Ganz unterschiedliche Meinungen hört man im Kreis Rottweil zu einer allgemeinen Impfpflicht. (Symbolfoto) Foto: Schmidt/dpa

Weiterhin hohe Corona-Fallzahlen und die jüngsten Bund-Länder-Beratungen heizen die Diskussion um eine allgemeine Impfpflicht weiter an. Wie stehen Prominente und Bürger aus dem Kreis Rottweil zu der heiklen Thematik? Unsere Redaktion hat nachgefragt.

Aktuelle Informationen zur Corona-Lage in unserem Newsblog

Kreis Rottweil - Die Corona-Fallzahlen bewegen sich bundesweit weiter auf einem hohen Niveau. Das Robert-Koch-Institut meldete am Montagmorgen 27.836 Neuinfektionen binnen eines Tages – die Sieben-Tage-Inzidenz stagniert bei Werten um die 440er-Marke.

Der Schwung fehlt

Trotz aller Rekordzahlen kommt die Impfkampagne nicht in Schwung. In aller Munde ist seit den Bund-Länder-Beratungen in der vergangenen Woche eine allgemeine Impfpflicht. Eine fraktionsunabhängige Gewissensabstimmung im Bundestag soll über die heikle Angelegenheit entscheiden, wie es Bald-Kanzler Olaf Scholz vorsieht. Die Frage nach der Impfpflicht bringt Brisanz mit sich.

Gespaltenes Meinungsbild

Ein gespaltenes Meinungsbild zeigt sich in der Warteschlange vor dem kreisweiten Impfstützpunkt in der Rottweiler Marienstraße. Ein Impfwilliger aus Rottweil erklärt: "Ich wäre sofort für eine Impfpflicht, wenn es rechtlich umsetzbar ist."

Lesen Sie auch: Hier gibt es in der Region Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen

Eine Frau aus Oberndorf, die ebenfalls auf ihren Piks wartet, versteht beide Seiten: "Eigentlich bin ich gegen eine Pflicht, sich impfen zu lassen. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen überzeugt werden können. Dass das nicht gelingt, finde ich sehr schade." Ein Zeichen für die Frau, dass die Gesellschaft bereits in zwei Lager auseinandergedriftet ist.

Bedenken an der Umsetzbarkeit

Bedenken äußert eine weitere Rottweilerin: "Wenn ich sehe, dass es schon schwierig für Impfwillige ist, einen Termin zu bekommen, wie soll dann eine Impfpflicht praktikabel umgesetzt werden?"

Lesen Sie auch: Hier gibt es in der Region Schnell- und PCR-Tests

Anders sieht es eine Frau aus Schramberg: "Die Impfpflicht muss kommen. Das unsolidarische Verhalten eines kleinen Bevölkerungsteils kann man nicht akzeptieren." Alle Befragten haben aber Zweifel an der Umsetzung. Es fehle einfach an den Strukturen.

Bestimmte Berufsgruppen

"Ich setze mich für das Impfen und für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen ein, die mit vulnerablen Personengruppen zu tun haben. Wir können nicht weiter auf das Prinzip Hoffnung setzen", macht der Rottweiler Oberbürgermeister Ralf Broß seine Meinung deutlich. "Angesichts des zu erwartenden Auftretens von weiteren Infektionswellen und neuer Virusmutationen kann die Immunisierung die weitere Ausbreitung des Virus wirkungsvoll stoppen und die Überlastung von Intensivstationen und Krankenhäusern eindämmen. Impfen rettet Leben und ist ein Akt der Solidarität mit all denjenigen, die unter den Pandemiebedingungen besonders leiden, wie etwa kranke und alte Menschen, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Sollten die jetzt anstehenden Maßnahmen und eine berufsgruppenbezogene Impfpflicht die Coronapandemie nicht weiter eindämmen können, dann kommen wir aller Voraussicht nach um eine allgemeine Impfpflicht nicht herum."

Der falsche Zeitpunkt

Daniel Karrais, Kreisvorsitzender der FDP im Kreis Rottweil, hält dagegen nichts von einer Impfpflicht. "Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich es für nicht notwendig, nicht sinnvoll", sagt er. Derzeit müsse man schauen, dass die Leute, die sich freiwillig impfen wollen, die Impfung auch bekommen. Die Diskussion bringe momentan nichts. "Außerdem ist es generell schwierig, eine Pflicht einzuführen, da es ein Eingriff in die Unversehrtheit der Leute ist", betont er. Klar sei aber auch, dass man vielleicht nicht darum herumkommen werde, wenn sich immer noch nicht genug Leute impfen ließen. Dennoch stellt Karrais klar: "Eine Impfpflicht wäre ein Symbol, das brandgefährlich wäre, und deshalb lehne ich das auch ab." Stattdessen solle weiterhin auf Freiwilligkeit gesetzt werden.

Lesen Sie auch: Rottweil macht ernst - strengere Corona-Regeln

Dunningens Bürgermeister Peter Schumacher sieht die Impfung als einzigen Weg aus der Pandemie. Daher sei es folgerichtig, dass über eine Impfpflicht diskutiert werde. Der gesellschaftliche Diskurs müsse jedoch öffentlich geführt werden. Umfragen in der Bevölkerung zeigten, dass die Mehrheit für eine Impfpflicht sei. Und auch er sehe keinen anderen Weg, die vierte Welle nachhaltig zu brechen. Die Politik müsse jetzt den Mut aufbringen, die Impfpflicht auf den gesetzlichen Weg zu bringen.

Booster-Boom

Als "letztes Mittel" sieht Eschbronns Bürgermeister Franz Moser eine Impfpflicht. "Wir werden wohl nicht darum herum kommen." Obwohl momentan der Andrang bei den Impfzentren riesig sei, steige im Wesentlichen die Zahl der Booster-Impfungen, die Zahl Erst- und Zweit-Impfungen werde sich wohl nicht wesentlich erhöhen, so Moser. Andererseits müsse man gesundheitliche Bedenken gegen eine Impfung respektieren. Einen Vorteil sehe er in der Impfpflicht: Vielleicht bedeute sie für einige die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, obwohl sie sich zunächst öffentlich anders positioniert hatten, inzwischen aber vom Nutzen einer Impfung überzeugt seien.

Alle fünf Monate auffrischen?

Emil Sänze, Landtagsabgeordneter der AfD aus Sulz, hält eine allgemeine Impfpflicht für "nicht begründbar und nicht notwendig". Die Pro-Impfargumentation der Bundes- und Landesregierung habe sich in Luft aufgelöst, "da helfen auch nicht noch schärfere Maßnahmen". "Nach der Erst- und Zweitimpfung kommt die Booster-Impfung, sollen wir uns jetzt alle fünf Monate mit einer Auffrischungsimpfung abfinden?", fragt der Abgeordnete.

Sänze argumentiert, dass die Mortalitätsraten in Deutschland keine signifikanten Auffälligkeiten zeigen würden, die "einen solchen Grundrechtseingriff" zulassen würden. Sein Fazit: "Die Impfpflicht als Mittel, die Pandemiewelle aufzuhalten, ist nicht dazu geeignet, sie wird die Gesellschaft nur tiefer spalten. Im Übrigen sind Bedenken gegen die allgemeine Impfpflicht nur der Ausdruck eines tiefen Gespürs, dass der Staat zu weit geht."