Den Corona-Spaziergängern schlossen sich immer wieder spontan Bürger an. Oberbürgermeister Ralf Broß appelliert daran, sich darüber Gedanken zu machen, an was für einer Versammlung man da teilnimmt. Foto: Zelenjuk

Protestmärsche gegen die Corona-Maßnahmen "unter dem Deckmantel eines harmlosen Abendspaziergangs", wie OB Ralf Broß sagte, fanden am Montag- und Mittwoch in Rottweil statt. Weitere sollen schon geplant sein. Die Stadtverwaltung verurteilte diese und kündigte Konsequenzen an.

Rottweil - Es begann mit ein paar Menschen, am Ende zogen mehr als 200 ohne Maske und ohne Abstand, dafür aber mit Laternen sowie roten und weißen Kerzen, die als Symbole für "geimpft" und "ungeimpft" stehen sollen, durch Rottweils Innenstadt. Zuvor war offenbar über Chatgruppen dazu aufgerufen worden. Bei der Behörde angemeldet waren die Aktionen nicht.

Was wie ein harmloser Abendspaziergang wirke, sei alles andere als das, sagte Broß. Man verfolge die Entwicklung solcher Protestzüge mit großer Sorge und missbillige sie. Die Versammlungsfreiheit sei ein hohes Gut, jedoch müssten die Regeln eingehalten werden.

Gemeint war damit zunächst einmal, dass eine Versammlung laut Gesetz bei der Ordnungsbehörde angemeldet werden muss, ansonsten droht dem Organisator eine Anzeige.

Anmeldung nötig

"Wohlgemerkt angemeldet und nicht genehmigt", stellte Sven Saile, derzeit stellvertretender Leiter des Polizeireviers Rottweil, im Pressegespräch am Donnerstag klar. Das bedeutet, dass Bescheid gegeben, aber nicht um Erlaubnis gefragt werden muss.

Dabei gehe es auch um den Schutz der Versammlung selbst, etwa vor Gegenversammlungen oder dem Verkehr. Das sei also keine Gängelung, sondern schlichtweg notwendig, so Saile.

Nicht tolerieren werde man Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz, stellte OB Broß klar. Angesichts dessen, dass sich bei den stillen Protestmärschen auch spontan Bürger angeschlossen hatten, sagte er: "Alle, die an so etwas teilnehmen, sollten sich überlegen, ob sie sich mit den Initiatoren wirklich gemein machen und sich instrumentalisieren lassen wollen."

Spielregeln konkretisieren

Aktuell prüfe man bei der Stadtverwaltung eine Überarbeitung der Allgemeinverfügung, die Zusammenkünfte dieser Art regle. Als Auflage könnte dann etwa die maximale Teilnehmerzahl begrenzt werden. "Wir werden die Spielregeln für diese ›Spaziergänge‹ konkretisieren und dabei auch auf die Erfahrung anderer Städte zurückgreifen", erklärte Broß. "Und wir werden dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden.". Wenn es dann vor Ort zu Verstößen komme, müsse man von Fall zu Fall abwägen, hieß es. Generell gehe es um Deeskalation. Fingerspitzengefühl sei sehr wichtig, meinte der städtische Ordnungsamtsleiter Bernd Pfaff.

Der Polizeiführer entscheide vor Ort von Fall zu Fall, ob und wie die Polizei eingreife. Zunächst versuche man, den Marsch in andere Bahnen zu lenken, erklärte Polizeisprecher Uwe Vincon, der per Videotelefonie zugeschaltet wurde. Bei Gewaltausschreitungen oder Maskenverweigerern könnten jedoch auch weitere Schritte eingeleitet werden. Generell verfüge die Polizei über ein flexibles Kräftekonzept, so dass bei Bedarf zusätzliche Einsatzkräfte zu den Märschen geschickt werden können, wenn es erforderlich ist.

Ton wird rauer

Wichtig war Sven Saile, zu betonen, dass man die Versammlungen nicht verbiete und die Polizei auch nicht politisch motiviert handle. "Das muss man ganz klar trennen. Es geht für uns als Polizei nicht um die Meinung, die da vertreten wird, sondern um das Einhalten der Regeln." Bei den vergangenen Märschen hatten einzelne Teilnehmer offenbar immer wieder versucht, die Polizei in Gespräche zu verwickeln und "auf ihre Seite zu ziehen".

Generell müsse man sagen, dass sich der Großteil der Bürger an die Coronaregeln halte und sehr verständnisvoll sei, meinte Rottweils Oberbürgermeister noch. Bei denen, die nicht einverstanden seien, nehme man jedoch zunehmend einen raueren Ton wahr.

Unschöne Szenen

Das zeige sich auch bei der Kontrolle von 3G-Nachweisen im Rathaus. Dort werde das Personal immer wieder mit uneinsichtigen Bürgern konfrontiert. Es sei auch schon zu unschönen Szenen mit Beleidigungen und Beschimpfungen gekommen. Den Einsatz eines privaten Sicherheitsdienstes habe man schon besprochen, sehe dafür aber aktuell noch keinen Anlass, sagte Broß auf Nachfrage.

Was die Protestmärsche angeht, so könnte eine Änderung der Allgemeinverfügung eventuell noch diese Woche verabschiedet werden. Unabhängig davon müsste der nächste Corona-Spaziergang, der schon am nächsten Montagabend stattfinden soll, in jedem Fall angemeldet werden.