Karl Lauterbach (SPD) kämpft: er will nicht mit einem Kurs der bedenklosen Öffnung identifiziert werden. Foto: dpa/Michael Kappeler

Künftig werden die Gesundheitsämter nur noch für Klinik- und Pflegepersonal Anordnungen zur Selbstisolation aussprechen. Der Ressortchef begründet das mit der bürokratischen Überlastung der Ämter.

Man kann nicht behaupten, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gerade einen Lauf hätte. Am Donnerstag droht im Deutschen Bundestag die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht zu scheitern, für die er doch so gekämpft hatte. Das Ende der Maskenpflicht ist genau so wenig nach seinem Geschmack. Nun erntet er für eine Maßnahme ebenfalls deutliche Kritik, auf die er sich mit den Gesundheitsministern der Länder verständigt hat: Ab Mai wird es keine Pflicht zur Selbstisolierung nach einer Corona-Infektion mehr geben. Die Gesundheitsämter werden keine entsprechenden Anordnungen mehr aussprechen.

Nur noch „dringende Empfehlung“

Nun gilt lediglich eine „dringende Empfehlung“ für Infizierte, sich fünf Tage lang zurückzuziehen und Kontakte zu vermeiden. Danach soll täglich – bis zu einem negativen Ergebnis – getestet werden. Kontaktpersonen sollen fünf Tage lang Kontakte reduzieren. Bislang gilt eine Quarantänepflicht von zehn Tagen, die frühestens nach sieben Tagen mit einem PCR-oder Schnelltest beendet werden kann.

Eine Ausnahme von der Lockerung gibt es allerdings: Für Beschäftigte im Gesundheitswesen sowie in Alten- und Pflege-Einrichtungen wird es weiterhin ein angeordnetes Tätigkeitsverbot geben, das frühestens nach fünf Tagen bei deutlicher Symptombesserung aufgehoben werden kann.

Lauterbach begründet die Neuregelung damit, dass die Gesundheitsämter aufgrund der hohen Fallzahlen gar nicht mehr in der Lage seien, Quarantäne-Anordnungen rechtzeitig zu erteilen. „Die Routine-Benachrichtigungen bündeln so viel bürokratische Kraft, dass die Ämter die Pandemie nicht mehr optimal bewältigen können.“ Deshalb sei es jetzt Zeit, „sich auf die Bereiche zu konzentrieren, auf die es ankommt“.

Union wirft Lauterbach Widersprüchlichkeit vor

Obwohl niemand Lauterbach widersprechen kann, wenn er von überforderten Gesundheitsämtern berichtet, erntet er für die neue Praxis durchaus Kritik – aus der Politik und der Wissenschaft.

Tino Sorge, der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, sieht in Lauterbachs Botschaften einen Widerspruch: „Es ist schon verwunderlich, wenn der Gesundheitsminister nach der Maskenpflicht nun auch die Quarantäne abschaffen will, zugleich aber beharrlich eine pauschale Impfpflicht fordert. Das verdreht den Grundsatz des milderen Mittels ins Gegenteil.“

Der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibnitz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie forderte eine Beibehaltung der Quarantäne-Pflicht. „Wenn eine Person Symptome aufweist, dann sollte sie zu Hause die Corona-Infektion aussitzen, anstatt noch mehr Menschen anzustecken“, sagte Zeeb. Auch der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit äußerte sich ähnlich. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, warnte, dass für die Hochrisikogruppen das Leben „ immer gefährlicher“ werde. „Diese Menschen Leben mitten unter uns.“

Keine Änderung bei Lohnfortzahlung

Die Länder tragen die Maßnahmen mit, erwarten sich aber von Lauterbach teilweise noch Klarstellungen. Nachfragen kamen gestern vor allem zum Thema Lohnfortzahlung. Wird die noch gezahlt, wenn das Zuhausebleiben nicht mehr angeordnet wird, sondern freiwillig erfolgt? Lauterbach beruhigte gestern. Für die Frage, „ob man im gesetzlichen Sinne krank geschrieben ist, verändert sich gar nichts“, sagte der Minister. Das habe mit der Anordnung einer Quarantäne nicht zu tun, „sondern mit der Diagnose“. Und die könne durch „klinische Symptome, einen Antigen- oder einen PCR-Test festgestellt werden“.

Lauterbach zeigte sich am Dienstag kämpferisch. Er tut alles, um nicht mit einem Kurs der bedenkenlosen Öffnungen und Lockerungen identifiziert zu werden. Die Änderungen hätten „nichts mit der Debatte um Öffnungen zu tun“, betonte er. Und außerdem sei er nach wie vor davon überzeugt, dass am Donnerstag im Bundestag eine allgemeine Impfpflicht beschlossen werde, weil genug Abgeordnete nicht noch einen weiteren Krisenherbst erleben wollten.