Hatem Saleh leitet das Gesundheitsamt des Landkreises Schwarzwald-Baar. Foto: Spitz

Der Andrang auf die Mobilen Impfteams ist enorm, immer mehr Menschen möchten sich impfen lassen. Doch das Kreisimpfzentrum im Schwarzwald-Baar-Kreis ist Geschichte. Jetzt soll eine zentrale Impfstelle geschaffen werden.

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Schwarzwald-Baar-Kreis - Landrat Sven Hinterseh blickt mit Sorge auf die aktuelle Entwicklung der Infektionszahlen. "Wir sind ja voll in der vierten Welle", sagt er, und auch, dass er fürchtet, deren Scheitelpunkt sei noch nicht einmal erreicht. Simon Steiff, Medizinischer Direktor am Schwarzwald-Baar-Klinikum, gewährt im Gespräch zur Beantwortung unserer Presseanfragen einen kleinen Blick hinter die Kulissen. "Wir sehen jetzt wieder vermehrt Todesfälle am Klinikum", etwa einer pro Tag sei es derzeit.

3040 Impfungen – alleine seit Oktober

Tatsachen, die neben der Zunahme von 2G-Regelungen in vielen Bereichen bewirken, dass immer mehr Menschen, auch überzeugte Impfgegner, sich nun doch impfen lassen. Die zwei Mobilen Impfteams, welche an das Schwarzwald-Baar-Klinikum angedockt und von dort aus für die Landkreise Rottweil, Zollernalb und Schwarzwald-Baar zuständig sind, sind im Dauereinsatz. Seit Anfang Oktober sind sie auf Tour an sechs Tagen pro Woche, erzählt Simon Steiff – an den 24 Impftagen bis zum vergangenen Mittwoch wurden 3040 Impfungen verabreicht, darunter mit 1223 eine hohe Zahl an Erstimpfungen – und darunter 76 Mal mit dem Vakzin von Johnson-&-Johnson. Auch recht viele Kinder und Jugendliche seien dabei – 12,3 Prozent der 3040 Impflinge sind zwölf- bis 19-Jährige, 17 Prozent zwischen 20 und 29 Jahre alt – zum Vergleich: acht Prozent sind über 70 und elf Prozent über 80 Jahre alt.

Drittimpfungen stehen vor der Türe

Doch: Der Andrang ebbt aktuell nicht ab.

Und auch viele Drittimpfungen stehen vermutlich schlagartig vor der Türe – auch wenn der Impfschutz, so Steiff, nicht plötzlich verpuffe, sondern langsam und kontinuierlich sinke – nach sechs Monaten sei eine Auffrischung sinnvoll, "und was mit einer vierten Impfung ist, wissen wir noch nicht – wir haben heute keine Kenntnis, ob es wie bei anderen Impfungen mit der dritten einen lebenslangen Impfschutz gibt". Die Arbeit also geht den Verantwortlichen nicht aus. Zwar werde, so Hinterseh, an höherer Stelle behauptet, die niedergelassenen Ärzte könnten den Bedarf decken. Doch bereits zu vergangenen Hoch-Zeiten der Pandemie erfuhr er von der Erleichterung vieler Ärzte in der Region über die Existenz des Kreisimpfzentrums, da die Arbeit in den Praxen einfach nicht zu schaffen gewesen sei.

Zentrale Impfstelle wird geschaffen

Auf dem Status Quo ruht sich der Landrat deshalb nicht aus. Stattdessen laufen im Hintergrund Gespräche. "Wir wollen versuchen, möglichst bald in Villingen-Schwenningen einen Standort zu schaffen, wo regelmäßig, am besten täglich, ein dauerhaftes Impfangebot besteht", erklärt er auf Nachfrage des Schwarzwälder Boten. Organisatorisch sei noch nicht alles in trockenen Tüchern, erwogen werde ein Kooperationsmodell mit niedergelassenen Ärzten, startklar sein solle alles bestenfalls binnen zwei Wochen, auf jeden Fall aber "sobald wie möglich". "Es wäre ein gutes, sinnvolles Angebot, begleitend zu den Ärzten", sagt der Landrat. Kein Kreisimpfzentrum, "aber ein paar Nummern kleiner hätten wir schon gerne etwas", barrierefrei, ohne vorherige Terminvereinbarung für alle Impfwilligen.

Drittes mobiles Impfteam kommt

Und noch eine Erleichterung bahnt sich an: Ein drittes mobiles Impfteam werde derzeit aufgebaut, erzählt Simon Steiff. Zwar sei man im Schwarzwald-Baar-Kreis in der luxuriösen Lage, dass die Altersheime fast komplett zum dritten Mal durchgeimpft seien – anderswo aber sieht das ganz anders aus. Die beiden vorhandenen mobilen Impfteams seien bis Weihnachten ausgebucht, darüber hinaus gebe es noch "viele, viele Anfragen", so Steiff, "wir kommen jetzt an die Grenzen".

Landrat Sven Hinterseh appelliert auch vor diesem Hintergrund und als Landrat einer Region, deren zwei mobile Impfteams für gleich drei Landkreise verantwortlich sind, an die Landesregierung: Sie solle dafür Sorge tragen, in jedem Stadt- und Landkreis ein entsprechendes Angebot beizubehalten. "Man kann keinen Knopf drücken, und das KIZ ist wieder startklar."

Kein routinemäßiger Anruf mehr

Wie wichtig die Impfungen an sich sind, wird für den Leiter des Gesundheitsamtes Hatem Saleh in seinem Ressort deutlich: "Wir wissen einfach, dass die Impfung etwas bringt." Nun, zur kalten Jahreszeit, treten zudem vermehrt Atemwegsinfekte auf. Er wolle zwar nicht unken, dass die vierte Welle berechenbar gewesen sei, "aber so ganz überraschend ist die Zunahme gerade nicht", sagt Saleh. Viel Bewegung ist in der täglichen Statistik des Gesundheitsamtes für die Region. Ein Kontaktpersonenmanagement wie zuletzt wäre mittlerweile kaum mehr zu stemmen – seit einer Woche werden positive Fälle nicht mehr routinemäßig vom Landratsamt angerufen, die Patienten müssen sich nun selbstständig absondern – nach 14 Tagen ist diese Phase automatisch vorbei, klärt Saleh.

Jüngere Patienten liegen fünf bis sechs Wochen

Am Klinikum ist das so einfach nicht. "Wir haben jetzt Patienten, bei denen muss man damit rechnen, dass sie fünf bis sechs Wochen auf der Intensivstation liegen", erklärt der Medizinische Direktor Steiff. Das Drehen der Covid-Patienten vom Rücken auf den Bauch und zurück sei ebenso wie die übrige Betreuung sehr personalintensiv, "die sind schwer krank". Der Blick auf die Zahlen in Salehs Statistik stimmt auch den Arzt besorgt: "Wir sind in einem exponentiellen Wachstum, das uns erhebliche Sorgen macht", sagt er. In der Spitze der dritten Welle seien an einem Tag 103 Corona-Patienten im Klinikum eingeliefert worden, er fürchte, dieses Mal könnten es noch mehr werden.