Die Corona-Warn-App soll die Kontaktverfolgung von Infizierten ermöglichen und dadurch die Infektionsketten verkürzen. Foto: Nölke

Infektionsketten sollen frühzeitig durchbrochen werden. Umfrage: Was halten die Villinger davon? Mit Video

Region - Nach einer monatelangen Diskussion und einer 180-Grad-Wende der Bundesregierung ging es dann doch sehr schnell: Die offizielle Corona-Warn-App des Bundes steht seit Dienstagmorgen zum Download bereit.

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Die App soll dabei helfen, die Infektionsketten frühzeitig zu erkennen und zu durchbrechen. Doch hat die Tracing-App das Potenzial, diese Hoffnungen zu erfüllen? Welche Nachteile sind damit verbunden? Und was halten die Bürger von der App?

schwarzwaelder-bote.de hat sich in Villingen umgehört:

Die App hilft zwar nicht dabei, eine Ansteckung zu verhindern. Sie kann aber dazu beitragen, dass Menschen nachträglich über risikoreiche Begegnungen informiert werden. Nutzern stellen sich nun viele Fragen - auch zum täglichen Umgang mit der App und dazu, wie sie das Angebot auf ihren Endgeräten anwenden sollten.

Siehe auch: Drei Coronavirus-Apps im Vergleich

Wie funktioniert die App?

Die App setzt auf die Funktechnik Bluetooth, mit der man sonst drahtlose Lautsprecher, Tastaturen oder andere Geräte ansteuert. Sie funkt je nach Smartphone-Modell im Abstand von zweieinhalb bis fünf Minuten eine anonymisierte Identifikationsnummer 16 Mal in die nähere Umgebung. Zugleich lauscht das Telefon, ob es Bluetooth-Signale von Anderen empfangen kann.

Meinungen über Corona-App gehen auseinander

Halten sich Nutzer, die beide die App laufen haben, nebeneinander auf, tauschen die Smartphones ihre IDs aus. Achtung: Im Ausland funktioniert die App zurzeit noch nicht. Und auch ausländische Gäste, die sich in Deutschland aufhalten, können die App ohne ein deutsches Konto bei Google beziehungsweise Apple aktuell weder installieren noch nutzen.

Saugt die ständige Funkerei nicht den Akku schnell leer?

Die Entwickler sagen, dass die App nicht viel Strom zieht und nur einen winzigen Bruchteil der Akkukapazität in Anspruch nimmt. Problematischer als die Corona-Warn-App könnten die vielen anderen Apps sein, die ebenfalls auf einem typischen Smartphone installiert sind. Wenn andere Anwendungen zusammen mit der Corona-Warn-App aus dem Ruhezustand aufwachen - zum Beispiel Social-Media-Clients oder E-Mail-Programme -, dann kann das schon die Laufzeit des Smartphones verkürzen. Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass die App nicht ständig funkt, sondern nur alle zweieinhalb bis fünf Minuten.

Sieht damit meine nähere Umgebung all meine Kontaktdaten?

Nein. In dem Datenaustausch werden nie die Klarinformationen der Anwender verwendet. Die App generiert zunächst einen anonymisierten Tagesschlüssel. Aus diesem werden alle 15 Minuten neu temporäre IDs erzeugt, die dann mit den anderen Smartphones ausgetauscht werden. Sie lassen keinen direkten Rückschluss auf den Nutzer der App zu. Die ständig wechselnden temporären IDs werden für 14 Tage lokal auf dem Smartphone in Listen gespeichert und dann gelöscht.

Was passiert, wenn ein Anwender positiv getestet wurde?

In diesem Fall trägt man diesen Status selbst in die App ein. Um einen Missbrauch oder Irrtum zu verhindern, muss der Positiv-Status offiziell bestätigt werden. Das geschieht zum einen über einen QR-Code, den man vom Testlabor erhält. Alternativ kann man auch eine TAN eingeben, die man von einer Telefon-Hotline bekommt, da nicht alle Labore in der Lage sind, QR-Codes zu generieren. Im Infektionsfall erhalten die betroffenen Kontakte einen Hinweis, dass sie sich testen lassen sollen.

Wie sicher kann die Warn-App gegen Fehlalarme sein?

Da die Bluetooth-Technik nicht für das Messen von Abständen entwickelt wurde, wird es sicherlich auch Fehlalarme geben. Es kann zum Beispiel sei, dass sich Infizierte hinter einer Glaswand befunden haben und einen Alarm auslösen, obwohl durch den Kontakt keine Infektionsgefahr ausging. Daher verweisen selbst die Entwickler darauf, dass die App nur einen begrenzten Beitrag zur Normalisierung liefern kann. Wer sich und andere vor einer Infektion schützen will, sollte auch mit der App Abstand wahren und eine Maske tragen.

