Gehen die Niederlande in den Lockdown? Foto: dpa/Robin Van Lonkhuijsen

Die Coronazahlen steigen europaweit drastisch. Die Niederlande erwägen offenbar einen neuen Teil-Lockdown. Das sind die Hintergründe.

Amsterdam - Die massive Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland und Europa befeuert die Debatte über neue Maßnahmen. In Deutschland meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) am Freitag 48.640 Neuinfektionen und einen neuen Höchstwert bei der Sieben-Tage-Inzidenz mit 263,7. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will mit Gewerkschaften und Arbeitgebern über die geplante Einführung einer 3G-Pflicht am Arbeitsplatz sprechen. Die Spitzen von Bund und Länder wollen kommenden Donnerstag über weitere Schritte beraten. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP wollen, dass zuvor der Bundestag ein Maßnahmenpaket verabschiedet.

In den Niederlanden denkt die Regierung laut einem Medienbericht wegen ebenfalls stark steigender Infektionszahlen an einen neuen Teil-Lockdown. Das wäre ein erster solcher Schritt in Westeuropa seit dem Sommer. In Österreich ist ein Lockdwon für Ungeimpfte im Gespräch.

Das RKI sieht weiter eine starke Dynamik bei den Infektionszahlen. Die Gesundheitsämter meldeten über 11.500 Fälle mehr als am Freitag vor einer Woche. Am Donnerstag war erstmals die Tagesmarke von mehr als 50.000 neuen Ansteckungen überschritten worden und das RKI hatte zur Absage größerer Veranstaltungen geraten. Die Sieben-Tage-Inzidenz hatte vor einer Woche noch bei 169,9 gelegen. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich binnen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 191 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus.

Dramatische Entwicklung der Zahlen

Drastische Anstiege der Corona-Zahlen gibt es weiter vor allem im Südosten des Landes. In Sachsen schießt die Inzidenz auf 569 hoch, in Thüringen auf 491,3. Danach folgt Bayern mit 454,9. In allen drei Bundesländern ist die Impfquote unterdurchschnittlich. Vier Landkreise melden inzwischen eine Inzidenz von über 1000, 55 Kreise liegen über der Marke von 500. Nur noch Schleswig-Holstein verzeichnet mit 93,9 einen Wert unter 100. Die Zahl der Intensivpatienten war am Donnerstag auf 2816 gestiegen, die der noch verfügbaren Intensivbetten betrug 2493. Etliche Krankenhäuser haben bereits planbare Operationen anderer Patienten verschoben.

Das RKI nannte zuletzt eine Hospitalisierungsrate von 4,65. Der Wert gibt an, wie viele Corona-Patienten innerhalb einer Woche auf 100.000 Einwohner mit schweren Erkrankungen in Krankenhäuser eingeliefert werden müssen. In Thüringen und Sachsen liegt der Wert darüber und nähert sich den bundesweiten Höchstwerten von Ende Dezember 2020 mit damals fast 16.

In seinem am Donnerstagabend veröffentlichten Wochenbericht stuft das RKI die Gesundheitsgefahr für nicht oder nur einmal Geimpfte als „sehr hoch“ ein. Zudem rät das RKI „dringend dazu, größere Veranstaltungen möglichst abzusagen oder zu meiden“ sowie alle nicht notwendigen Kontakte zu reduzieren. Die Ampel-Koalitionen wollen mit einem reduzierten Maßnahmenkatalog künftig verhindern, dass Bundesländer noch Lockdowns, flächendeckende Schulschließungen oder Ausgangssperren verhängen können. SPD, Grüne und FDP argumentieren damit, dass solche harte Maßnahmen keinen Bestand mehr vor Gericht hätten. Dafür sollen die Länder etwa mehr 2G- und 3G-Maßnahmen verhängen. Arbeitsminister Heil sagte der „Rheinischen Post“, dass derzeit Details die Details mit Gewerkschaften und Wirtschaft geklärt würden. Künftig sollten nur noch Geimpfte, Genesene und Getestete zur Arbeit gehen, sagte der SPD-Politiker.

Niederlande vor einem Lockdown?

Die niederländische Regierung mit dem liberalen Ministerpräsident Mark Rutte an der Spitze will einem Medienbericht zufolge ab Samstag einen neuen Teil-Lockdown verhängen. So sollen für mindestens drei Wochen Bars, Restaurants und nicht lebensnotwendige Geschäfte ab 19.00 Uhr schließen, berichtete der Rundfunksender NOS unter Berufung auf Regierungskreise. Zudem sollen die Menschen so viel wie möglich von zu Hause aus arbeiten und bei Sportveranstaltungen keine Zuschauer zugelassen werden. Schulen, Theater und Kinos sollten aber geöffnet bleiben. Die Entscheidung soll am Freitag fallen. Die Behörden verzeichneten zuletzt einen Rekord bei den Neuinfektionen, obwohl 85 Prozent der Erwachsenen geimpft sind.

In Österreich hatte Kanzler Alexander Schallenberg am Donnerstag bekräftigt, wenn die Dynamik bei den Infektionen nicht abreiße, könne es schon in wenigen Tagen zu einem Lockdwon für Ungeimpfte kommen. Diskutiert werden muss laut Schallenberg auch über eine Impfpflicht für gewisse Berufsgruppen, zum Beispiel im Gesundheitsbereich.