Persönliche Kontakte und Begegnungen sind derzeit schwierig. (Symbolfoto) Foto: (dpa)

Menschen schauen sich mehr in die Augen. Singen und Kinder fehlen.

Distanz statt Nähe, minimale Kontakte und manchmal auch Vereinsamung statt Geselligkeit: Seelsorge in Krisenzeiten bedeutet ein gewaltiges Umdenken, bringt aber auch manche berührende Erfahrungen: "Die Menschen schauen sich wieder mehr in die Augen."

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Villingen-Schwenningen - Die beiden Dekane, Josef Fischer von der katholischen Münstergemeinde, und Wolfgang Rüter-Ebel vom evangelischen Kirchenbezirk Villingen sehen die Krisenzeiten ungeschminkt als das, was sie für viele Menschen sind: "Defizitär". Schwierig ist für die beiden Seelsorger aus VS, dass gerade die so wichtigen privaten Kontakte fast gänzlich weggebrochen sind. "Kirche, das bedeutet ja vor allem, Gemeinschaft zu pflegen." Die andauernde Krisensituation treffe den Kern der kirchlichen Arbeit. Telefonate und Videokonferenzen müssen persönliche Kontakte und Begegnungen ersetzen. Ausnahmen gibt es nur wenige, so zum Beispiel Trauergespräche oder vereinzelt auch Krankenbesuche.

Wie empfinden die Menschen die Kontakt-Minimierungen? "Ganz unterschiedlich", so Rüter-Ebels Bilanz: Für die einen sind die Einschränkungen schwer, andere gehen recht locker damit um und "machen das Beste daraus". Die Dekane und ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter vermissen all das, was bisher ihre Aufgabe war. "Die freundschaftlichen Beziehungen, Familienarbeit oder Gruppenarbeit, das liegt alles brach."

Singen und Kinder fehlen

An einem Sonntag in den Gotteshäusern der Stadt: Abstandsregelungen, Anmeldungen und Maskenpflicht auch dort, wo es sonst um Gemeinsamkeit und Nähe geht. Die Seelsorger aus VS haben sich mittlerweile an diese Einschränkungen gewöhnt. Doch, "dass das Singen verboten ist, das tut weh, gerade in der Adventszeit", spricht Dekan Josef Fischer auch vielen Gläubigen aus dem Herzen. Auffallend für die beiden Dekane ist, dass so wenige Familien die Kirchen zu Krisenzeiten besuchen. "Das wirkt sich schon auf die Atmosphäre aus." Was den Pfarrern ebenso fehlt, sind die Gespräche nach dem Kirchgang, ein "Hallo", vielleicht auch ein gemeinsamer Kaffee. Das Corona-Szenario sieht anders aus: "Raus aus der Kirche und ab nach Hause", beschreibt Rüter-Ebel das immer noch so ungewohnte wie schon fast bizarre sonntägliche Bild nach den Gottesdiensten.

Berührende Gesten

Doch es gibt auch Berührendes und anrührende Szenen in dieser Krisenzeit. "Das Hören spielt eine größere Rolle", bemerkt Fischer, auch die alten Bibeltexte, ergänzt Rüter-Ebel "sprechen auf eine andere Weise an". Veränderungen erfahren teilweise auch Rituale in der evangelischen Kirche. Anstelle des Pfarrers übernehmen nun die Eltern den Part, bei der Kindstaufe den Kopf ihres Kleinen mit Wasser zu benetzen: "Das ist etwas Hochintensives für die Eltern", so Rüter-Ebel. "Und der Pfarrer steht zwei Meter daneben." In der katholischen Kirche sei es schwieriger, solche Handlungen zu übertragen. Doch auch hier beobachtet Fischer berührende Momente, so wie beim Friedensgruß. "Statt sich an den Händen zunehmen, schauen sich die Menschen umso bewusster in die Augen und neigen den Kopf zueinander". Man lese doch so viel in den Augen, auch mit Maske, sind sich die beiden Dekane sicher. "So etwas berührt. Es entstehen eben andere kleine Gesten der Verbundenheit", beobachtet Rüter-Ebel, gepaart mit der Erkenntnis, dass "nicht alles selbstverständlich ist, was zuvor völlig normal war". Für viele, so Fischer und Rüter-Ebel mit Blick auf die kommende Weihnachtszeit, werde es in den kommenden Tagen sehr schwierig. Um so mehr zähle nun die Aufmerksamkeit gegenüber den anderen. "Jeder kann ein Seelsorger für den anderen sein", zeigen die beiden auf, nicht nur die "Spezialisten", sei es durch kleine Gesten, einen Anruf, einen kurzen Besuch. "Vor allem, wenn man weiß, dass Menschen alleine sind."

Brücke zu Patienten

Die Seelsorge-Einrichtungen sind in Krisenzeiten für viele Menschen eine wichtige Anlaufstelle. Fischer und Rüter-Ebel berichten davon, dass die Krankenhaus-Seelsorge verstärkt "in Kontakt mit uns ist". Denn Besuche sind auch im Schwarzwald-Baar-Klinikum nur noch in Ausnahmefällen erlaubt, und so wirkt diese Klinik-Seelsorge wie eine Brücke zwischen Patienten und Angehörigen. "Manchmal hilft es auch, einfach nur den Telefonhörer zu halten und so ein Gespräch mit den Angehörigen zu ermöglichen."

Einfach nur reden

Und auch eine andere Seelsorge ist derzeit stark nachgefragt, die Telefonseelsorge Schwarzwald-Bodensee Konstanz. Auch hier verzeichnet deren Leiterin Bernadette Augustyniak eine Zunahme. Ängste und Sorgen plagen die Anrufer, aber auch die belastende Erfahrung, in Zeiten von Kontaktbeschränkungen allein und einsam zu sein. "Es fehlt der Kontakt, der persönliche Austausch, es fehlt so vieles". Die Diplom-Pädagogin und Theologin ist mit Ratschlägen sehr zurückhaltend. Wichtig, so erlebt sie die Gespräche, ist es, "dass die Menschen ihr Herz ausschütten können". In den Krisenzeiten erlebt auch sie berührende Momente, "wenn Menschen sich verstanden fühlen" und sie mit einem guten Gefühl das Gespräch beenden kann. Die Notfallseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar unter 0800/1 11 01 11.