Unterstützungsplakate wie hier im Jahr 2019 sind in diesem Jahr nicht nötig. 2021 finden wegen des Wechsels auf das G9 keine Abiturprüfungen statt. Foto: Archiv

Es ist ein kurioser Sonderfall: Am 4. Mai beginnen in ganz Baden-Württemberg die Abiturprüfungen. Aber nicht so in Bad Wildbad. Daran, dass am Enztal-Gymnasium in diesem Jahr keine Abschlussprüfungen stattfinden, ist aber ausnahmsweise einmal nicht Corona schuld.

Bad Wildbad - Der Grund liegt vielmehr darin, dass das Wildbader Gymnasium eine der 44 Modellschulen in Baden-Württemberg ist, die vor einigen Jahren vom G8, also dem achtjährigen Gymnasium, wieder zurück zum vorherigen Modell mit neun Klassenstufen (G9) gewechselt haben. In Bad Wildbad war das zum Schuljahr 2013/14 der Fall. Und das bedeutet eben: 2021 kein Abitur. Denn 2020 haben die letzten Schüler, die im G8-Zug unterrichtet wurden und somit die Prüfungen in der zwölften Klasse ablegen, ihr Abitur geschrieben.

Damalige Fünftklässler machen 2022 Abschluss

Und die damaligen Fünftklässler, die zum Start des G9-Modells auf das Enztal-Gymnasium wechselten, sind jetzt in der zwölften Klasse. Da die ihr Abitur ja aber erst in der 13. Klasse schreiben, fällt das am Enztal-Gymnasium in diesem Jahr aus. Wirklich traurig dürfte dabei angesichts der vielen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen rund um die Corona-Pandemie aber wohl niemand sein.

Das Enztal-Gymnasium wurde in der sogenannten zweiten Tranche in den Schulversuch "Zwei Geschwindigkeiten zum Abitur" aufgenommen.

Als pädagogische Begründung, warum sich das Enztal-Gymnasium für G9 entschieden hat, nennt die Schule auf ihrer Internetseite: "Schulgemeinschaft und Schulträger sehen in der Teilnahme am Schulversuch ›Zwei Geschwindigkeiten zum Abitur‹ eine Chance, vor Ort ein Bildungsangebot einzurichten, das sich stärker an den individuellen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler des Einzugsgebiets orientiert."

Größere zeitliche Freiräume schaffen

Dies geschehe vor allem durch die Möglichkeit, den Schülern durch das Angebot eines neunjährigen Bildungsgangs größere zeitliche Freiräume zu schaffen für die Wahrnehmung privater musisch-kultureller oder sportlicher Aktivitäten, die aktive Teilnahme an musisch-kulturellen oder sportlichen Vereinsaktivitäten sowie eine größere Teilhabe am familiären Leben. Weiter heißt es, "Schulgemeinschaft und Schulträger betrachten außerdem einen neunjährigen Bildungsgang als eine wirksame bildungspolitische Maßnahme, Nachteile der Schülerinnen und Schüler des ländlichen Einzugsgebiets im Nordschwarzwald auszugleichen, die durch topografische und infrastrukturelle Umstände bedingt sind." Dazu zählen zum Beispiel vergleichsweise lange Schulwege, Buswartezeiten und -fahrzeiten. Hierzu zähle außerdem der Umstand, dass vor Ort kein neunjähriger Bildungsgang vor Ort angeboten werde. In Bad Wildbad und dem Einzugsgebiet des Enztal-Gymnasiums, das bis Neuweiler, Enzklösterle, Salmbach, Schömberg, Dobel und Bad Herrenalb reicht, gebe es, im Gegensatz zur Großen Kreisstadt Calw, kein berufliches Gymnasium. Erst mit der Aufnahme in den Schulversuch sei im Einzugsgebiet ein neunjähriger Weg zum Abitur verfügbar.

(boom). Das G8, also das Abitur nach der zwölften Jahrgangsstufe, geht zurück auf ökonomische Überlegungen. Hauptargument für die Verkürzung der Schulzeit war, dass deutsche Jugendliche im internationalen Vergleich länger an der Schule waren. Durch die Verkürzung sollten Abiturienten früher ihre Berufsausbildung beginnen und somit auch früher Steuern und Sozialabgaben zahlen. Ab 2003 schlossen sich alle alten Bundesländer sowie Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern dem G8 an, Sachsen und Thüringen hatten das in der DDR übliche zwölfjährige Abitur beibehalten.

In Baden-Württemberg wurde im Schuljahr 2012/2013 ein Modellversuch zur Wiedereinführung des G9 an 22 Schulen gestartet. Weitere 22 Schulen folgten im Schuljahr 2013/14. Der Modellversuch soll 2027/2028 abgeschlossen sein, wenn die letzten Modelljahrgänge das Abitur ablegen. Bis dahin gilt in etwa 90 Prozent der baden-württembergischen Gymnasien weiterhin G8 als Regelmodell, während mittlerweile viele Bundesländer wieder zum G9 zurückgekehrt sind. In Bayern etwa wird 2024 das letzte Abitur nach acht Jahren abgelegt. Das Abi 2025 fällt aus.