Streitpunkt einrichtungsbezogene Impfpflicht: Die rund 750 Mitglieder des Netzwerks "Medizinisches Personal Ortenau" verfolgen mit Spannung, ob das Gesundheitsamt Betretungs- oder Beschäftigungsverbote für ungeimpfte Mitarbeiter von Kliniken, Heimen, Praxen und Co. verhängen wird – bisher war das noch nicht der Fall. Foto: Wilnow

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht greift bereits seit Mitte März. Bisher hat sie im Ortenaukreis jedoch noch keine Auswirkung gezeigt – Betretungs- oder Tätigkeitsverbote etwa wurden noch keine ausgesprochen.

Ortenau - War Mitte März beim Inkrafttreten der einrichtungsbezogenen Impfpflicht die Verunsicherung noch groß, so scheint sich die Stimmung unter den ungeimpften Beschäftigten im Gesundheitssektor entspannt zu haben. "Das Gesundheitsamt hat seine Ermessensspielräume bisher sehr großzügig ausgenutzt", erklärt Tom Starke, Sprecher von "Medizinisches Personal Ortenau", im Rückblick auf die vergangenen Wochen.

Mittlerweile haben sich in dem Netzwerk rund 750 Beschäftigte aus dem medizinischen Bereich zusammengeschlossen – aus Angst ihren Job zu verlieren. Denn in letzter Konsequenz kann das Gesundheitsamt Beschäftigten in Kliniken, Heimen, Praxen und Co. ohne Impf- oder Genesenennachweis ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot aussprechen. Auch ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro ist möglich – passiert ist bisher noch nichts, bestätigt das Landratsamt auf Anfrage unserer Zeitung. Weder Bußgelder, noch Beschäftigung- oder Vertretungsverbote seien bisher ausgesprochen worden. Beim Netzwerk kommt das naturgemäß gut an. "Im Moment ist es eher ein Miteinander als Gegeneinander", erklärt Starke Bezug nehmend auf das Gesundheitsamt.

Der Ortenaukreis hatte von Anfang an angekündigt, die Vorgaben zur Impfpflicht nicht knallhart durchdrücken zu wollen. Anfang April waren die ersten Schreiben an diejenigen Beschäftigten rausgegangen, die keinen Impf- oder Genesenennachweis vorgelegt hatten und deswegen von ihrem Arbeitgeber gemeldet wurden. Damals waren rund 1700 Mitarbeiter aus dem medizinischen Bereich betroffen (wir berichteten). Mittlerweile seien alle im Netzwerk "Medizinisches Personal Ortenau" angeschrieben worden, berichtet Starke. Vier Wochen haben sie nach Erhalte Zeit, doch noch einen Nachweis zu liefern – oder zurückzumelden, sich nicht impfen lassen zu wollen. Die Frist sei im Vergleich zu Nachbarkreisen großzügig, andernorts hätten die Behörden nur zwei Wochen Zeit gegeben, weiß Starke durch den Austausch mit anderen Initiativen.

Das Gesundheitsamt muss nach Ablauf der Frist in jedem Einzelfall entscheiden, wie es mit den ungeimpften Mitarbeitern weitergeht – dafür werden sowohl Arbeitnehmer- als auch -geber schriftlich gehört. Da die Behörde einen Ermessensspielraum hat, kann sie im Fall großer Personalknappheit dem ungeimpften, aber täglich getesteten Mitarbeitern den befristeten Verbleib erlauben.

Auf das Engagement der Arbeitgeber setzt nun das Ortenauer Netzwerk. Gemeinsam mit anderen Initiativen – zusammengeschlossen im bundesweiten "Aktionsbündnis Gesundheitswesen" – habe man an die Dienstherrn im Gesundheitswesen appelliert, sich für die ungeimpften Mitarbeiter einzusetzen. Ein entsprechendes Schreiben wurde am Mittwoch veröffentlicht.

"Schildern Sie dem Gesundheitsamt, dass Ihre ungeimpften Mitarbeiter für Sie unverzichtbar sind, um den Dienstbetrieb aufrecht erhalten zu können", heißt es daran an die Arbeitgeber gerichtet. "Teilen Sie dem Gesundheitsamt mit, dass Sie aufgrund der personellen Situation auf keine einzige ungeimpfte Fachkraft verzichten können. Schildern Sie dem Gesundheitsamt, dass, sollten Betretungs- oder Tätigkeitsverbote ausgesprochen werden, eine adäquate medizinische Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet werden kann." Der Appell soll auch eine Hilfestellung sein: "Uns erreichen viele Anfragen von Arbeitgebern", erläutert Starke den Hintergrund des Schreibens. Meist gehe es darum, was sie für ihre Mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen möchten, tun könnten.

Sorgen bereiteten ihm die Solo-Selbstständigen, erklärt Starke. "Die haben natürlich keine Arbeitgeber, die ihnen die Unabkömmlichkeit bestätigen können." Betroffen seien häufig Logopäden, Ergotherapeuten, Hebammen oder Heilpraktiker. Grundsätzlich werde das Netzwerk die Situation im Ortenaukreis jetzt weiter mit Spannung verfolgen.