"Das muss man sich mal geben": An Ostern wären die Gaststätten fünf Monate lang geschlossen. Foto: Rath

Für Michael Rückert steht fest: Jetzt müssen Lockerungen her. Auftakt mit Schulen und Kitas.

Der Verwaltungsgerichtshof hat am Montag die Ausgangssperre gekippt, am Mittwoch sprechen Bund und Länder, wie es mit der Zwangsschließung weiter Teile von Wirtschaft und öffentlichem Leben weiter gehen soll. Für Landrat Klaus Michael Rückert steht fest: Jetzt müssen Lockerungen her.

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Kreis Freudenstadt - Zum zweiten mal innerhalb weniger Tage nimmt Rückert am Montag Stellung zur "Lockdown"-Diskussion. Auf seinen Knien liegt eine Aktenmappe zum Thema Corona. Darin liegt auch der Brief einer Mutter, deren Kind die Christophorus-Förderschule in Freudenstadt besucht. Darin legt die Frau dar, wie sehr ihr Kind unter der Schulschließung leide, und dass sie sich Sorgen um dessen Entwicklung mache.

Der Landrat kann sie verstehen: Grundschulen und Kindertagesstätten müssen schnellstmöglich wieder geöffnet werden. Auch die Abschlussklassen sollten rasch wieder zum persönlichen Unterricht in die Schulen dürfen. Rückert sagt, er bekomme täglich Post von Bürgern zum Thema Corona. Keine Berge zwar, dafür aber "bewegende" Schreiben.

"Die Leute warten erfahrungsgemäß lange, ehe sie sich äußern", so der Landrat. Aber dann sei es ein Zeichen dafür, dass die Geduld schwinde und Grenzen der Belastbarkeit erreicht seien. Aus all den Informationen und Meinungen aus dem Kreis, die im Landratsamt zusammenlaufen, habe sich für ihn eine Gewissheit herausgebildet: "Wir brauchen jetzt dringend Öffnungen und Lockerungen. Und wir sollten dabei mit Vorsicht mutig sein."

Viele stille Leiden

Schon seit Monaten treibe ihn die Frage um, wie die Gratwanderung geschafft werden könne: einerseits der notwendige Kampf gegen Corona. Andererseits dürften die stillen Leiden, denen durch Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen Vorschub geleistet werde, nicht vergessen werden. Und es gebe schließlich auch noch Grundrechte, die nicht ohne Not auf Dauer eingeschränkt werden dürften. Behandlungen anderer lebensbedrohlicher Krankheiten im Klinikum Freudenstadt nähmen in bedenklichem Ausmaß ab, dafür schlage die Familienberatungsstelle im Landratsamt Alarm: Depressionen und Angststörungen unter Kindern und Jugendlichen nähmen in bedenklichem Ausmaß zu. Gleichzeitig sei die Sieben-Tages-Inzidenz – die Zahl der Corona-Neuinfektionen innerhalb einer Woche, umgerechnet auf 100 000 Einwohner – im Kreis auf 28,8 gesunken. Im Krankenhaus Freudenstadt würden aktuell vier Covid-19-Patienten behandelt, davon zwei auf Intensivstation.

Kalkuliertes Risiko

Deshalb sei es an der Zeit, die Gewichte zu verschieben. "Ich will Corona nicht kleinreden. Das ist eine sehr gefährliche und hochansteckende Krankheit", so Rückert. Aber es müsse mit Hygienekonzepten, Abstandsregeln und Maskenpflicht möglich sein, das öffentliche und wirtschaftliche Leben schrittweise wieder zu ermöglichen – mit einem "Stufenplan", kalkuliertem Risiko und Nachsteuerungen, falls dies die aktuelle Lage erforderlich mache.

Keine großen Feten

Seine Vorstellung: Erst die Kitas und Grundschulen öffnen, ebenso die Schulen für die Abschlussklassen. Danach die Schulen generell und auch den Hochschulbetrieb, mit abgestuftem Konzept und mit intelligentem Betrieb in Kleingruppen. Auch private Kontakte sollten wieder vermehrt möglich sein. "Sicher keine großen Feten. Aber nur Kontakt zu einer Person haben zu dürfen, ist auf Dauer schon unglaublich wenig", so der Landrat. In Stufe vier, noch "deutlich vor Ostern", sollten dann Restaurants, Hotels und der Einzelhandel wieder öffnen dürfen. "Masken und Hygieneregeln sind dabei das A und O", so Rückert, "aber funktionierende Konzepte mit begrenzte Personenzahl pro Quadratmeter Fläche sollten völlig problemlos machbar sein."

Der Kampf gegen eine Pandemie könne auf Dauer nicht einziges Staatsziel sein. "Wir können nicht nur zwei Zahlen hinterher rennen", sagt der Landrat. Teile der Wirtschaft stünden vor dem Ruin. Die Aussicht auf eine Wiedereröffnung von Gastronomie zu Ostern sei zu wenig. "Ostern ist im April. die Betriebe sind ja seit dem 1. November zu. Das wären bis dahin fünf Monate. Das muss man sich mal geben"

"Muss man sich mal geben"

Rückschläge wie der Corona-Ausbruch am Wochenende im Krankenhaus Calw könne es geben. "Das ist ein singuläres Ereignis mit sehr vielen Fällen auf einmal", so Rückert. "Aber das ist in den Griff zu bekommen. Und ich bin sicher, die Calwer werden das in den Griff bekommen."