Herzen liebt, wird klar, wenn man ihre Bienenkästen betrachtet, hat sie diese doch mit viel Liebe dekoriert. Da gibt es etwa das Modell „Tick Tack“, von der Kuckucksuhr inspiriert, oder einen Kasten im Bollenhut-Design. „Ich war schon immer ein Draußen-Kind, ein totaler Naturfreak“, sagt sie lachend.

Aus Zeitgründen hat Nina Spiegel mittlerweile einige ihrer acht Bienenvölker verkauft. 2023 sei die meiste Zeit in ihre Bienen geflossen – zu Lasten der Familie. Deshalb möchte sie mit dem kommerziellen Imkern aufhören und nur noch für den Eigenbedarf produzieren.

Die gelernte Industriekauffrau und Fremdsprachenkorrespondentin arbeitet freiberuflich als Content Creator und als Angestellte im Umweltbüro, in dem sie als Beauftragte für eine klimaneutrale Kommunalverwaltung tätig ist. Deshalb absolviert sie zurzeit auch eine Weiterbildung zur Energieberaterin.

Als „Bienenkind“ auf Instagram

Die Themen Umwelt und Artenschutz liegen der 42-Jährigen besonders am Herzen. „Ich möchte mir nicht irgendwann von meinen Kindern anhören müssen, dass ich nichts gegen den Klimawandel getan habe. Ich möchte eine Aktivistin sein, die alles Mögliche getan hat.“ Dazu gehöre beispielsweise Aufklärung. Nicht nur auf Instagram produziert Nina Spiegel deshalb „insektenfreundlichen Content“. Da informiert sie beispielsweise über Maßnahmen im Garten, um die Artenvielfalt zu erhöhen. Sie gibt aber auch Selbstversorgern Tipps und stellt faszinierende Bienen-, Wespen- und Hornissenarten vor.

Die in deutschen Wäldern heimische Honigbiene sei beispielsweise in den 70er-Jahren ausgestorben, sagt Nina Spiegel. „Alle, die es jetzt gibt, sind zu 100 Prozent gezüchtet und würden in der freien Natur gar nicht überleben.“ Und sie seien reine Nutztiere wie eine Kuh oder ein Schwein, gezüchtet, um zu bestäuben und Wachs und Honig zu produzieren.

Nina Spiegel ist wichtig, die Wespen und Wildbienen zu retten. Denn diese könnten auch bei Kälte Blumen bestäuben und seien damit essenziell für das Ökosystem. Aber eben diese würden oft totgespritzt und fänden keinen Lebensraum mehr. Deshalb plädiert „Bienenkind“ Nina Spiegel für „unaufgeräumte natürliche Ecken“ im Garten mit Totholz. Ein solcher Garten sei im Übrigen auch viel pflegeleichter. „Ich löse bei mir zu Hause beispielsweise gerade unseren Steingarten auf und zeige das alles auf Instagram.“

Nina Spiegel hofft, bei vielen das Interesse für die Bienen und die Umwelt im Allgemeinen zu wecken und Inspiration zu sein, es ihr nachzutun – gegen den Klimawandel, für eine gute Zukunft.

Mehr Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Waldrausch-Magazins.


Biografie

Nina Spiegel
Nina Spiegel ist 42 Jahre alt und kommt aus Bad Dürrheim im Schwarzwald-Baar-Kreis. Sie arbeitet als Content Creator und im Umweltbüro als Beauftragte für eine klimaneutrale Kommunalverwaltung.
Bienen fand sie schon als Kind faszinierend. Ihre ersten eigenen Völker bekam sie 2018. Neben den Bienen liegen ihr auch die Themen Artenschutz und Umwelt am Herzen. Weil viele Menschen sie vor allem in der Anfangszeit des Öfteren im Imkeranzug sahen, wurde Nina Spiegel immer wieder gerufen, wenn ein Schwarm entdeckt wurde. In den wenigsten Fällen handelte es sich aber tatsächlich um Bienen, sondern stattdessen um Wespen oder Hornissen.
Das brachte die Bad Dürrheimerin dazu, sich auch mit diesen Tieren intensiver zu beschäftigen und 2020 eine Weiterbildung zur Fachberaterin zu absolvieren. Aber ist der Umgang mit diesen Tieren nicht gefährlich? Natürlich gebe es, je nach Genetik, friedlichere und aggressivere Arten, aber grundsätzlich seien insbesondere Bienen und Hornissen nicht auf Ärger aus, sondern sehr friedlich. Wespen würden oftmals von blumigen Parfüms angezogen. Fuchtele man dann noch herum, könne es schon passieren, dass man gestochen werde. Stattdessen sollte man sich nicht schnell bewegen, sondern sich langsam und ruhig entfernen.
Nina Spiegel wird nur noch sehr selten gestochen, wie sie erzählt. Den Imkeranzug trägt sie nur, wenn sie die Tiere nicht kennt. „Bei meinen Bienen trage ich den nie.“