Passanten gehen vor leeren Tischen und Stühlen eines Straßencafés entlang. Die Cafés auf dem Schlossplatz sind gegen 12 Uhr normalerweise gut besucht. Foto: dpa

Vitales, betriebsames und oft hektisches Land kommt zwangsweise zur Ruhe. Maßnehmen gegen Pandemie zu spüren.

Stuttgart/Karlsruhe/Bretten - Leiser, wie heruntergedimmt läuft das Leben in Baden-Württemberg unter den Zwängen der Corona-Pandemie. Wo in den Innenstädten sonst zur Mittagszeit in den Lokalen alle Tische besetzt sind und an den Imbissständen angestanden wird, ist der Betrieb am Dienstag bescheiden. Wo die Sonne durch dünne Schleierwolken dringt und fast schon frühlingshaft wärmt, sitzen nur hier und da Gäste im Freien und genießen trotz allem die Mittagspause. Wo sich sonst lärmend Schüler auf den Nachhauseweg machen, herrscht ungewohnte Stille.

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Nur vereinzelt haben Geschäfte mit Hinweis auf die Viren-Gefahr bereits geschlossen. Der Umsatz der anderen dürfte mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften und Drogeriemärkten bescheiden sein. Im Eingang einer Bankfiliale in Karlsruhe fordert ein Schild die Kunden auf, nur nach Aufforderung einzeln an die Beratungsplätze zu kommen.

Was sonst einfache Routine ist, bekommt fast unheimliche Züge. Eine Arztpraxis in Stuttgart: Zum Abholen eines Rezepts sollen Patienten nicht in die Praxis kommen, sondern einmal ums Haus herum gehen und an ein Fenster klopfen. Eine Mitarbeiterin mit Handschuhen und Mundschutz reicht das Rezept hinaus. In der nahen Apotheke trennen jetzt Glasscheiben das Verkaufspersonal von den Kunden.

Bald auch viele Geschäfte und Spielplätze dicht

In der Stuttgarter Innenstadt sind die Geschäfte am Vormittag fast alle geöffnet. Etwa 50 Prozent weniger Umsatz verzeichnet Daniel Brunner, Inhaber des nachhaltigen Kaufhauses Mitte. Die Situation sei kritisch: "Seit gestern ist nichts mehr los." Mit zehn anderen Händlern habe es ein Krisengespräch gegeben. "Jetzt gilt es, Reserven abzugraben und die Mitarbeiter durchzubringen", sagt Brunner.

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Auf dem Wochenmarkt ist die Lage uneinheitlich. "Früher war es belebter", sagt ein Händler. Der Umsatz habe aber bislang nicht schwerwiegend gelitten. Gleich daneben steht Jochen Mayer mit seinem Stand voller Äpfel, Beeren und Honig. Weniger Kunden zähle er aktuell nicht. Viele zeigten sich besorgt, ob der Markt bestehen bleibt. Diese Frage kann der Obsthändler nicht beantworten. Mayer legt Wert auf die Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen: "Wir schauen, dass die Leute mit ihren Händen nicht unnötig im Obst herumgraben."

Leute wollen Gold verkaufen

Vor einem Goldgeschäft bildet sich am Vormittag eine Schlange. Etwa 15 bis 20 Leute warten. Ein Kunde und seine Mutter aus dem Stuttgarter Umland erzählen, dass sie 100 Gramm Gold verkaufen wollen. Die Panik und der aktuell hohe Preis hätten sie dazu bewogen.

In der rund 22.000-Einwohnerstadt Bretten im Kreis Karlsruhe sind trotz Sonnenscheins und milder Temperaturen die Sitzplätze auf dem sonst proppenvollen Marktplatz der Altstadt überwiegend unbesetzt, auch innen ist kaum etwas los. "Es ist wie eine Geisterstadt", sagt die Angestellte der Eisdiele Capri in der Fußgängerzone. "Unheimlich." Sie habe Anweisung, nur noch Eis zum Mitnehmen auszugeben - "aber es kommt eh' keiner". Kleidungs- und Schuhgeschäfte sind geöffnet, Kunden nicht zu sehen. Die Spielplätze der Stadt bleiben am Vormittag verwaist.

Viele holen sich jetzt essen, anstatt ins Restaurant zu gehen

"Ich habe keine Angst, aber ich mache mir Sorgen", sagt Marcelo Chiera, der unweit der Altstadt ein kleines Lokal betreibt. Seine Barhocker stehen vorschriftsmäßig 1,5 Meter auseinander, am Eingang der Pizzeria, die auch Tapas anbietet, ist eine Flasche mit Desinfektionsmitteln bereitgestellt, auf dem Tresen steht eine weitere. Mehr Menschen als sonst bestellten sich Pizza zum Abholen, anstatt sich zu setzen, erzählt er. Wer Platz nimmt, muss auf Anweisung der Stadt Namen und Adresse nennen - damit im Zweifelsfall Infektionen zurückverfolgt werden können.

Auf der Großbaustelle des Karlsruher Verkehrsprojekts Kombilösung ist von der Coronakrise bisher nichts zu merken. "Wir haben Stand jetzt keinerlei Beeinträchtigungen, alle Handwerker und Arbeiter sind da und die Arbeiten laufen nach Plan", sagt ein Sprecher der Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft (Kasig). Täglich seien auf den beiden Großbaustellen, dem Stadtbahntunnel unter der Fußgängerzone und einem Straßentunnel am Rand der Innenstadt, durchschnittlich rund 500 Arbeiter, Handwerker und Ingenieure am Werk. Eine Infektion mit dem Virus unter den Bautrupps sei bisher nicht bekannt.