Daimler-Zentrale in Untertürkheim Foto: Foto: dpa

Am 10. März wählen die Beschäftigten bei Daimler einen neuen Betriebsrat - oder auch nicht.

Stuttgart - Am 10. März wählen die Beschäftigten beim Autobauer Daimler einen neuen Betriebsrat - oder auch nicht. Denn nun hat das Stuttgarter Arbeitsgericht bei der Vorbereitung Fehler entdeckt, zumindest in der Stuttgarter Zentrale darf demnach nächste Woche nicht gewählt werden. Das Unternehmen hält die Entscheidung für ungerechtfertigt, voraussichtlich am kommenden Dienstag beschäftigt sich die nächsthöhere Instanz mit dem Streit.

Die Entscheidung geht auf eine Klage der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) zurück. Diese hatte die Wählerlisten angefochten, weil Mitarbeiter der Hierarchieebenen E2 und E3, die mit denen eines Abteilungsleiters vergleichbar sind, nicht erfasst werden. Laut dem CGM-Anwalt Stefan Nägele betrifft das deutschlandweit rund 2500 Beschäftigte und stellt einen Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz dar. Nägele selbst hat 2007 in einem anderen Zusammenhang für gut ein Dutzend gekündigte Daimler-Mitarbeiter die Weiterbeschäftigung erstritten, damals stellte das Stuttgarter Arbeitsgericht fest, dass es sich bei diesen Hierarchieebenen nicht um leitende Führungskräfte im Sinne des Gesetzes handelt. Diese Einschätzung wollte sich die CGM nochmals für die anstehenden Betriebsratswahlen bestätigen lassen. "Wir wollten kein Tohuwabohu veranstalten und keinen Schaden anrichten, sondern nur, dass bei Daimler endlich ordentliche Verhältnisse herrschen", sagte Nägele. Deshalb seien nur die Wahlen in der Zentrale, nicht aber in den anderen Werken angefochten worden.

Suche nach "einvernehmlichen Lösungen"

Ein Tohuwabohu herrschte nach dem Urteil allerdings trotzdem. Von der Entscheidung sei man "überrascht", sagte eine Daimler-Sprecherin auf Anfrage. "Die Unternehmensleitung wird eine sofortige Beschwerde vor dem Landesarbeitsgericht einlegen." Der zuständige Betriebsratsvorsitzende der Zentrale war am Freitag überhaupt nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Dafür war die Entscheidung bereits wenige Minuten nach der Verkündung auf der Internetseite der Daimler-Betriebsratsfraktion Neue Perspektive nachzulesen. Deren Vertreter, Werner Funk, zeigte sich nach der Verhandlung empört: "Erst vor Gericht haben wir Betriebsräte erfahren, dass 2010 in der Zentrale 600 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen", schimpfte er.

Die Zahl der Arbeitsplätze in der Verwaltung ist zugleich der Knackpunkt der Auseinandersetzung: Denn laut Richter Niki Sänger hat der Wahlvorstand die Zahl der Betriebsratsmitglieder falsch bemessen. Statt 39 wie vorgesehen dürfe das Gremium in der Zentrale lediglich 37 Mitglieder zählen. Grundlage der Betriebsratsgröße ist die Zahl der Wahlberechtigten, diese betrug Nägele zufolge zum Stichtag Mitte Januar rund 11.300. Daimler nennt die Zahl 11.850. Erst ab 12.000 Beschäftigten dürfen 39 Arbeitnehmervertreter gewählt werden. Offenbar hat das Unternehmen aber vereinbart, dass auch Prognosen zur Personalentwicklung berücksichtigt werden dürfen. "Solche Absprachen sind unzulässig und würden zur sicheren Anfechtbarkeit der Wahl führen", sagte Sänger gegenüber dieser Zeitung. Zumal die Personalabteilung in einer Stellungnahme 2010 eher von einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen ausgehe - nämlich um 600 Stellen in der Zentrale. Die Frage, ob die Hierarchieebenen E2 und E3 wahlberechtigt sind, spielte bei der Begründung keine Rolle.

Die Daimler-Sprecherin mühte sich am Freitag um Schadenbegrenzung. Die 600 Jobs weniger seien nur geschätzt und beruhten auf freiwilligem Ausscheiden, hieß es. Und selbst wenn die Zentrale bei einer Wahl-Verschiebung wochenlang ohne Betriebsrat sei, werde man "einvernehmliche Lösungen" mit den Arbeitnehmervertretern suchen. Dagegen gab das Urteil jenen Gruppierungen Zündstoff, die sich seit jeher an der starken Präsenz der IG Metall im Daimler-Betriebsrat stören. In der Zentrale treten elf verschiedene Listen zu den Wahlen 2010 an.