Wissenschaftsministerin Theresia Bauer Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Statt Vorlesungen zu besuchen, Unipartys zu feiern, gemeinsam zu lernen und Leute kennenzulernen, saßen Studierende in Baden-Württemberg monatelang vor ihren Rechnern. Das soll nicht mehr passieren, versichert das Land.

Stuttgart - Trotz hoher Inzidenzen und strenger Corona-Regelungen rechnet Wissenschaftsministerin Theresia Bauer nicht mit Hochschulschließungen in größerem Umfang. „Ich sehe nicht, dass wir in einer Situation sind, in der pauschal ganze Hochschulen geschlossen werden müssten“, sagte die Grünen-Ministerin der Deutschen Presse-Agentur. „Der Anteil an Präsenz wird auf einem relevanten Niveau zu halten sein, damit man den Campus erleben kann“, versicherte sie.

Universitäten und Fachhochschulen würden aber nicht ausgeschlossen, gäbe es eine wirklich dramatische gesamtgesellschaftliche Entwicklung und einen mehrwöchigen Lockdown. Bauer betonte auch: „Ich halte nichts davon, die Hochschulen allein zuzuschließen und hier härtere Eingriffe vorzunehmen als in anderen gesellschaftlichen Bereichen.“

Unter den Studierenden seien nach den ihr vorliegenden Zahlen etwa 90 Prozent geimpft, deutlich mehr als der bundesweite Durchschnitt. „Wir haben eine sehr große Impfbereitschaft und deshalb kann man den Campus auch gestalten als einen Ort, an dem man sich bewegen kann“, sagte Bauer. Natürlich sei der Hochschulalltag durch die Pandemie belastet, es gebe aber auch spürbare Verbesserungen. „Das laufende vierte Semester ist anders als das dritte“, sagte Bauer. „Wir sind raus aus dem reinen Online-Modus und haben wieder in einem relevanten Umfang Präsenz, so dass die Studierenden nicht an ihrer Kachel zu Hause kleben müssen.“

Unzufrieden mit der Impfbereitschaft von Professoren

Die Vereinsamung, der Mangel an Netzwerken und direktem Austausch - das alles seien aber auch Auswirkungen der Pandemie, die zahlreiche Studentinnen und Studenten überaus belasteten. „Das war im ersten Semester anders als im zweiten“, sagte Bauer. „Und im dritten wurde es dramatisch. Das dritte Online-Semester in Folge war in der Tat eine Zumutung für die Studierenden, die wir ihnen wegen des nicht vorhandenen Impfstoffs nicht ersparen konnten.“ Die Ministerin kündigte an, die psychologische Hilfe für die Studierenden auszubauen. „Wir wollen deshalb jedem Studierendenwerk Mittel für eine weitere Stelle für die psychologische Beratung zur Verfügung stellen.“

Nach drei Semestern vor allem vor den Computerbildschirmen hat mit dem Wintersemester Mitte Oktober an den meisten Universitäten der Studienbetrieb nach mehr oder weniger normalen Regeln begonnen. Mit der neuen „Alarmstufe II“ Ende November ist an den baden-württembergischen Hochschulen die 2G-Regel eingeführt worden. Das bedeutet, dass nur noch geimpfte oder genesene Studierende Zutritt zu den Präsenzveranstaltungen haben. Ausnahmen gelten für Praxisveranstaltungen, wie Laborpraktika, Prüfungen und das Besuchen von Bibliotheken. Die Hochschulen sind dazu verpflichtet, die Nachweise zu kontrollieren.

Im Gegensatz zur Impfquote bei den Studenten ist Wissenschaftsministerin Bauer allerdings unzufrieden mit der Impfbereitschaft von Professoren und Hochschulmitarbeitern. „Wir können ja erst seit kurzem erste Rückmeldungen dazu einsammeln. Und die ersten Rückmeldungen, die wir zu den Impfquoten bei den Beschäftigten erhalten, gefallen mir nicht“, sagte sie. Die Quoten lägen allenfalls im Bevölkerungsdurchschnitt und deutlich unter der Impfquote der Studierenden.

Viele Informationen dürfen nicht erhoben werden

Die Gruppe der Mitarbeiter umfasse neben den Professoren auch das Verwaltungspersonal, Handwerker und Stallpfleger oder Reinigungskräfte, sagte Bauer. „Wir haben die gesamte Palette an Qualifikationen und an Zusammensetzung der Bevölkerung auch an den Hochschulen“, sagte die Ministerin. „Ich würde mir dennoch wünschen, dass die Hochschulen auch insgesamt Vorbilder in Sachen Impfen sind.“

Es sei schwierig, gezielt auf ungeimpfte Menschen an den Hochschulen zuzugehen. „Wir wissen empirisch und datengesichert zu wenig“, kritisierte Bauer die datenschutzrechtlichen Vorgaben. „Wir sind beim Versuch einer sozialökonomischen Erklärung in dieser Frage ein Stück weit im Blindflug unterwegs.“ Wegen des Datenschutzes dürften viele Informationen nicht erhoben und verarbeitet werden. „Ich empfinde das geradezu als eine Zumutung“, sagte Bauer. Sollten die Impfkampagnen gezielter ausgerichtet werden, müsse man auch wissen, „an wen wir näher ran müssen, auf welche Zielgruppen und Milieus es jetzt besonders ankommt.“