Bei jedem Punkt in dem Brief einer Erzieherin lässt ein Kind einen Ballon platzen. Foto: Ungureanu

Keine Frage: Die Menschen sind nach einem Jahr Corona und Schutzmaßnahmen müde. Manche glauben, dass man dagegen etwas tun muss. Mit Luftballons und Kinderschuhen haben sie beim "Frühlingserwachen" am Freitagabend auf die Probleme aufmerksam gemacht, die Lockdown, Schulschließungen, Tests und Masken für die Jüngsten mit sich bringen.

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Balingen - Mit Italo-Hits läutete Sänger Angelo die Veranstaltung ein und begleitete sie zwischendurch. Rund 250 "Freunde der Freiheit" waren nach Zählung der Polizei mit Plakaten und Schildern gekommen, forderten "Schule statt Einsamkeit", "Leben statt Lockdown", "Küsse statt Abstand", "Berühren statt Desinfizieren" oder "Einigkeit statt Spaltung".

Und viele Kinder waren dabei, denn um sie ging es diesmal schließlich. Einige von ihnen hatten eigene Plakate gemalt. "Masken sind böse", stand auf einem, "Ich will dein Gesicht sehen" auf einem anderen. Damit und mit zahlreichen Kinderschuhen hatten sie die Bronzeskulptur mit den beiden lachenden Männern vor dem Balinger Rathaus dekoriert. Rote Luftballons in Herzform waren daran gebunden. Andere Schilder mit Sprüchen wie "Merkel muss weg" oder "Angstfabrik Bundesregierung" standen an weniger exponierter Stelle.

Gerade die Kinder, die Schwächsten der Gesellschaft, liefen Gefahr, zu psychischen und physischen Krüppeln zu verkommen, sagte Christoph Gorschlüter. Er, der seinerzeit Mitorganisator der mittlerweile verbotenen Balinger "Lichtspaziergänge" war, verlas einen "Brandbrief" unter dem Titel "Wir klagen an". Das Schreiben sei, sagte er, an alle Schul- und Gesundheitsämter sowie Gerichte in Deutschland gegangen mit Bitte um Antwort bis 18. April. Studien, heißt es darin, würden belegen, dass Schulen keine Infektionsherde seien. Zweimal pro Woche testen und Maskenpflicht im Unterricht würden den Kindern also nicht helfen, sondern im Gegenteil nur Angst, Depressionen, Kopf- und Bauchschmerzen bringen.

Mehrere Anzeigen

Noch einen weiteren Brief verlas Gorschlüter – verfasst von einer Erzieherin, die nicht habe kommen können. Von Eltern war darin die Rede, die vor dem Aus stünden, Angst um ihren Job hätten und Geldsorgen wegen Kurzarbeit. Von Kindern, die nicht mehr in den Urlaub fahren können. Von einem fünfjährigen Jungen, der seinen Geburtstag nicht feiern darf. Und von Eltern, die es für unverantwortlich halten, ihr Kind im Kindergarten zu lassen, wenn die Erzieherin nicht geimpft ist. Bei jedem Punkt ließen Kinder einen Luftballon platzen, der an ein paar Schuhe gebunden war.

Die alleinerziehende Mutter einer Drittklässlerin erklärte, dass ihr Kind keine Maske tragen wolle und Homeschooling mache: "Sie will, dass es wieder so ist wie davor", sagte sie, und: "Die Kinder leiden, das kann jeder sehen."

Danach hatten zwei Kinder die Bühne. Paul und seine Schwester Julika aus Konstanz, die bereits in Berlin aufgetreten waren, rappten unter dem Titel "Das ist mir nicht egal" und erinnerten an die Schulen in der Schweiz, die durchweg geöffnet gewesen seien – und bekamen dafür viel Beifall.

Der nach dem Umzug angekündigte 19-jährige "Mark aus Rottweil", der eigentlich aus Albstadt stammt, tischte einige krude Dinge auf. Etwa, dass die Corona-Pandemie eine "einzige Lüge" sei, dass die Tests durch Manipulation dafür sorgen würden, "dass wir nie aus dem Horror herauskommen" – und dass die Angst um Job, Familie und Existenz missbraucht werde "zur Installation einer kommenden Diktatur". "Widerstand, Widerstand!", riefen die Demonstranten daraufhin.

Dass es Corona gebe, wolle man nicht abstreiten, sagte indes Christoph Gorschlüter in seinem Schlusswort. Aber man sei gegen den "Corona-Wahnsinn".

Am Rande der Demonstration brachte die Polizei zwölf Vorgänge zur Anzeige. In elf Fällen ging es um Verstöße gegen die Auflagen – fehlende Masken etwa oder den nicht eingehaltenen Mindestabstand. Eine Strafanzeige gab es auch: Einer der Demonstranten beleidigte einen Polizisten.