Soldaten der Bundeswehr helfen im Gesundheitsamt bei der Kontaktaufnahme zu Kontaktpersonen von gemeldeten Infizierten. Foto: Corinne Otto

Landrat befürwortet Einschränkungen. Gesundheitsamtsleiter sieht Verschiebung hin zu älteren Infizierten.

Kreis Rottweil - Während am Mittwochmorgen die Pläne für einen neuerlichen Lockdown durchsickerten, ließ Landrat Wolf-Rüdiger Michel in einer Telefonkonferenz keinen Zweifel daran, dass er drastische Maßnahmen unterstützt. "Wir brauchen jetzt radikale Beschränkungen im privaten Bereich." Inzwischen ist auch in Rottweil die Bundeswehr im Einsatz.

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Acht Soldaten helfen dem Gesundheitsamt bei der Kontaktnachverfolgung von Corona-Infizierten und somit beim Bemühen, die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Auch Ehrenamtliche des DRK sind im Einsatz. "Die Lage spitzt sich zu", sagt Gesundheitsamtsleiter Heinz-Joachim Adam, der wie so oft dringend appelliert, Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten und private Kontakte zu minimieren. "Wir müssen Zeit gewinnen", sagt er mit Blick auf das Gesundheitssystem.

Lage in Kliniken noch gut

In den Kliniken im Kreis ist die Lage derzeit noch überschaubar. In Rottweil sind laut Adam vier Infizierte stationär zur Behandlung, niemand muss beatmet werden. In Oberndorf muss eine infizierte Person beatmet werde, fünf Patienten liegen auf der Corona-Station. Bei den Infizierten im Landkreis zeige rund die Hälfte der Betroffenen mittlere bis schwere Symptome, die andere Hälfte keine Symptome.

Inzidenz wird steigen

"Zum Ende der Ferien waren es bei den Neuinfektionen vor allem die 20- bis 39-Jährigen, jetzt sind es verstärkt die 40- bis 59-Jährigen", so Adam. Durch die großflächige Verbreitung des Virus stehe eine weitere Verschiebung der Infektionen hin zu den Älteren bevor – so wie zu Beginn der Pandemie mit vielen Todesfällen.

Bislang seien mit knapp 1000 Infizierten nur 0,7 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus in Kontakt gekommen. "Das Virus hat noch viele Menschen im Visier", meint Adam, der für die nächsten Tage einen Inzidenzwert von "weit über 80" prognostiziert.

Wirtschaft muss laufen

Bund und Länder seien deshalb in der Pflicht, etwas zu tun, sagt Michel. Ziel müsse sein, Kontakte im privaten und im Freizeitbereich radikal zu reduzieren, um die Wirtschaft, Handel und Gewerbe am Laufen halten zu können. Auch Schulen und Kindergärten müssten offen gehalten werden. Ohne Beschränkungen im privaten Bereich dagegen , lege das Virus womöglich bald alles lahm, fürchtet der Landrat.

Hilfen für Gastronomie

Von uns darauf angesprochen, dass unter anderem die Gastronomen, Hotels und viele andere im Kreis große Energie darauf verwendet haben, passende Hygienekonzepte zu entwickeln und diese wohl nun wieder die Leidtragenden sind, betont Michel, dass er die Bemühungen absolut sehe. Dennoch könne man, gerade in Bars und Kneipen, "nicht hinter jedem Kunden stehen". Wichtig sei, dass Restaurants weitere die Möglichkeit haben müssen, Speisen "to go" zu verkaufen. Und wichtig sei auch, dass man die Branche nicht fallen lässt, sagt Michel, sondern auf Bundesebene weitere Hilfen bereitstellt. Das Ziel sei die konsequente Reduzierung von Kontakten, da müsse man sich dann schon überlegen, ob man in dieser Phase beispielsweise den Tourismus braucht. Berufliche Übernachtungen müssten aber weiter möglich sein.

Bernhard Schönemann, der Pandemiebeauftragte der Kassenärztlichen Vereinigung im Kreis Rottweil, stimmt Michel zu, dass man in der aktuellen Situation "nur mit einem radikalen Schnitt" eine Veränderung herbeiführen kann. "Sonst werden wir große Probleme bekommen."

Immerhin, so Michel, schaffe man die Eindämmung des Virus durch die Kontaktverfolgung mittlerweile nur dank vieler ehrenamtlicher Helfer – und der Bundeswehr.