Die Intensivbetten im Kreis Rottweil sind größtenteils belegt. (Symbolfoto) Foto: (dpa)

Die Inzidenz schießt im Landkreis geradezu in die Höhe, die Intensivbetten sind großteils belegt, Krankenhauspersonal und Rettungsdienst sind an der Belastungsgrenze. Im Pressegespräch schildern Vertreter der Kliniken, Rettungsdienst und DRK die Lage.

Kreis Rottweil - Die Inzidenz schießt im Landkreis geradezu in die Höhe. Die Intensivbetten sind großteils belegt. Krankenhauspersonal und Rettungsdienst sind an der Belastungsgrenze. Im Pressegespräch schildern Vertreter der Kliniken, Rettungsdienst und DRK die Lage.

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"Es ist fünf nach Zwölf", betont Miriam Stengel, ärztliche Direktorin an der Rottweiler Helios-Klinik. Ihr Haus samt Personal sei längst an der Kapazitätsgrenze, schildert sie die Situation. Doch man habe keine Wahl. "Wir haben die Patienten. Wir können keinen Aufnahmestopp machen", betont sie mit Blick auf die umliegenden Häuser, die ihre Kapazitätsgrenzen ebenfalls erreicht haben. Das bestätigt auch der Geschäftsführer der SRH-Klinik Oberndorf, Andor Toth, der die Frage in den Raum stellte, wie lange die Dauerbelastung für die Mitarbeiter überhaupt noch tragbar sei.

Die vierte Welle

Die Situation in Rottweil ist kein Einzelfall. Landauf, landab wird appelliert, sich impfen zu lassen, um die vierte Welle wenigstens abzumildern. Auch die Rottweiler Experten betonen dies mit Nachdruck. "Bei den unter 65-Jährigen sind gerademal 50 Prozent geimpft, das reicht nicht aus", so Andor Toth. "Dabei zählen gerade diese Menschen zur so genannten vulnerablen Gruppe", betont Miriam Stengel, denn die jungen Erwachsenen mit Familie würden von den Kindern viel Virenlast abbekommen, seien aber auch durch Arbeit und private Kontakte viel unterwegs und könnten die Viren gut verteilen, so ihre Begründung.

Kontakte reduzieren, Maske tragen und testen

"Impfen, impfen, impfen", diesen Appell richten die Experten an alle, die bislang noch gar nicht geimpft sind oder aber noch warten, bis sie boostern dürfen. "Grundsätzlich können sich alle Bürger, deren zweite Impfung sechs Monate oder länger zurückliegt, eine Auffrischungsimpfung geben lassen", so Miriam Stengel. Wichtig sei darüberhinaus, große Veranstaltungen und Sozialkontakte zu meiden, Maske zu tragen sowie sich trotz Impfung bei Symptomen zu testen und die Testangebote am Arbeitsplatz auch wahrzunehmen. Jeder müsse mehr Verantwortung für sich und sein Umfeld übernehmen, sagen die Experten.

Operationen werden verschoben

Derzeit stünden in den Kliniken kaum noch Betten für Menschen zur Verfügung, die andere schwere Krankheiten als Covid haben. Täglich wird geprüft, welche Operationen verschiebbar sind. Das ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. "Vorsorgeuntersuchungen müssen wir derzeit leider aussetzen", so Stengel.

22 Monate unter Dauerbelastung

Das Klinikpersonal, das nun seit 22 Monaten der Dauerbelastung ausgesetzt sind, sei an der Kapazitätsgrenze, manchmal der Verzweiflung nahe. Auch hier gebe es viele krankheitsbedingte Ausfälle. Pflegekräfte müssten regelmäßig aus freien Tagen geholt werden, um auf Station überhaupt arbeiten zu können. Das zehre, betont der SRH-Geschäftsführer.

Coronabedingte Ausfälle

Im Rettungsdienst sieht die Situation nicht anders aus, schildert Rettungsdienstleiter Marcus Stotz. Personalmangel gebe es ohnehin schon und nun auch immer wieder coronabedingte Ausfälle beim Personal. Einigen der Rettungsdienstler habe das Virus zudem so stark zugesetzt, dass sie langfristig nicht mehr komplett einsatzfähig seien.

Transport unter Hygienevorkehrungen

Zu den Rettungsdiensteinsätzen kämen zudem die vermehrten Krankentransporte hinzu. "Leute, die noch infektiös sind, die wir aber nach Hause entlassen, können sich ja nicht einfach ins Taxi setzen", erklärt Miriam Stengel. Sie müssten unter Hygienevorkehrungen transportiert werden. "1500 zusätzliche Fahrten haben wir durch diese Situation", macht Stotz aufmerksam, darunter seien aber auch Verlegungs- und Einweisungsfahrten. Da die Kliniken in der Region nahezu voll belegt seien, würden auch die Verlegungsfahrten länger dauern, sprich, die Fahrzeuge in dieser Zeit nicht für andere Einsätze zur Verfügung stehen – ein großes Problem bei Verkehrsunfällen und anderen medizinischen Notfällen. Zusätzliche Fahrzeuge in den Dienst zu stellen, sei aufgrund der Personalsituation nicht möglich.

Appell ans Land

Die Mediziner appellieren zudem an das Land, öffentliche Impfangebote zu planen. "Jeder, der geimpft werden kann und das möchte, sollte sich zügig auch ohne Termin impfen lassen können", sagt Miriam Stengel.

Zu 99 Prozent Delta-Variante

99 Prozent der Infektionen seien derzeit die aggressive Delta-Variante. "Wir machen uns große Sorgen. Die Lage ist sehr ernst und wir können nur von Tag zu Tag planen, was die Arbeit des Klinikpersonals vor enorme Herausforderungen stellt", so Stengel und Toth. Die Situation sei auch für sie als Mediziner zermürbend.

Das Privatleben liegt auf Eis

Großen Dank sprechen sie ihren Pflegekräften aus. "Unsere Mitarbeiter sind unglaublich belastbar, haben zum Teil ihr Privatleben komplett auf Eis gelegt, um zur Arbeit zu kommen", schildert die ärztliche Direktorin.

Ohne Atmennot in Schwerpunktpraxen

Einen weiteren Appell richten Andor Toth und Miriam Stengel an die Patienten: "Wer infiziert ist, aber keine Atemnot oder dergleichen hat, der soll sich bitte an die Schwerpunktpraxen im Landkreis wenden und nicht in die Klinik kommen. In den Kliniken haben wir momentan nur Kapazitäten für die wirklich schweren Fälle", bitten sie um Verständnis.