Hund und Polizei beobachten die "Spaziergänger" am Versammlungsort in Rottweil. Die Teilnehmerzahl am Montag wird auf "bis zu 950" geschätzt. Foto: Otto

Die Corona-Spaziergänge in Rottweil haben immer mehr Zustrom. Während die Teilnehmer maskenlos dicht an dicht durch die Straßen ziehen, wächst der Unmut derer, die nicht verstehen, warum man die Spaziergänger gewähren lässt, während überall sonst Verstöße gegen die Corona-Vorschriften streng geahndet werden. Wie soll es weitergehen? Wir haben bei Stadt und Polizei nachgefragt.

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Rottweil - "Bis zu 950 Teilnehmer" waren laut Schätzung der Polizei am Montag in Rottweil dabei. Wie immer eng an eng und vorwiegend maskenfrei. Die Stadt Rottweil hatte zwar Mitte Dezember angekündigt, konsequent gegen Corona-Verstöße agieren zu wollen – es blieb aber bei der Ankündigung. Es gelte, Augenmaß zu wahren und verhältnismäßig zu reagieren, hieß es zunächst. Wir fragen erneut nach: Wie wird die Entwicklung der Spaziergänge in Rottweil angesichts der zunehmenden Größe aktuell bewertet? Und: Es gibt inzwischen Städte, wie beispielsweise Freiburg, die diese Spaziergänge verboten haben. Warum macht Rottweil das nicht?

Stadt sieht Entwicklung mit Sorge

Auf die Anfrage an Oberbürgermeister Ralf Broß und Ordnungsamtsleiter Bernd Pfaff teilt die Stadt mit: "Wir betrachten die Entwicklung angesichts der steigenden Teilnehmerzahl zunehmend mit Sorge. Bei den Spaziergängen handelt es sich nach Auskunft des Innenministeriums Baden-Württemberg eindeutig um Versammlungen. Diese müssten laut Versammlungsrecht durch einen Versammlungsleiter angemeldet werden, was nicht der Fall ist. Bislang haben wir jedoch auf Deeskalation gesetzt und von einem Verbot oder einer Auflösung abgesehen." Eine weitere Begründung dafür gibt es nicht.

Und außer "einzelnen Platzverweisen und Ordnungswidrigkeitsverfahren" gab es bislang auch keine Konsequenzen.

In engem Austausch mit der Polizei

Wie wird nun weiter verfahren? Was ist die Strategie? "Die Stadt ist im engen Austausch mit der Polizei und stimmt das weitere Vorgehen ab", heißt es dazu. Man werde sich zur gegebenen Zeit dazu näher äußern. Und: "Die Stadt Rottweil behält es sich weiter vor, die Veranstaltung zu untersagen, etwa durch eine Allgemeinverfügung oder am Versammlungstag für aufgelöst zu erklären."

In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Ralf Broß fragt ein erzürnter Bürger angesichts der Untätigkeit von Stadt und Polizei: "Gilt ab sofort nur noch das Recht der Mehrheit? Darf ich ab sofort Straftaten begehen, solange es nur genügend machen?"

Verbot war bislang noch nicht angesagt

Darauf angesprochen sagt die Stadtverwaltung: "Nein, dies darf man selbstverständlich nicht. Die Stadt Rottweil missbilligt die sogenannten Spaziergänge, sie stellen eindeutig einen Verstoß gegen das Versammlungsrecht dar. Ob eine Versammlung aufgelöst wird, ist aber auch immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel. In der Abwägung sind wir bislang zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Auflösung der Versammlung mit den in anderen Städten zu beobachtenden Begleiterscheinungen in Rottweil noch nicht geboten gewesen ist."

Dieser Meinung ist auch die Polizei. Auch der jüngste Protest in Rottweil sei absolut ruhig verlaufen. Es habe keinerlei Vorkommnisse gegeben, so Pressesprecher Jörg-Dieter Kluge auf Nachfrage unserer Redaktion. Die Versammlung sei aber wie immer nicht angemeldet gewesen. An der Strategie der Polizei ändere sich deshalb vorerst nichts. Man handle "lageorientiert". Man schaue auch auf mögliche Rädelsführer und versuche diese gegebenenfalls herauszupicken. Es sei aber unverhältnismäßig, Verstöße rigoros zu verfolgen. "Da kann die Stimmung leicht kippen", so Kluge, was bei dieser Anzahl von Menschen vermieden werden müsse.

Stimmung kann leicht kippen

Er berichtet von einem Vorfall beim Spaziergang in Villingen, bei dem die Polizei von einem laut singenden und nicht Maske-tragenden Mann in der Menge die Personalien aufnehmen wollte, weil er die Anweisungen der Polizei ignorierte. Als die Polizei sich durchsetzen wollte, habe er sofort laut angefangen zu schreien, dass er misshandelt werde. "Davon konnte natürlich nicht die Rede sein", so Kluge. Dennoch sei die Menge plötzlich in Bewegung geraten. Ein eher friedlicher Protest könne dann schnell eskalieren – und dann sei auch gerne gleich von Polizeistaat die Rede. Deshalb gelte: "Die Demokratie muss das, was da gerade passiert, aushalten. Da müssen wir jetzt durch."