Das Lesachtal befindet sich am Rand von Kärnten an der Grenze zu Osttirol. Wer die etwas umständliche Anreise nicht scheut, wird belohnt: mit Ruhe, Natur und gesundem Essen.
Die Serpentinen haben es in sich. Auf dem Weg vom Lesachtal hoch zum Jörgishof reiht sich Kehre an Kehre: sehr eng die Kurven, sehr schmal die Straße. Die Insassen im Taxi halten sich an allem fest, was das Auto so hergibt, dabei den Fahrer stets im Blick: hat er auch alles im Griff? Der weist munter auf den Berg hier, die Alm dort hin und sagt auf die Frage, ob er die Straßen im Lesachtal nicht gefährlich finde: „So eine mehrspurige Straße in einer Großstadt finde ich viel gefährlicher.“ Endlich auf 1350 Metern oben angekommen, begrüßt die Bäuerin Kathrin Unterweger die Gäste: „Ich bin Kathrin, über 1000 Meter sind hier alle per Du.“ Der Blick vom Jörgishof ins tiefe Tal und hoch in die grauen Karnischen Alpen ist sensationell, die Hinfahrt schnell vergessen, und bis zur Rückfahrt ist es noch lang.
Die Kühe wissen wann es Zeit ist für den Heimweg
Kathrin bittet auf der Terrasse zu Tisch und kredenzt ihre mehrfach prämierten Käsesorten und Topfen. „Wir verarbeiten in unserer Hofkäserei nur reine Heumilch“, erklärt sie und lässt die Besucher die Geschmacksrichtungen ihrer Joghurts raten. Niemand liegt daneben, und das alles ohne Geschmacksverstärker. Auf einmal unterbricht lautes Gemuhe und Gebimmel die Ruhe. „Die Kühe kommen von der Alm“, sagt die junge Frau und erklärt: „Die Tiere wissen wann es Zeit ist für den Heimweg und finden allein zurück in den Stall. Unsere Feriengäste bekommen so tagtäglich mit, wie Leben und Lebensmittel ursächlich zusammenhängen.“ Da der Weg ins Tal weit ist und die Arbeit oben auf dem Hof eigentlich nie aufhört, beschloss Bäuerin Kathrin vor einigen Jahren, sich die Abwechslung einfach ins Haus zu holen und richtete Ferienwohnungen ein. „Die Gäste sind quasi meine Erholung“, erzählt die junge Frau und strahlt.
Das Lesachtal ist ein Zusammenschluss von vier kleinen Ortschaften entlang des naturbelassenen Wildwasserflusses Gail. In 22 Weilern wohnen gerade mal 1300 Einwohner. Das Tal wird im Norden von den Gailtaler Alpen und im Süden vom Karnischen Hauptkamm begrenzt, es liegt also am Rand von Kärnten an der Grenze zu Osttirol.
Das klingt nicht nur abgelegen, das ist es auch. Die Täler in der Umgebung – zum Beispiel das Pustertal – , sind allesamt bekannter und beliebter, aber eben auch touristischer und nicht mehr so ursprünglich. Im Lesachtal wird durch Selbstbeschränkung darauf geachtet, dass das Verhältnis von Gästebetten zu Einheimischen ausgewogen bleibt, es gibt keine Aufstiegshilfen zu den Gipfeln und der Ausbau der Straßen ist überschaubar. So wurde das Lesachtal schon mehrmals ausgezeichnet: vor einigen Jahren auf der Stuttgarter Urlaubsmesse CMT als naturbelassenstes Urlaubstal Europas oder von den Naturfreunden International als Landschaft des Jahres sowie als gelungenes Beispiel für nachhaltige Tourismusentwicklung.
Medizin aus den Bergen
So ist es zu begreifen, dass die Aktion „Slow Food Travel“ der Alpe Adria Region im Lesachtal seinen Anfang nahm. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich der Zusammenschluss mehrerer Alpendörfer, die sich für gutes, nachhaltiges und fair produziertes Essen einsetzen. Der Lesachtaler Tourismuschef Christian Unterguggenberger erklärt: „Das bedeutet konkret, dass frische und traditionelle Produkte aus der Region verwendet werden, Ressourcen geschont, alte Tierrassen sowie Getreide- und Gemüsesorten erhalten und handwerkliche und bäuerliche Lebensmittelhersteller unterstützt werden.“ Schmackhaft und überdies sehr gesund seien die Lebensmittel auch, fügt der junge Mann hinzu.
Das bestätigt auch der Arzt und Wanderführer Georg Lexer: „Laboruntersuchungen haben ergeben, dass zum Beispiel die Butter der Bäuerin Kathrin vom Jörgishof sehr viele mehr gesunde Fettsäuren enthält als industriell hergestellte Butter.“ Lexer nennt deshalb diese Produkte gerne „Medizin aus den Bergen“ und diese sind für ihn der beste Doktor. So heißen seine geführten Wanderungen auch: „Dr. Alm, Dr. Wald, Dr. Wiese und Dr. Wasser“. Der Chirurg verweist auf die gesundheitsfördernden Aspekte der Almen: „Unsere Almen wirken in der Verbindung mit unseren Bächen und Wäldern antidepressiv, angstlösend, puls- und blutdrucksenkend.“
Auch Klara Obernosterer glaubt fest an die heilsame Wirkung der Landschaft. Und an die der Kräuter. Für die Wald- und Kräuterpädagogin ist Nachhaltigkeit allerdings nichts Neues. „Sparsamkeit und nachhaltiges Wirtschaften habe ich von meinen Eltern und Großeltern gelernt. Hier im Lesachtal hat man immer schon einen achtsamen und rücksichtsvollen Umgang mit der Natur und den Tieren gehabt“, sagt Klara. In St. Lorenzen betreibt sie einen Kräutergarten und eine Kräuterwerkstatt. Hier in der kleinen, aber sehr professionell und üppig ausgestatteten Edelstahlküche werden die Schätze der Natur gesichtet, sortiert, anschließend im Trockenraum ausgebreitet und dann weiterverarbeitet.
