Krise trifft auch beliebte Reise- und Ausflugsziele im Land. "Auswirkungen sind gewaltig."
Oberndorf - Das Coronavirus ist in der Region angekommen - und trifft damit auch den Tourismus. Die Ausgehlaune der Menschen geht gegen Null. Das betrifft längst nicht mehr nur die Risikogebiete in Italien, sondern auch beliebte Reise- und Ausflugsziele in Baden-Württemberg.
Wegen der Ausbreitung des neuen Coronavirus sollen in Baden-Württemberg ab sofort Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen verboten werden. Es werde eine bindende Verordnung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg gebracht, kündigte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart an.
Freudenstadt: Coronavirus stürzt Tourismus-Branche in die Krise
"Das Gastgewerbe zählt mit Sicherheit zu den am meisten betroffenen Branchen der Corona-Krise", sagt Daniel Ohl vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Baden-Württemberg. Tourismusminister Guido Wolf geht davon aus, dass bei drei von vier Betrieben im Hotel- und Gastgewerbe der Umsatz deutlich zurückgegangen ist. Im Durchschnitt lägen die Einbußen bereits jetzt bei einem Drittel, sagte der CDU-Politiker am Dienstag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Er schloss auch nicht aus, dass Betriebe der Tourismusbranche durch die Krise in Existenzgefahr geraten könnten.
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"Die Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie sind schon jetzt gewaltig", erklärt Wolfgang Weiler, Leiter der Stabstelle Kommunikation bei der Schwarzwald Tourismus GmbH in Freiburg. "Hotels müssen Stornierungen von bis zu 80 Prozent ihrer Buchungen für die Osterferien hinnehmen, die Vorausbuchungen für den Sommer sind eingebrochen und liegen weit unter dem üblichen Niveau." Besonders hart käme es für Kleinstvermieter mit nur wenigen Zimmern oder einer Ferienwohnung. "Hier sind Stornos kaum mehr zu kompensieren."
Bis zu 80 Prozent der Buchungen storniert
Ähnliches hatte der Dehoga Baden-Württemberg bereits vergangene Woche bestätigt. Demnach meldeten drei Viertel der Unternehmen im Land deutliche Umsatzrückgänge aufgrund der Corona-Krise. "Viele mittelständische Betriebe im Hotel- und Gaststättengewerbe sind durch diesen plötzlichen und heftigen Rückgang schon jetzt an der Grenze ihrer wirtschaftlichen Belastungsfähgigkeit", betonte der Dehoga-Landesvorsitzende Fritz Engelhardt.
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Dies gelte sowohl für Städte, als auch für den ländlichen Raum. "Wenn die Firma Arburg in Loßburg ihre Technologietage absagt, trifft das massiv auch Betriebe auf dem Land", so Daniel Ohl, Pressesprecher beim Dehoga.
Reiselust auf der Schwäbischen Alb hält an
"Aktuell hören wir seitens der Gastgeber vor allem von Beeinträchtigungen im Geschäftsreisetourismus aufgrund der Absagen von Veranstaltungen, Messen und Seminaren", bestätigt auch Julia Metzmann vom Schwäbische Alb Tourismus in Bad Urach. Erfreulich hingegen: "Privatreisende scheinen ihre Reisen bislang kaum zu stornieren. So wurden uns zum Teil auch sehr positive Buchungssituationen für die Osterferien geschildert."
Aber auch auf der Schwäbischen Alb gehen derzeit weniger neue Buchungen ein als üblich. "Wir vermuten, dass aktuell viele Menschen die Entwicklung der Situation beobachten und mit ihrer Urlaubsplanung abwarten möchten, bis die Lage für sie besser einschätzbar ist", so Metzmann.
Wintersportregionen besonders gebeutelt
Besonders hart trifft die Krise die Wintersportregionen: "Nach den teils heftigen Einbrüchen in Folge des Schneemangels können die Vermieter dort im Moment nicht darauf hoffen, die Einbußen durch ein florierendes Oster- oder Frühsommergeschäft wettzumachen", erklärt Wolfgang Weiler von Schwarzwald Tourismus und ergänzt: "Da ein Großteil dieser Umsätze in diesem Jahr bereits fehlt, sind weitere Rückgänge in Folge des Coronavirus sehr viel schwerer zu verkraften."
Auch wenn ein Ende der Krise noch lange nicht in Sicht ist: Die Aussichten sind jetzt schon düster. "Im Vergleich zu den Vorjahren müssen sich sowohl Hoteliers als auch Pensions- und Ferienwohnungsvermieter gegenwärtig auf einen Umsatzverlust von annähernd 50 Prozent bis zur Jahresmitte einstellen", vermutet Wolfgang Weiler von Schwarzwald Tourismus. "Ähnliches gilt voraussichtlich auch für Campingplatzbetreiber."
Schlimmer noch: "Rückgänge im Tourismus haben direkte Auswirkungen auf mehr als 100.000 Arbeitsplätze direkt im Tourismus und mehr als 300.000 Arbeitsplätze in Zulieferbetrieben", fährt Weiler fort und ergänzt: "Schwindende Einnahmen gefährden hier recht schnell auch Arbeitsplätze, insbesondere in den an sich eher prekären Berufen wie Servicepersonal, Zimmermädchen und Saisonkräften."
Dehoga fordert wirksame Nothilfen
Beim Dehoga ist die Ansage klar. "Die Betriebe benötigen jetzt schnelle und wirksame Nothilfe, um die sehr kurzfristig eingetretenen heftigen Umsatzeinbrüche zu überbrücken."
Notwendig seien zum einen schnell wirkende Liquiditätshilfen für betroffene Unternehmen sowie die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auf Speisen in der Gastronomieauf sieben Prozent. Außerdem müsse die Kurzarbeiterregelung verbessert werden. Dazu gehöre insbesondere die 100-prozentige Erstattung der Sozialabgaben.