Seit dieser Woche sind auch Betriebsärzte in die Corona-Impfaktion eingebunden. Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Nun fällt auch im Südwesten die Priorisierung bei den Coronaimpfungen komplett weg. Einen Impftermin für jeden gibt es damit aber noch lange nicht.

Stuttgart - In Baden-Württemberg ist seit diesem Montag die Priorisierung bei den Coronaimpfungen aufgehoben. Sowohl in den Impfzentren als auch bei Betriebsärzten und bei niedergelassenen Ärzten (sie impfen bereits seit 17. Mai außerhalb der gesetzlichen Priorisierung) können sich nun grundsätzlich alle ohne Vorbedingung impfen lassen – sofern sie einen Termin erhalten. Denn nach wie vor mangelt es an Impfstoff.

 

Wie viel Impfstoff gibt es gegenwärtig?

Derzeit erhalten die Impfzentren im Land wöchentlich zwischen 300 000 und 350 000 Dosen, die meisten von der Firma BioNTech. Die niedergelassenen Ärzte können mit etwa derselben Menge rechnen. Seit dieser Woche kommen auch die Betriebsärzte hinzu, die jedoch eine deutlich geringere Menge geliefert bekommen. Insgesamt stehen jedenfalls deutlich weniger Vakzine zur Verfügung, als Ärzte und Impfzentren benötigen würden.

Wie ist die Prognose?

Die bundesweiten Lieferprognosen steigen für die nächsten Wochen an. So soll die Firma BioNTech Ende Juni wöchentlich fast sechs Millionen Dosen für Deutschland bereit stellen, in der laufenden Woche sind nur 4,5 Millionen eingeplant. Bis Ende 2021 soll BioNTech dann 119 Millionen Dosen geliefert haben, Moderna mindestens 78 Millionen, AstraZeneca 56 Millionen und Johnson & Johnson knapp 37 Millionen. Die Zahlen seien allerdings mit großer Unsicherheit behaftet, heißt es im Ministerium. Klar ist: Von einem Überangebot, wie es von Seiten der Politik ursprünglich für Juni erwartet worden war, ist man derzeit noch weit entfernt.

Was heißt das für die Impfzentren?

Die Infrastruktur ist für erheblich größere Mengen ausgelegt. Mangels Vakzinen sind die Impfzentren des Landes deshalb nach Auskunft des baden-württembergischen Sozialministeriums nur zu rund 60 bis 70 Prozent Prozent ausgelastet. Da das Land Wert darauf legt, bei der Impfstoffverteilung die Zweitimpfungen abzusichern, sind die Termine für die Erstimpfungen entsprechend rar. Bisher sind rund 44 Prozent aller Baden-Württemberger mindestens einmal geimpft. Bei den über 60-Jährigen haben bereits 77 Prozent die Erstimpfung erhalten.

Wie ist die Lage bei Kindern?

Nachdem die Europäische Arzneimittel-Agentur den Impfstoff von BioNTech auch für Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen hat, können auch sie grundsätzlich in den Impfzentren und Arztpraxen damit geimpft werden. Doch in der Praxis sieht das anders aus. Denn die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (Stiko) hat angedeutet, dass sie die Impfung für diese Altersgruppe vor allem für Jugendliche mit Vorerkrankungen empfehlen wird, nicht generell für alle Jugendlichen. Die konkrete Empfehlung wird in den nächsten Wochen erwartet. Vor diesem Hintergrund hat die Kassenärztliche Vereinigung ihren Mitgliedern empfohlen, bis zur Empfehlung der Stiko keine Impftermine für Kinder zu vergeben. Dies liegt aber im Ermessen der Ärzte.

Auch die Landesregierung gibt den Impfzentren vor, das Impfangebot nur Kindern und Jugendlichen zu machen, die besonders gefährdet sind. Dazu gehören solche, die Vorerkrankungen oder ein erhöhtes Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung haben. Auch solche mit besonders schutzbedürftigen Familienmitglieder oder anderen Kontaktpersonen im nahen Umfeld, die etwa nicht selbst gegen das Coronavirus geimpft werden können, kommen in Frage. Termine können zunächst nur über die Hotline 116 117 gebucht werden, nicht über das Online-Portal.

Soll man Kinder impfen lassen?

Die Ständige Impfkommission hat dazu noch keine Empfehlung abgegeben. Stiko-Vorsitzender Thomas Mertens sagte kürzlich im Norddeutschen Rundfunk, es fehlten noch Daten, um belastbare Aussagen dazu zu treffen: Den Kindern bietet man ja kein Lakritzbonbon an, sondern es ist ein medizinischer Eingriff, und der muss entsprechend indiziert sein.“

Wann kann jeder geimpft werden?

Das Sozialministerium weist gebetsmühlenartig darauf hin, dass das Angebot abhängig ist von der Impfstofflieferung des Bundes. „Unser Ziel ist es, im Verlauf des Sommers jedem Erwachsenen, der oder die das möchte, und denjenigen Jugendlichen ab zwölf Jahren, die selbst und deren Eltern das möchten, ein Impfangebot machen zu können.“ Das Ende der Priorisierung eröffne nun auch den jüngeren, gesunden Menschen die Perspektive auf eine Impfung und damit eine Rückkehr zur baldigen Normalität.