Markus Söder hat Friedrich Merz den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur gelassen. Doch auch wenn es gelingen sollte, auf dem CSU-Parteitag Harmonie zu verbreiten, muss Merz sich weiter in Acht nehmen, kommentiert unser Hauptstadtkorrespondent Tobias Peter.
Franz Josef Strauß hat einmal den bemerkenswerten Satz gesagt: „Ich glaube, es ist reizvoller, in Alaska eine Ananasfarm aufzubauen, als in Deutschland das Bundeskanzleramt zu übernehmen.“ Markus Söder hat oft betont, dass sein Platz in Bayern sei. Ehrlich waren beide nicht. Strauß nicht, der 1980 als erfolgloser Kanzlerkandidat antrat. Und Söder erst recht nicht, der gar nicht anders kann, als sich selbst als den bestmöglichen Kanzler zu sehen.
Söder hat CDU-Chef Friedrich Merz bei der Kanzlerkandidatur notgedrungen den Vortritt gelassen. Das Verhalten des CSU-Chefs in den kommenden Monaten ist und bleibt eines der größeren Risiken, das Merz auf dem Weg zur erhofften Kanzlerschaft noch Schwierigkeiten bereiten kann. Das gilt selbst dann, wenn es beim CSU-Parteitag am Freitag und Samstag gelingen sollte, ein Signal der Harmonie zwischen den Schwesterparteien auszusenden.
Markus Söder verhält sich wie ein Fußball-Rentner
Wenn die Ampel nicht doch noch vorzeitig brechen sollte, ist der Weg bis zur Bundestagswahl noch lang. Söder dürfte Lust verspüren, Merz‘ Performance als Kanzlerkandidat wenigstens gelegentlich so zu kommentieren, wie Rentner es am Rand des Dorffußballplatzes mit dem Spiel der Jugendmannschaft tun. Söder ist in diesem Fall zwar der Jüngere. Aber so wie die älteren Herren, die angeblich nie in ihrem Leben einen Ball verstolpert oder einen Elfmeter verschossen haben, ist er fest überzeugt: Er könnte es besser als jeder andere, den er auf dem Spielfeld sieht.
Man darf nicht vergessen, dass auch der gescheiterte Unions-Kandidat Armin Laschet nach der Wahl 2021 noch eine echte Chance gehabt hätte, Kanzler zu werden. Wenn, ja wenn Söder ihn damals nicht endgültig demontiert hätte. Söder hält sich für besser geeignet als Merz, aber er verachtet ihn nicht, wie er es offenbar bei Armin Laschet getan hat. Er wird Merz aller Voraussicht nach nicht so offen und ungehemmt schikanieren wie Laschet. Dennoch wäre es überraschend, wenn er ihn nicht immer mal wieder piesacken würde. Und das gleich aus drei Gründen.
Erstens, weil Söder das fiese Spiel – der Eindruck drängt sich zumindest auf – offensichtlich Spaß macht. Zweitens wäre es eine übermenschliche Erwartung, dass Merz als Kandidat über eine so lange Strecke fehlerfrei bleibt. Söder aber lebt in der Gewissheit, dass er sowieso die besseren persönlichen Umfragewerte hat. Drittens will der CSU-Chef seinen Anspruch markieren, bei allen wesentlichen Entscheidungen ein Vetorecht zu haben.
Die Sache mit den Grünen
Wie problematisch das sein kann, sieht man bei der Frage nach den Grünen. Söder schließt eine Zusammenarbeit kategorisch aus. Dass der CSU-Chef jetzt auch noch den Rücktritt von Vize-Kanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock fordert, reißt zusätzliche Gräben auf. Dass Merz das Bündnis mit den Grünen mindestens als taktische Option bräuchte, schert Söder nicht. Der CSU-Chef kann hochcharmant sein, wenn er das will. Rücksichtnahme ist seine Sache aber nicht.
Das Einzige, was Söder am Ende wirklich disziplinieren kann, ist der Eigennutz. In der Landesregierung in München haben sie schon lange gemerkt, dass sich die bayerischen Interessen wirkungsvoller vertreten lassen, wenn die CSU an der Bundesregierung beteiligt ist. Keine Frage, Söder wäre gern selbst Kanzlerkandidat geworden. Aber er muss jetzt darauf achten, die gemeinsamen Wahlaussichten von CDU und CSU nicht so zu beschädigen, dass ihm die eigene Partei das übel nimmt. Sonst findet er womöglich keinen anderen Job mehr als den, in Alaska einen Ananasfarm aufzubauen.