Die polizeiliche Kriminalstatistik weist für den Nordschwarzwald ermutigende Zahlen aus. 2024 wurden demnach unter anderem weniger Fälle als im Vorjahr registriert. Gerade im Bereich der Gewaltdelikte gibt es aber beunruhigende Entwicklungen.
Der Nordschwarzwald ist die zweitsicherste von 13 Regionen in Baden-Württemberg – und verpasst den Spitzenplatz nur knapp.
So lässt sich zumindest die polizeiliche Kriminalstatistik interpretieren. Diese listet jährlich die Zahl der Straftaten auf.
Die Daten für den Nordschwarzwald legte am Donnerstag nun das Polizeipräsidium Pforzheim vor, das für die Kreise Calw und Freudenstadt, den Enzkreis sowie die Stadt Pforzheim zuständig ist.
Der Landesvergleich
Demnach kamen im Jahr 2024 insgesamt 3944 Straftaten auf 100 000 Einwohner. Unter den 13 Präsidiumsbereichen im Land schnitt nur Heilbronn besser ab – und das mit 3940 Straftaten auf 100 000 Einwohner haarscharf. Landesweit liegt der Schnitt bei 5180 Taten pro 100 000 Einwohner.
Unter den neun kreisfreien Städten Baden-Württembergs landete Pforzheim dabei auf Platz zwei (7371 Taten) hinter Heilbronn (7100 Taten).
Unter den 35 Landkreisen sicherte sich der Enzkreis den Spitzenplatz (2826), der Kreis Calw landet auf dem dritten Rang (3009) – besser war nur noch der Alb-Donau-Kreis (2957).
Der Vergleich zu Vorjahren
Die Anzahl der insgesamt registrierten Straftaten im Bereich des Polizeipräsidiums Pforzheim sank im Vergleich zum Vorjahr leicht um 0,7 Prozent auf 24 366 Fälle (2023: 24 537). Im Kreis Calw steigen die Fälle dagegen um 2,8 Prozent an. Landesweit verringerten sich die Fallzahlen um etwa 1,2 Prozent.
Dennoch, so erläutert das Pforzheimer Präsidium, handle es sich um den vierthöchstem Stand in der Region im Zehnjahresvergleich.
Die Aufklärungsquote
Die Aufklärungsquote lag im Präsidiumsbereich bei 60,5 Prozent (64 Prozent im Kreis Calw). Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das allerdings einen Rückgang (2023: 63,6 Prozent im Präsidiumsbereich, im Kreis Calw 66,1 Prozent).
Die Verteilung der Taten
27 Prozent der im Präsidiumsbereich verzeichneten Delikte fallen in den Bereich Diebstahl, 19 Prozent wurden im Feld der Rohheitsdelikte begangen (etwa Raub, Körperverletzung, Straftaten gegen die persönliche Freiheit), 19,6 Prozent waren dem Bereich der Vermögens- und Fälschungsdelikte zuzuordnen (etwa Betrug, Veruntreuung oder Unterschlagung), 0,1 Prozent entfallen auf Straftaten gegen das Leben (etwa Mord oder Totschlag), 3,6 Prozent auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, 26 Prozent auf sonstige Straftatbestände und 4,6 Prozent auf strafrechtliche Nebengesetze (dazu gehören etwa das Betäubungsmittel- oder das Waffengesetz).
Die Tatverdächtigen
Insgesamt 11 418 Tatverdächtige wurden 2024 im Präsidiumsbereich ermittelt, davon 2506 im Kreis Calw. Gut drei Viertel davon waren laut Polizei Männer, der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen lag mit rund 43 Prozent auf dem Niveau von 2023.
Die meisten nichtdeutschen Tatverdächtigen stammten (in dieser Reihenfolge) aus Rumänien, der Türkei und Syrien. Auf den Plätzen vier, fünf und sechs folgen Verdächtige aus Italien, dem Irak und der Ukraine gelistet.
Gewalt
Bei den Straftaten gegen das Leben – etwa Mord, Totschlag oder der jeweilige Versuch dazu, aber auch Tötung auf Verlangen oder fahrlässige Tötung – gab es 27 Fälle (2023: 21), bei mehr als der Hälfte handelte es sich um den Versuch. Im Kreis Calw wurden 2024 in diesem Feld sechs Fälle verzeichnet, darunter der mutmaßliche Mord in Bad Teinach-Zavelstein.
Die Zahl der Körperverletzungsdelikte war 2024 rückläufig, allerdings mit 3067 Fällen immer noch auf dem zweithöchsten Stand im Zehnjahresvergleich (2023: 3098 Fälle). Bei drei Vierteln der Fälle handelte es sich um leichte Körperverletzungen.