Greifen Google und Apple bei der App sensible Daten ab?

Davon ist nicht auszugehen. Es gibt keinerlei Hinweise in diese Richtung, selbst wenn das theoretisch irgendwie möglich wäre. Dass die Programmschnittstellen (APIs) der beiden Konzerne im Gegensatz zur App selbst nicht quelloffen gemacht wurden, ist nach Einschätzung des Chaos Computer Clubs als "ein Schönheitsfehler für Transparenz und Überprüfbarkeit" zu bewerten.

Hat das technische Konzept systematische Schwachstellen?

Bei einem technischen Audit durch TÜV-IT wurden zwar zunächst etliche Lücken gefunden, die aber vor Veröffentlichung der App alle geschlossen werden konnten. Nach Einschätzung des Chaos Computer Clubs können Schwachstellen aber nie ganz ausgeschlossen werden.

Kann man zur Verwendung der App gezwungen werden?

Die Bundesregierung hat mehrfach betont, dass die Installation und Verwendung der App absolut freiwillig sind. Auch positive Anreize wie Steuererleichterungen oder andere Vergünstigungen hat die Koalition ausgeschlossen.

Die Grünen und Linken, Verbraucherschützer und Organisationen wie Amnesty International fordern aber, dass der Einsatz der App durch ein Gesetz geregelt wird. So dürfe es auch keine Verpflichtung geben, ein Smartphone mit laufender App mit sich zu führen und bei Restaurantbesuchen, beim Einkaufen oder Veranstaltungen vorzuzeigen.

Müssen tatsächlich 40 Millionen User die App installieren, bevor sie ihre volle Wirkung entfalten kann?

Diese Zahl geht auf eine britische Studie zurück, wonach der volle Effekt erst dann erreicht wird, wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung oder mehr beteiligen. Die Forscher aus Oxford sagen aber auch: "Selbst bei einem geringeren Anteil gehen wir davon aus, dass die Zahl der Infektionen und Todesfälle sinkt." Regierungssprecher Steffen Seibert verwies am Montag auf inzwischen veränderte Rahmenbedingungen: "Das war eine vollkommen andere Zeit mit einem viel, viel höheren Reproduktionsfaktor."

Die Berechnungen aus Oxford gingen auch von der Annahme aus, dass es gar keine anderen Mittel des Kampfes gegen die Pandemie gebe. Der Nutzen der App wird aber umso größer sein, je mehr Nutzer sie habe.

Wie teuer ist die App?

Für die Anwender ist die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts (RKI) kostenlos. Auch der Datenverkehr, den die App beim Abgleich der Infektionslisten auslöst, wird von den Providern nicht berechnet.

Die Entwicklerfirmen SAP und Deutsche Telekom erhalten 20 Millionen Euro für die Programmierung der App und das Management des Open-Source-Beteiligungsprozesses. Dazu kommen 2,5 Millionen bis 3,5 Millionen Euro im Monat für die laufenden Betriebskosten der Server und für zwei Hotlines. Insbesondere die hohen Kosten für die Callcenter sind umstritten. Kritiker meinen, es sei nicht notwendig, diese Kapazitäten rund um die Uhr vorzuhalten.

Wie kommt man an die Corona-Warn-App?

Die offizielle App kann im Google Play Store für Android-Smartphones und im App Store von Apple für iPhones heruntergeladen werden. Man muss den Begriff "Corona-Warn-App" in die Suche eingeben, nicht "Covid-19" oder andere Stichworte. Vor einer Installation sollte man überprüfen, ob die Systemvoraussetzungen erfüllt sind.

Wie sehen die Mindestanforderungen aus?

Beim iPhone muss das aktuelle Betriebssystem iOS 13.5 installiert sein. Das gibt es für Geräte ab dem iPhone 6s oder dem iPhone SE. Ein Teil der iPhones, die bislang mit iOS 12 oder älter laufen, könnte noch auf iOS 13 geupdatet werden, aber erst ab dem iPhone 6S, das im Herbst 2015 auf den Markt kam.

Bei Android-Handys ist die Lage etwas unübersichtlicher. Hier ist Android 6 und die Unterstützung von Bluetooth LE Mindestvoraussetzung. Zudem müssen auch die Google Play Services laufen, weil der Konzern die Schnittstellen nicht über Android selbst zu Verfügung stellt, sondern über diese Google-Dienste. Für die aktuellen Huawei-Modelle, die wegen des Handelskonflikts zwischen den USA und China die Google-Dienste nicht nutzen dürfen, will der chinesische Hersteller die notwendigen Schnittstellen nachbauen. Das wird aber noch etwas dauern.