Ein Bild aus besseren Tagen: Im Jahr 2019 war das Interesse der Unternehmen an jungen Fachkräften noch groß. Foto: picture alliance/dpa/Robert Günther

Im Februar ist das Brückenprogramm des Landes Baden-Württemberg angelaufen. Es stößt auf großes Interesse bei den Absolventen der Ingenieurwissenschaften. Warum viele dennoch nicht zum Zuge kommen.

Stuttgart - Mit dem Programm haben wir einen Nerv bei den Absolventen getroffen“, sagt Stefan Küpper. Mehr als 750 Bewerbungen sind innerhalb weniger Wochen bei der Apontis GmbH eingegangen. Mehr als 250 Verträge waren Mitte März bereits unterschrieben, rechnet der Geschäftsführer des Bildungswerks der Baden-Württembergischen Wirtschaft (Biwe) vor. Apontis, eine Tochtergesellschaft des Bildungswerks, ist für das „Brückenprogramm Ingenieurwissenschaften“, zuständig, das die Landesregierung zum 1. Februar auf den Weg gebracht hat. Und die Zahl steigt weiter. Bei der Bundesagentur für Arbeit haben sich mehr als 300 Interessierte registrieren lassen. Besonders groß ist das Interesse junger Absolventen der Unis Stuttgart und Karlsruhe.

Lesen Sie mehr dazu: Folgerichtige Hilfen

Mit dem „Brückenprogramm Ingenieurwissenschaften“ will das Land Baden-Württemberg die Chancen der jungen Experten, die ihr Studium vergangenes Jahr abgeschlossen haben, auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. „Es unterstützt dabei, dass Unternehmen und frischausgebildete Fachkräfte zusammenfinden“, sagt Christian Rauch, Leiter der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit.

Engpass war einmal

Vor der Coronapandemie wurden Ingenieure händeringend gesucht. Es war ein Engpassberuf; Experten sahen bereits die Innovationsfähigkeit des Landes bedroht. Besonders im Südwesten war die Not groß. Doch die Lage hat sich verändert. „Die Einstellungsbereitschaft der Betriebe ist rückläufig, die Arbeitgeber zeigen sich zurückhaltender“, kommentiert Rauch die Lage. Praktika, vor Corona ein beliebter Weg um Firmen und junge Menschen zusammenzubringen, gibt es derzeit nicht. Die Zahlen belegen dies.

Im vierten Quartal 2020 lagen die bundesweiten Stellenangebote für Ingenieure gut 21 Prozent unter dem entsprechenden Vorjahreswert. Besonders zurückhaltend waren die Firmen in Baden-Württemberg; hier lag das Minus sogar bei mehr als 36 Prozent, geht aus dem jüngsten Ingenieurmonitor hervor, den der Verein Deutsche Ingenieure gemeinsam mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) regelmäßig veröffentlicht. Die Folge ist, dass die Arbeitslosigkeit unter Ingenieuren sprunghaft angestiegen ist – deutschlandweit waren es 40 Prozent, im Südwesten sogar mehr als 55 Prozent. Betroffen von der Arbeitslosigkeit sind vor allem Maschinenbauer, aber auch Informatiker. Probleme am Arbeitsmarkt haben insbesondere die Absolventen, weil die Unternehmen derzeit vor allem ihre Stammbelegschaften sichern.

Weiterqualifizierung inbegriffen

Das Brückenprogramm des Landes funktioniert dabei folgendermaßen: Die Absolventen werden bei Apontis, einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, auf ein Jahr befristet angestellt und projektbezogen an Unternehmen vermittelt. Der Vorteil für die Firmen ist, dass sie die jungen Talente kennenlernen können – und erst anschließend, wenn das Miteinander gut funktioniert, fest einstellen müssen. „Wir setzen bewusst auf den Klebeeffekt“, sagte Stefan Küpper bei der Vorstellung des Programms. Wer nicht in einem Projekt steckt, wird von Apontis weiter qualifiziert – etwa in technischer Hinsicht wie den Datenwissenwissenschaften (Data Science) oder dem Projektmanagement, aber auch bei der Persönlichkeitsentwicklung und im Kommunikationsstil. Neun Millionen Euro hat das Land dafür zur Verfügung gestellt. Insgesamt 500 Arbeitsverhältnisse für ein Jahr können mit dem Geld finanziert werden.

Bewerbungen willkommen

Auch wenn die Bewerbungen die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze deutlich übersteigen, es können sich noch weitere Jungingenieure bewerben. Der Grund: Viele der bisherigen Interessenten werden bei Apontis nicht zum Zuge kommen, weil sie die formalen Voraussetzungen nicht erfüllten, erläutert Küpper. Wichtig ist dabei zum einen das Datum des Studienabschlusses: Am Programm teilnehmen können nur Absolventen, die nach dem 1. März 2020 fertig wurden. Wichtig ist zum anderen die Herkunft der Interessierten: Denn für junge Absolventen aus Drittstaaten besteht ein Beschäftigungsverbot in Zeitarbeit, so Küpper. Weil eines dieser Kriterien nicht erfüllt war, haben mehr als 400 Absolventen keinen Vertrag erhalten. Übrigens: Die überwiegende Zahl der jobsuchenden Jungingenieure sind Maschinenbauer. 60 Prozent der Bewerber verfügen über einen Masterabschluss.

Das Interesse der Unternehmen hält sich bisher in Grenzen. Gerade mal 35 Firmen sind ernsthaft interessiert, sich an dem Brückenprogramm zu beteiligen, sagt Stefan Küpper jetzt. Als das Programm vorgestellt wurde, war noch von 150 Unternehmen die Rede, die Interesse an einer Teilnahme signalisierten. Interesse haben nicht nur Konzerne, sondern auch kleine Unternehmen mit gerade mal 50 Beschäftigten. Sie kommen aus dem Maschinenbau, der Autoindustrie sowie der Elektro- und Automatisierungstechnik.