Im Kreis Calw sank die Zahl der Körperverletzungen um fünf Fälle auf 664; die Zahl der schweren oder gefährlichen Körperverletzungen stieg dafür um 24 auf 155 Fälle.
Deutlich angestiegen ist die Gewalt gegen Polizisten (2024: 203 Fälle, 2023: 221). Etwa jeder zweite Täter war dabei alkoholisiert, mehr als drei Viertel waren polizeibekannt.
Straßenkriminalität
Knapp die Hälfte der Fälle im Bereich der Straßenkriminalität machen Sachbeschädigungen aus; Diebstahlsdelikte kommen auf fast 40 Prozent. Knapp 15 Prozent, also etwa jeder siebte Fall, sind Aggressionsdelikte (darunter fallen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung).
Bei letzteren ist laut Polizei ein Rückgang um 4,8 Prozent zu verzeichnen. Die Aufklärungsquote liegt bei 85,5 Prozent. Hierbei spielen indes oft Messer eine Rolle; fast die Hälfte aller Straftaten mit Messer wurden im öffentlichen Raum begangen. 2024 wurden im Polizeipräsidiumsbereich 150 Messerangriffe registriert. 2022 waren es noch 122 gewesen. Etwa 40 Prozent dieser Angriffe ereigneten sich im Stadtkreis Pforzheim, der damit trotzdem noch die zweitniedrigsten Fallzahl aller Stadtkreise aufwies.
Sexualstraftaten
Erneut gestiegen sind die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Präsidiumsbereich (876 Taten, 2023: 840; Kreis Calw: 191, 2023: 147). Die Aufklärungsquote dieser Fälle liegt bei 90 Prozent.
Bei etwa jedem zweiten Fall (431) handelte es sich um die Verbreitung pornografischer Schriften, großteils über Internet, Smartphones und hier insbesondere Social Media.
Erhebliche Anstiege gab es bei Fällen sexueller Belästigung (110 Taten, 2023: 92; Kreis Calw: 19, 2023: 20) und sexuellen Übergriffen (31 Taten, 2023: 18; Kreis Calw: 9, 2023: 7).
Häusliche Gewalt
Einen besonders erschreckenden Anstieg verzeichnete die Polizei im Bereich der häuslichen Gewalt im Vergleich der Jahre 2022 und 2023. Hier waren die Fallzahlen im Präsidiumsbereich geradezu explodiert – von 729 auf 1024 Fälle, was einer Steigerung um mehr als 40 Prozent entspricht.
2024 kletterten die Zahlen erneut. Diesmal aber weniger drastisch: 1074 wurden registriert, 4,9 Prozent mehr als 2023. Im Kreis Calw sieht es dagegen deutlich schlimmer aus: 210 Fälle waren es noch 2023, 2024 dagegen 262 Fälle. Knapp 80 Prozent der Opfer sind Frauen. Die Polizei sieht den dramatischen Anstieg der vergangenen Jahre unter anderem durch ein geändertes Anzeigeverhalten der Opfer verursacht.
Einbruch
Bei 44,8 Prozent der Wohnungseinbrüche, also knapp bei jedem zweiten, blieb es 2024 im Präsidiumsbereich beim Versuch. 243 Straftaten wurden 2024 verzeichnet. Das sind 13 mehr als 2023, allerdings deutlich weniger als vor den Corona-Jahren. 2019 waren es etwa 297. Im Kreis Calw waren es 2024 insgesamt 46 Fälle (2023: 64).
Rauschgift
Wenig überraschend haben sich die Fallzahlen im Bereich der Rauschgiftkriminalität fast halbiert (Rückgang um 49,1 Prozent). Dies hängt vor allem mit der Cannabislegalisierung im April 2024 zusammen; in der Vergangenheit lag ein Schwerpunkt in diesem Feld insbesondere bei den Delikten Besitz und Erwerb von Cannabis.
Prävention
Im Jahr 2024 organisierte das Referat Prävention fast 1400 Veranstaltungen und erreichte rund 38 000 Teilnehmer. Die Bandbreite reichte von Beratungen zu Sucht und Social-Media bis zu Einbruchsschutz und Vorträgen in der Seniorenprävention.
Die Aussagekraft
Über die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung sagen all diese Daten indes nur bedingt etwas aus, meint Tobias Singelnstein. Das hatte der Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Goethe-Universität Frankfurt vor rund einem Jahr im Gespräch mit der „Zeit“ erklärt.
Vielmehr werde damit erfasst, was die Polizei getan und geleistet habe, „was die Polizei sehen kann und erfassen will“. Es sei „bizarr“, wie die Statistik Jahr für Jahr überinterpretiert und als „Goldstandard der Kriminalitätsmessung“ behandelt würden. „Sie ist aber nur der Blechstandard“, meint der Kriminologe.