Der Landkreis Freudenstadt steuert auf die nächste Pandemie-Stufe zu: "Corona-Hotspot". Der Landkreis hat die Inzidenz-Schwelle von 200 am Mittwoch übertreten. (Symbolbild) Foto: © Viktar –Schutterstock

Kreis Freudenstadt steuert auf Status als Brennpunkt zu. Arzt: Alle Schulen sofort zumachen.

Der Landkreis Freudenstadt steuert auf die nächste Pandemie-Stufe zu: "Corona-Hotspot". Das Landratsamt bereitet bereits weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens vor. Möglicherweise treten sie schon am Sonntag in Kraft.

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Kreis Freudenstadt - Als Brennpunkt – neudeutsch "Hotspot" – gelten Kreise, die drei Tage den Inzidenzwert von 200 reißen. Der Wert drückt die Corona-Neuinfektionen in den zurückliegenden sieben Tage aus, umgerechnet auf 100.000 Einwohner. Freudenstadt hat die Schwelle bereits am Mittwoch erstmals überschritten, und die Zahlen vom Donnerstag lassen darauf schließen, dass es sich nicht um einen einmaligen Ausreißer handelt.

Pläne schon in Schublade

Laut Sabine Eisele, Pressesprecherin des Landratsamts, liegt die so genannte "Allgemeinverfügung" für den Fall der Fälle bereits in der Schublade. "Wenn wir sie nicht anwenden müssten, wären wie alle sehr froh", so Eisele. Allerdings hat der Kreis keine Wahl. Bei drei Inzidenzwert-Überschreitungen von 200 greift automatisch die "Hotspot-Strategie" des Landes. In der Mustervorlage des Landes ist geregelt, welche Einschränkungen in einem solchen Fall kommen sollen. Der Kreis Freudenstadt will sich an die Vorlage halten. Es gebe keine lokalen Besonderheiten, die Abweichungen nötig machten. Aufgrund der aktuellen Trends rechnet die Behörde damit, dass die "Allgemeinverfügung" am kommenden Samstag veröffentlich wird und bereits ab Sonntag gilt.

Auch der Kreis Rottweil bereitet bereits schärfere Einschränkungen vor. Was das bedeutet, wissen die Einwohner des Nachbarkreises Calw. Dort ist die Verfügung bereits seit Mittwoch in Kraft: Es gilt eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 21 Uhr und 5 Uhr. Ausnahmen gelten für die Ausübung eines Berufs, medizinische Gründe, Sterbebegleitung und Notwendigkeiten in Zusammenhang mit Tieren, wie etwa Gassi-Gehen mit dem Hund. Die Ausgangssperre werde von Polizei und Ordnungsämtern kontrolliert. Außerdem müssen Friseure, Sonnenstudios und alle Sportstätten schließen – auch für den Schulsport.

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Schärfere Regelungen gelten im Kreis Calw auch für Pflegeheime. Ein Besuch dort soll nur noch mit einem unbenutzten FFP2-Mund-Nasenschutz und/oder einem negativen Schnelltest möglich sein. Auch die Pflegekräfte dürfen nur noch mit FFP2-Maske arbeiten. Darüber hinaus will der Landkreis das Beratungsangebot für die Pflegeheime ausdehnen.

Calw zieht Zügel an

Das Landratsamt Calw setzt sich außerdem für Wechselunterricht an den weiterführenden Schulen ein. Doch ihn anzuordnen, sei gegen den Willen der einzelnen Schulleitungen nicht möglich. An den eigenen Berufsschulzentren hingegen werde der Kreis Wechselunterricht nach Möglichkeit umsetzen.

Der Arzt Wolfgang von Meißner von der Praxisgemeinschaft "Ärzte am Spritzenhaus" in Baiersbronn, zentrale Abstrichpraxis für den Kreis, geht noch einen Schritt weiter. Seine Forderung: "Alle Schulen und Kindergärten im Landkreis Freudenstadt ab Freitag zumachen, und zwar bis zum 12. Januar." Aus ärztlicher Sicht sei es vielleicht noch vertretbar, dass die Kinder und Jugendlichen kommenden Montag noch mal an ihre Schule gehen, um sich Aufgabenpakete abuzuholen. Zu mehr aber nicht. "Es gibt doch eigentlich keine bessere Zeit dafür als zwischen den Jahren."

Von Meißner hält Kindergärten und Schulen für das größte Problem, auch die Schulbusse. Es gebe dort bereits genügend Corona-Ausbrüche und Indexfälle im gesamten Landkreis. Er vermutet, dass die Infektionen in mehreren Seniorenheimen im Landkreis auch dort ihren Ursprung haben. "Das Kind einer Pflegekraft bringt das Virus von der Schule mit, steckt seine Eltern an, und die tragen Corona dann weiter ins Pflegeheim", so von Meißner. Beim Einkaufen oder am Arbeitsplatz – funktionierender Mund-Nasen-Schutz und die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln vorausgesetzt – gebe es kaum ein Infektionsrisiko. Deshalb sei es aus seiner Sicht auch nicht notwendig, Betriebe oder Geschäfte zu schließen. "Es ist nicht notwendig, alles zuzumachen", so der Arzt.

Die Maßgabe des Landes, Schulen erst ab einer Inzidenzrate von 300 zu schließen, stuft von Meißner als "vollkommenden Quatsch" ein. 200 sei die Grenze, an der Kliniken und das Gesundheitssystem in Gefahr seien. Schon jetzt gebe es im Kreis Freudenstadt Probleme bei der Versorgung, weil sich zu viele Pflegekräfte infiziert hätten und außer Dienst seien.

Feiertage lieber dabeim

Von Feiertagen im Familienkreis rät der Arzt komplett ab. "Wer möchte, dass Oma und Opa nächstes Jahr noch am Leben sind, sollte sie an Weihnachten nicht besuchen und stattdessen einfach zu Hause bleiben." Und die Schulen und Kindergärten flächendeckend zu schließen. "Es gibt doch eigentlich keine bessere Zeit dafür als zwischen den Jahren", so von Meißner.

Am Donnerstag wurden dem Landratsamt 71 Neuinfektionen gemeldet. Die betroffenen Personen kommen aus Alpirsbach (plus zwei), Baiersbronn (plus drei), Dornstetten (plus elf), Eutingen (plus acht), Freudenstadt (plus zwölf), Glatten, Horb (plus 18), Loßburg (plus zwei), Pfalzgrafenweiler (plus acht) und Waldachtal (plus sechs). Stand Donnerstag gibt es 410 (plus 66) akut infizierte Personen im Landkreis, die sich in Isolierung befinden. Seit Beginn der Pandemie wurden im Landkreis insgesamt 1999 Personen positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet. Die Zahl der aus der Isolierung Entlassenen beträgt 1537 (plus fünf). Die Zahl der positiv getesteten Verstorbenen bleibt gleich bei 52.