Der gleichberechtigte, insgesamt 41 mal vorgeschlagene Begriff "Rückführungspatenschaften" findet sich im Sprachgebrauch eher selten. Er taucht unter anderem in einer Mitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unter dem Titel "Lasten fair verteilen. Interessen aller EU-Mitgliedstaaten in der Asyl- und Migrationspolitik zusammenbringen" auf. Hiermit sei von der EU-Kommission ein neuer Mechanismus der Migrationspolitik bezeichnet worden, heißt es von der Jury der sprachkritischen Aktion.
"Die EU-Staaten, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, sollen ihrer "Solidarität" mit den anderen Mitgliedern der EU dadurch gerecht werden, dass sie die Verantwortung für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber übernehmen", heißt es in der Mitteilung. Das Wort sei zynisch und beschönigend. Mit "Rückführung", so habe es in einer der Einsendungen geheißen, werde suggeriert, "dass Abschieben eine gute menschliche Tat" sei.
Die EU-Kommission verteidigte ihr Konzept der "Rückführungspatenschaften". Es handele sich um ein neues Politik-Konzept und könne deshalb tatsächlich zu Verständnisfragen führen, sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Grundsätzlich könnten solche Rückführungspatenschaften jedoch ein "handfestes Zeichen der Solidarität zwischen Mitgliedsstaaten" sein und zum guten Migrationsmanagement in Europa beitragen. Das Konzept sei Teil von Reformvorschlägen der EU-Kommission für eine neue Asyl- und Migrationspolitik in Europa.
Die EU-Staaten sind bei diesem Thema seit Jahren tief zerstritten. Einige Staaten wie Italien oder Griechenland fordern, dass andere Länder ihnen Schutzsuchende abnehmen. Andere wie Ungarn oder Tschechien lehnen es kategorisch ab, sich zur Aufnahme von Migranten zu verpflichten. Das Konzept wird in der Praxis allerdings noch lange nicht angewendet.
Die Corona-Pandemie war bei den Vorschlägen zum "Unwort" das dominierende Thema der 1826 bis zum 31. Dezember eingegangenen Einsendungen. Es gab 625 unterschiedliche Vorschläge. 75 der Wörter entsprachen einem der vier Unwort-Kriterien.
Die sprachkritische Aktion "Unwort des Jahres" möchte mit ihrer alljährlichen Aktion auf unangemessenen Sprachgebrauch aufmerksam machen und so sensibilisieren. Dabei werden Wörter gerügt, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistische, verschleiernde oder irreführende Formulierungen sind. Reine Schimpfwörter zählen nicht. Vorschläge müssen eines der Kriterien erfüllen. Die Jury richtet sich nicht nach der Menge der Vorschläge für ein einzelnes Wort.
Das "Unwort des Jahres" wird seit 1991 gekürt. 2019 war es "Klimahysterie". Bereits Ende November hatte die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache "Corona-Pandemie" zum "Wort des Jahres" 2020 gekürt.
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