In einem kleinen Shop hinter der Küche kann man wunderbar duftende Cremes, Öle Liköre und Kräuter kaufen, aber auch ihre selbsthergestellten Bittertropfen. Auf Bitterstoffe schwört Klara Obernosterer genauso wie der Mediziner Georg Lexer. „Ein paar Tropfen nach dem Essen auf die Zunge, und die Tropfen vertreiben die Lust auf einen süßen Nachtisch“, verrät die Kräuterexpertin und gibt lachend zu, dass sie ohne ihre Tropfen kaum an einer Packung Gummibärchen vorbeikomme.
Backen mit der Brotsommelière
Als ebenfalls sehr gesundes Lebensmittel gilt das Lesachtaler Brot, das nicht nur immaterielles Weltkulturerbe ist, sondern das vom Slow Food International Komitee als besonders schützenswert geführt wird. Das sind Lebensmittel, die durch eine belegbare historische Verankerung und den eindeutigen Bezug zu Region einzigartig sind.
Für Touristen und anderer Interessierte bietet Brotsommelière Anita Stöffler Brotbackkurse an. „Für das Lesachtaler Brot dürfen nur biologische Sorten verwendet werden, die man selber nachbauen kann“, erklärt Anita. Hier im Lesachtal habe man immer schon darauf geachtet, autark zu sein. Die wichtigste Zutat des runden, rustikalen Laibs mit dem traditionellen gestempelten Gottesauge ist der Sauerteig. Anita verwendet besonders gerne die italienische Mutterhefe Lievito Madre. „Das Brot schmeckt damit einfach besser, hat einen betörenden Duft und eine frische säuerliche Note“, schwärmt Anita.
Die Selbstverständlichkeit, mit der die achtfache Mutter italienische Begriffe verwendet, macht erneut deutlich, wie sehr Gegenden profitieren, die sich in geografischer Randlage befinden. Man braucht sich gegenseitig, man tauscht sich aus, das schafft Toleranz. Hier beäugt man sich nicht skeptisch, sondern ist neugierig darauf, wie der andere lebt, was er isst und wie er ist.
Lesachtal
Die Anreise ins Lesachtal sollte man als Beginn der Entschleunigung betrachten: mit der Bahn über München oder Nürnberg, dann weiter bis Innsbruck, von dort aus mit dem Überlandbus bis nach Sillian. Die Hoteliers holen ihre Übernachtungsgäste von dort ab. Unbedingt über die ÖBB buchen, www.oebb.at , die Deutsche Bahn App findet das Lesachtal nicht.
Unterkunft
Das Alpenwellness Resort Tuffbad liegt absolut ruhig und abgeschieden in schönster Natur. Im Haupthaus gibt es Doppelzimmer, auf dem weitläufigen Gelände großzügige Chalets. Das Spa mit verschiedenen Saunen sowie dem Dachpool mit tollem Blick auf die Berge befindet sich im Haupthaus. Doppelzimmer mit Halbpension ab 240 Euro, www.almwellness.com . Auch das Alpenhotel Wanderniki in Liesing/Obergail liegt ruhig und abgelegen. Dazu ist es auf Outdoor-Urlauber eingestellt und hat eine herrliche Panoramaterrasse. DZ/F ab 120 Euro, www.wanderniki.at .
Essen und Trinken
In beiden Hotels kann man abends auch ausgezeichnet essen. Das liegt nahe, falls man in diesen Häusern übernachtet, denn andere Restaurants liegen nicht unbedingt ums Eck. Beide Häuser gehören zu dem Verbund Slow Food Travel Alpe/Adria/Kärnten. Auf der Homepage www.slowfood.travel.com findet man weitere Hotels und Restaurants, die für faires, nachhaltiges und gutes Essen stehen.
Aktivitäten
In Maria Luggau startet eine Mühlenführung am historischen Mühlenweg mit Kornmahlen. Danach kann man im Hotel Tuffbad einen Brotbackkurs mit Anita machen. Das Lesachtaler Brot ist immaterielles Kulturerbe der Unesco. Spezielle Kräuterwanderungen auf die Wieseralm bietet Kräuterexpertin Klara an. In Klaras Kräuterhäusl in St. Lorenzen wird zu Speisen, Tinkturen oder Kosmetik verarbeitet, was gesammelt wurde. Einen Shop gibt es auch. www.wildkraut-lesachtal.at.Mit dem Arzt Georg Lexer kann man die heilsame Wanderung „Dr. Alm, Dr. Wald, Dr. Wiese und Dr. Wasser“ unternehmen, www.peintnerhof.at. Alle Unternehmungen sind auch über den Tourismusverband Lesachtal buchbar: www.lesachtal.com.
Allgemeine Informationen
www.lesachtal.com ; www.slowfood.travel/de ;