Der Stuttgarter Autobauer hat einen lästigen Gerichtsstreit jetzt mit einem Vergleich begelegt Foto: dapd

Prozess wegen Vorwurfs des Arbeitszeitbetrugs endet in zweiter Instanz mit Vergleich.

Stuttgart - Georg-Dieter Bell kann seine Enttäuschung nicht verbergen. „Ich habe bis zum Schluss gehofft, dass es anders ausgeht“, sagt er nach der Verhandlung leise. In fünf Jahren wäre er in Rente gegangen, „bis dahin will ich arbeiten“ – das hat er am Donnerstag mehrfach betont. Anders als in der ersten Instanz, in der Daimler mit seiner außerordentlichen Kündigung gescheitert ist, ließ Richterin Birgit Zimmermann am Landesarbeitsgericht (LAG) durchblicken, dass dieses Verfahren zu Ungunsten Bells ausgehen und damit ohnehin zum Ende des Arbeitsverhältnisses führen könnte. Mit dem Vergleich hat Bell die elegantere Variante gewählt: Er arbeitet nicht mehr, bekommt bis April 2013 aber Gehalt. Zusätzlich zahlt Daimler dem Betriebsrat 130 000 Euro Abfindung. Vor allem Letzteres hätte sich der Konzern gern erspart, da es aus seiner Sicht gravierende Arbeitszeitverstöße gab. Schließlich ging der Autobauer aber auf den Vorschlag des Gerichts ein.

Daimler wirft Bell vor, jahrelang während der Arbeit seine Frau im Dienstwagen ins Geschäft gefahren zu haben. Dazu habe Bell morgens an seinem Arbeitsplatz im Werk Untertürkheim eingestempelt und anschließend seine ebenfalls bei Daimler beschäftigte Frau in den 15 Minuten entfernt liegenden Werkteil Mettingen chauffiert. Darauf aufmerksam geworden ist der Konzern durch einen anonymen Hinweis. Eine anschließende Beschattung ergab laut Unternehmen Arbeitszeitbetrug an drei Tagen im Sommer 2011. Aus einem Vergleich der Stempelzeiten des Ehepaars leitet Daimler den Verdacht ab, dass es solche Verstöße seit Jahren gab. Bell wiederum argumentiert, dass er auf den fraglichen Fahrten im Sommer 2011 in Betriebsratsdingen telefoniert und somit gearbeitet habe. Das 43-köpfige Daimler-Betriebsratsgremium widersprach der Kündigung, deshalb musste die Justiz entscheiden. In seinem Urteil vom Dezember 2011 meldete das Arbeitsgericht zwar Zweifel an Bells Darstellung an, nach über 40 Jahren im Unternehmen ohne Beanstandungen hielten die Richter die Vorwürfe aber nicht ausreichend für eine fristlose Kündigung. Dagegen legte Daimler Beschwerde ein und warf Bell nunmehr zusätzlich vor, unberechtigt vertrauliche Daten aus Personalakten erhoben zu haben.

Die Zuhörer-Reihen waren bis zum letzten Platz besetzt

Relevant war dieser weitere Vorwurf nicht. Vielmehr wollte auch die Richterin wissen, was Bell im Juli und August 2011 auf dem Weg nach Mettingen zu tun hatte. Dies konnte der Betriebsrat anhand von Kalendereinträgen belegen – widersprach damit aber teils eigenen, früheren Schilderungen. Zudem wollen Beschäftigte Bell zu einer Zeit in Mettingen gesehen haben, wo dieser nach Auswertung seiner PC-Daten in Untertürkheim vor dem Computer saß. Letzteres führte vor Gericht zu der abstrusen Debatte, ob von einer Festplatte erfasste Vorgänge menschliches Zutun voraussetzen.

Die Zuhörerreihen waren bis auf den letzten Platz besetzt, der Fall stößt auf so großes Interesse, weil Bell als Vertreter der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) eigentlich Ende 2011 in den Aufsichtsrat des Autobauers einziehen sollte. „Diese Vorstellung ist für uns nicht hinnehmbar“, sagte Daimler-Anwalt Philipp Montigel mit Hinweis auf die Arbeitszeitverstöße – obwohl ein Nachrücken Bells in das Gremium zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht mehr zur Debatte steht.

Politische Erwägungen interessieren die Richterin nicht

Bell vermutet, dass Daimler seinen Einzug in den Aufsichtsrat verhindern und den unbequemen Betriebsrat loswerden wollte. „Ich bin Betriebsrat mit Haut und Haar“, sagte er, dabei verwischten die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben nun mal. Inzwischen habe er indes erkennen müssen, dass Daimler die Einhaltung bestimmter Richtlinien wichtiger nehme „als das Autobauen. Mich jetzt in den Gully zu kicken, ist für mich nur mit dem Zusammenhang Aufsichtsratswahl nachvollziehbar.“

Solche „politischen Erwägungen“ interessierten sie nicht, entgegnete die Richterin, allerdings habe Bell mit seiner Darstellung zu den fraglichen Arbeitszeiten „nicht überzeugt“. Und beim sensiblen Thema Arbeitszeitbetrug könne ein Unternehmen durchaus zum äußersten Mittel greifen. Dazu kommt es nach dem Vergleich nicht mehr.