Die strengen Regeln in der Corona-Krise werden weiter gelockert. Foto: dpa

Kanzlerin und Ministerpräsidenten einigen sich. Bei Überschreiten einer Obergrenze geht es zurück.

Stuttgart/Berlin - Einige Länder sind schon vorgeprescht, nun sollen in ganz Deutschland die Regeln in der Corona-Krise weiter gelockert werden. Aber was, wenn sich zu viele Menschen anstecken? Dafür einigten sich Bund und Länder auf eine Art Notbremse. Dies gab Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch in einer Pressekonferenz bekannt.

 

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Die Menschen in Deutschland können sich auf erhebliche Lockerungen der Beschränkungen in der Corona-Krise einstellen - bei Schule, Kita, allen Geschäften und im Sport. Zugleich will der Bund die Verantwortung für darüber hinaus gehende Öffnungen gerade bei den Kontaktbeschränkungen weitgehend den Ländern überlassen. Er besteht aber auf einer Obergrenze von Neuinfektionen, ab der wieder härtere Beschränkungen greifen müssten. Bedeutet konkret: Mehr als 50 Neu-Infektionen in den letzten 7 Tagen pro 100.000 Einwohner in einem Landkreis - dann müssen neue Kontaktbeschränkungen her.

Außengastronomie in Baden-Württemberg schon vor Pfingsten

Der Mindestabstand gilt weiterhin, ebenso wie Mund-Nasen-Schutz in Geschäften und öffentlichem Verkehr. Auch die Kontaktbeschränkungen gelten bis zum 5. Juni. Bund und Länder einigten sich am Mittwoch allerdings darauf, dass sich künftig wieder Angehörige von zwei Haushalten treffen dürfen - also etwa zwei Familien, zwei Paare oder die Mitglieder aus zwei Wohngemeinschaften.

In Sachen Kitas und Schulen haben die Länder unterschiedliche Konzepte entwickelt. In Bayern etwa sollen 50 Prozent der Kinder ab Pfingsten wieder in die Kita-Notbetreuung sowie in die Schule. An Schulen wird dort außerhalb des Unterrichts eine Maskenpflicht eingeführt.

Menschen in Seniorenheimen dürfen unter hohen Schutzauflagen wieder besucht werden - schon zum Muttertag.

Unter Auflagen sollen nun alle Geschäfte wieder öffnen können, nicht nur die kleineren. In der Gastronomie entscheiden die Länder unterschiedlich über Öffnungskonzepte.

Die Fußball-Bundesliga darf die derzeit wegen der Corona-Krise unterbrochene Saison ab der zweiten Mai-Hälfte mit Geisterspielen fortsetzen. Auch Trainingsbetrieb im Breiten- und Freizeitsport unter freiem Himmel soll wieder erlaubt sein.

Live-Pressekonferenz von Angela Merkel:

Wie ist die Lage in Baden-Württemberg?

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte eigentlich ein Statement via Videostream direkt nach dem Gespräch der Regierungschefs mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über Lockerungen in der Corona-Krise geplant. Dies wurde allerdings abgesagt. Stattdessen gab er die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz in einer Landtagsdebatte bekannt.

"Der Mindestabstand von 1,50 Metern ist unsere stärkste Waffe im Kampf gegen die Pandemie", erklärte der Ministerpräsident gegenüber dem Landtag. Deshalb gelte dieser weiter, ebenso wie die Maskenpflicht.

Regionale Beschränkungen innerhalb von Landkreisen

Die Zahl der Neuinfektionen soll weiter möglichst niedrig bleiben, um die Nachverfolgung sicherstellen zu können. Deshalb wurden Maßnahmen für eine lokale Eindämmung geschlossen: Wenn ein Landkreis innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner zu verzeichnen hat, müssen regional konsequente Beschränkungen eingeführt werden. Auch appellierte Kretschmann an den Bund, die geplante Corona-App baldmöglichst an den Start zu bringen.

Der Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler soll schrittweise wieder aufgenommen werden: Sie sollen vor den Sommerferien alle wieder zumindest tageweise die Schule besuchen.

Die Kitas sollen ab 11. Mai stufenweise geöffnet werden. Die Notbetreuung soll erweitert werden. Alle Kinder, die nach den Sommerferien in die Schule kommen, sollen vorher noch einmal ihren Kindergarten besuchen. Über eine weitergehende Kinderbetreuung soll entschieden werden, sobald Ergebnisse einer Studie vorliegen.

Kretschmann verweist auf "Ampelregelung"

Eine zweite Infektionswelle und eine damit verbundene Überlastung des Gesundheitssystems solle unbedingt vermieden werden. Kretschmann verwies in diesem Zusammenhang auf die von der grün-schwarzen Landesregierung ausgearbeitete "Ampelregelung".

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Sport unter freiem Himmel und ohne Körperkontakt soll ab 11. Mai demnach wieder erlaubt sein. Freiluft-Sportanlagen wie Golf- oder Tennisplätze, aber auch Reitanlagen und Hundeschulen dürfen dann wieder öffnen. Gleiches gilt für Fahrschulen, Sportboothäfen und den Luftsport. Auch das Besuchsverbot in Krankenhäusern soll gelockert werden.

Freiluft-Ausflugsziele mit Einlasskontrolle sowie kontaktarme Freizeitangebote wie Minigolf oder Bootverleihe sollen vor Pfingsten in Baden-Württemberg wieder erlaubt sein, genauso wie der Fahrradverleih zu touristischen Zwecken. Für Dauercamper werden Campingplätze und Wohnmobilstellplätze wieder geöffnet. In einer weiteren Stufe vor Pfingsten soll auch der Innenbereich von Speisewirtschaften geöffnet werden.

Freizeitpark dürfen ab Pfingsten öffnen

Beherbergungsbetriebe, Campingplätze und Wohnmobilstellplätze dürfen zu touristischen Zwecken ab Pfingsten wieder öffnen. Dasselbe gilt für Besucherzentren, Freizeitparks, Fitnessstudios, Tanzschulen, Kletterhallen, Indoorsporthallen, Indoorspielplätze.

Großveranstaltungen wie Fachmessen, Publikumsmessen, Volksfeste, Vereinsfeste und Kongresse können bis auf Weiteres nicht stattfinden.

Lockerungen können jederzeit zurückgenommen werden

Kretschmann sagte im Landtag, er wolle keine falschen Erwartungen und Hoffnungen wecken. Sollten sich die Infektionszahlen wieder verschlechtern, müssten Lockerungen und Öffnungen eventuell auch befristet wieder zurückgenommen werden.

Die Opposition fand kritische Worte: FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte, den Menschen werde weiter vorgeschrieben, mit wem sie sich treffen dürften oder nicht. Solche Einschränkungen von Grundrechten seien angesichts der neuesten Infektionszahlen nicht mehr gerechtfertigt. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch hielt der grün-schwarzen Landesregierung vor, bei den Lockerungsmaßnahmen nicht an einem Strang zu ziehen: Die CDU strebe voran, die Grünen bremsten. Die AfD forderte eine umfassende Öffnung von Schulen, Kitas und Gaststätten im Südwesten. Viele Menschen wollten schnell zurück zur ursprünglichen Normalität, sagte ihr Fraktionschef Bernd Gögel.