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Die C-Klasse rollt aus dem Land, und die Premiumklasse der Landespolitik reagiert betreten.

Stuttgart - Die C-Klasse rollt aus dem Land, und die Premiumklasse der Landespolitik reagiert betreten. Als Tausende empörte Daimler-Mitarbeiter am Mittwochvormittag in Sindelfingen die Arbeit niederlegen, wird im Staatsministerium an der Stellungnahme des Ministerpräsidenten gefeilt.

Kurz vor 14 Uhr läuft sie über den Nachrichtenticker. Günther Oettinger lässt sich mit den Worten zitieren: „Die Entscheidung ist bitter für den Automobilstandort Baden-Württemberg und die betroffenen Mitarbeiter.“ Allerdings müsse der Vorstand immer die Gesamtsituation des Unternehmens berücksichtigen, um im globalen Wettbewerb dauerhaft bestehen zu können. Im Klartext: Verständnis für die Enttäuschung der Arbeiter wie für die Entscheidung des Konzerns. Das Urteil eines Analytikers.

Für SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel passt das ins Bild, das er vom noch amtierenden Ministerpräsidenten hat: "Oettinger hat die angeblichen betriebswirtschaftlichen Argumente der Konzernchefs wieder einmal schnell akzeptiert, anstatt sich hinter die Belegschaft zu stellen." Mit "wieder einmal" spielte Schmiedel auf das öffentlich unsichtbare Vorgehen Oettingers im Machtkampf von Porsche und VW an. So fieberhaft er im Hintergrund auch agierte, in der Außenwirkung entstand das Bild von politischer Passivität, das sich dadurch verfestigte, dass sein Bemühen letztlich folgenlos blieb.

Angesichts der Verlagerung der C-Klasse kann Schmiedel daher lapidar erklären: "Die Interessen des Automobilstandorts Baden-Württemberg sind bei der Landesregierung einmal mehr unter den Tisch gefallen." Immer deutlicher zeige sich, wie sehr das derzeitige Machtvakuum in der Landesregierung den Interessen des Landes schadet. Der eine will nichts mehr tun, und der andere kann es noch nicht."

Der eine - Günther Oettinger - würde das vehement bestreiten. In mehreren Gesprächen mit dem Vorstand habe er seine Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass ein Ausgleich zur Sicherung der Arbeitsplätze geschaffen werde, versichert Oettinger gestern. Der andere - Stefan Mappus, der am 27. Januar zum Regierungschef gewählt werden soll - hatte am Vortag versucht, den Gang der Dinge auf den letzten Metern zu beeinflussen: "Der Standort Baden-Württemberg sollte jetzt nicht noch weiter bluten", forderte er in einer Stellungnahme mit dem Böblinger CDU-Landtagsabgeordneten Paul Nemeth. Kurz darauf - offenbar irritiert vom Vorpreschen des Noch-Fraktionschefs - meldete sich auch Oettinger zu Wort und mahnte von Daimler ein vertrauensbildendes Konzept an, das die Jobsicherung in den Vordergrund stellt.

Den Erhalt der C-Klasse-Produktion in Sindelfingen hatten jedoch weder Oettinger noch Mappus ausdrücklich gefordert. Die Würfel waren wohl schon gefallen. Gestern stellt Mappus - in gebührendem Abstand zum Regierungschef - fest: "In der Entscheidung liegt auch eine Chance. Wir werden Daimler jetzt beim Wort nehmen, den betroffenen Mitarbeitern zukünftig attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten."

Es war die SPD, die das Thema C-Klasse zuletzt offensiv aufgerufen und sich gegen eine Verlagerung gestemmt hatte. Zu Wochenbeginn hatte der neu gewählte SPD-Landeschef Nils Schmid erklärt: "Ich erwarte von der Landesregierung eine klare Ansage bei einer der wichtigsten industriepolitischen Weichenstellungen." Gelegenheit dazu hätte es schon früher gegeben - etwa auf dem CDU-Landesparteitag Ende November in Friedrichshafen. Doch in den Reden dort kam die C-Klasse nicht vor. Dafür zeichnete der Regierungschef haarklein ein düsteres Bild des Automobilstandorts Baden-Württemberg: "Das Automobil wird derzeit neu erfunden." Entweder es gelinge den Firmen, die (Elektro-)Zukunft zu erreichen, "oder wir fliegen raus".

Die C-Klasse rollt außer Landes. Die politische Premiumklasse reagiert betreten. Zu ihr gehört auch Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP). Was sagt er? Pfister versichert, er habe sich bemüht. "Ich war in den letzten Tagen ständig im Gespräch mit der Geschäftsleitung in Sindelfingen. Leider habe ich diese betriebswirtschaftliche Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen."