Die Betreuer der Gruppe sind nun alle in Quarantäne. Foto: Nölke

Über 20 Menschen müssen nach einer Notbetreuung in einer Behinderteneinrichtung in Corona-Quarantäne. Doch was dort genau gilt, weiß anscheinend keiner so recht - nicht einmal bei den Landratsämtern in Freudenstadt und dem Zollernalbkreis. Ein Erfahrungsbericht.

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Kreis Tübingen/Zollernalbkreis - Mit ehrenamtlichen Helfern hatte eine Behinderteneinrichtung im Kreis Tübingen eine siebentägige Notbetreuung organisiert. Aufgrund der Pandemie galten besondere Regeln, wie etwa regelmäßige Corona-Schnelltests. Bei einem dieser Tests bestätigte sich, was die Organisatoren eigentlich vermeiden wollten: Eine der Betreuerinnen wurde am Neujahrstag positiv auf das Virus getestet. Damit begann für die ganze Gruppe eine Zeit voller Verwirrung und Ungewissheit.

Da es sich um einen Feiertag handelte, war beim zuständigen Gesundheitsamt in Tübingen niemand erreichbar. Im Team wurde beschlossen, die Betreuerin zu isolieren und zum PCR-Test zu schicken. Dieser fiel positiv aus. Zeitgleich wurden die Angehörigen der Teilnehmer informiert. Bereits an diesem Tag reisten deshalb mehrere Teilnehmer ab - am darauf folgenden der Rest.

Nach mehreren Krisengesprächen - unter anderem mit Verantwortlichen des Deutschen Roten Kreuzes und der Geschäftsführung der Einrichtung - wurde die Entscheidung getroffen, dass die Betreuer bis auf Weiteres gemeinsam in Quarantäne in der Einrichtung bleiben dürfen. Am Montagmorgen meldete sich erstmals das Gesundheitsamt Tübingen bei der Gruppe. Von dort wurde die Entscheidung der Einrichtung bekräftigt. Durch das Zusammenbleiben der Gruppe könne eine weitere Ausbreitung weitgehend verhindert werden. Die Quarantäne für alle Teilnehmer und die Betreuer wurde auf 14 Tage festgesetzt, da inzwischen die Omikron-Variante nachgewiesen werden konnte.

Der eine weiß nicht, was der andere tut

Doch in der Gruppe kam es schnell zu ersten Verwirrungen - die Betreuer kommen aus mehreren Landkreisen und die Zuständigkeit fällt somit in verschiedene Bereiche. Schien nach einem ersten Aufklärungsgespräch mit dem Tübinger Gesundheitsamt alles klar, sorgte der Zollernalbkreis einen Tag später für ein unverständliches Regelwirrwarr. Die Betreuer, die im Zollernalbkreis gemeldet sind, müssten angeblich nur acht Tage in häusliche Absonderung, hieß es. Eine Teilnehmerin - ebenfalls aus dem Zollernalbkreis - aber für 12 Tage.

Da sich diese Angaben nicht mit denen aus Tübingen deckten, wurde dort kurzfristig erneut angerufen. Fazit der Angestellten: "Ich kann nicht nachvollziehen, was die Kollegen da machen". Sie habe geprüft, welche Daten in den Zollernalbkreis übermittelt worden seien. Es stellte sich heraus: Diese stimmen. Da die Gruppe jedoch einige Tage vorher im Badkap in Albstadt war, habe der Landkreis mehrere Meldungen bekommen und dort - so die Vermutung der Tübinger Mitarbeiterin - etwas verwechselt. Dadurch könne es zu der falschen Berechnung der Quarantänezeit gekommen sein. Warum nun aber für Betreuer und Teilnehmerin unterschiedliche Fristen gelten sollten, wusste keiner so genau.

Nach einem weiteren Telefonat mit dem Gesundheitsamt im Zollernalbkreis mussten die betroffenen Personen die Angestellte quasi selbst davon überzeugen, eine längere Quarantäne zu verhängen. Für ihre Kollegin im Kreis Tübingen völlig unverständlich: "Eigentlich gibt es da nicht viel Spielraum für Interpretationen", erklärte sie. Es komme zwar vor, dass aufgrund unterschiedlicher Zählung die Quarantäne einen Tag länger oder kürzer sei, die Angaben des Zollernalbkreises konnte sie jedoch nicht nachvollziehen.

Auf Nachfrage teilte das Landratsamt im Zollernalbkreis mit, dass es eine Absonderungszeit von nur acht oder zwölf Tagen nicht gebe und sei daher seitens des Gesundheitsamtes so auch nicht angeordnet worden. In der Stellungnahme heißt es weiter, dass es diesbezüglich "zu einem Missverständnis zwischen dem Gesundheitsamt und den betroffenen Personen" gekommen sein müsse. Alle drei Betreuer - darunter der Autor dieses Textes - sind sich jedoch sicher, in zueinander unabhängigen Telefonaten, jeweils eine Quarantänezeit von acht bis zehn Tagen gesagt bekommen zu haben. 

Betreuung für schwer behinderten Sohn verweigert

Im Kreis Freudenstadt sieht die Lage schon wieder ganz anders aus. Ein Teilnehmer sollte aufgrund der Quarantäneanordnung dort zu Hause bei seiner Mutter unterkommen. Da er in der Regel jedoch in einer Wohneinrichtung speziell für Menschen mit Behinderung untergebracht ist, sind die Gegebenheiten daheim nicht auf eine Dauerbetreuung ausgelegt. Die Einrichtung hatte der Mutter jedoch die Unterbringung in einer extra eingerichteten Quarantäne-Gruppe angeboten, die sie auch gerne angenommen hätte.

Das Landratsamt in Freudenstadt hielt davon jedoch nicht viel. Es untersagte die Unterbringung des Sohnes in der Einrichtung und drohte sogar mit einem Ordnungswidrigkeitsverfahren. Die Erfolgschancen dürften dabei jedoch - aufgrund seiner Einstufung als "hilflose Person" - sehr gering ausfallen. Wie das Landratsamt auf Anfrage jedoch mitteilte, habe es "inzwischen klärende Gespräche mit verschiedenen Beteiligten" gegeben. Weiter heißt es, dass dadurch "eine für alle Beteiligten zufriedenstelle Lösung möglich ist". Weitere Angaben könnten aufgrund des Brückentages am Freitag nicht gemacht werden.

Wer stellt nun Bescheinigungen aus?

Nachdem also bereits über Dauer und Ort der Quarantäne Unsicherheit herrschte, tauchte eine weitere Frage auf: Woher bekommt man eigentlich die Bescheinigung für den Arbeitgeber, dass man sich in Quarantäne befindet? Und: Nur mit dieser Bescheinigung hat man Anspruch auf einen PCR-Test.

Auch hier klappte es im Kreis Tübingen am besten: Alle Kontaktpersonen erhielten zeitnah eine E-Mail mit Informationen. Für den PCR-Test reicht dieser Nachweis. Für die Bescheinigung, die an den Arbeitgeber geht, braucht es zudem nur einen Anruf bei der zuständigen Ordnungsbehörde und die Bescheinigung wird ausgestellt. Und wieder sah das Ganze im Zollernalbkreis deutlich komplizierter aus: Bis zum fünften Tag der Quarantäne erhielt keiner der Betreuer etwas schriftlich.

Dank der Kooperation der Einrichtung mit dem Tübinger Gesundheitsamt stellte dieses zumindest ein Berechtigungsschreiben für die PCR-Tests aus. Die Arbeitgeber der Ehrenamtlichen sitzen jedoch weiterhin auf heißen Kohlen. Im Zollernalbkreis müsse die Bescheinigung nämlich bei der jeweiligen Kommune beantragt werden - erklärte die Dame der Corona-Hotline des Landkreises. Diese sind jedoch - zumindest in den drei Fällen aus der Gruppe - telefonisch nur sehr schwer zu erreichen. In manchen Städten, darunter auch Albstadt, muss zudem ein ganzer Antrag ausgefüllt werden, um die Bescheinigung zu bekommen. Bei einer Betreuerin aus Remseck wird sogar tagelang über die Zuständigkeit diskutiert, da das Landratsamt Ludwigsburg den Kreis Tübingen in der Pflicht sieht - obwohl sie dort gar nicht gemeldet ist.

Fazit: Es braucht viel Geduld

Das Fazit des Teams: "Da blickt doch keiner mehr durch - nicht einmal mehr die Landratsämter". Die Leiterin der Gruppe, die namentlich nicht genannt werden möchte, findet es völlig unverantwortlich, "bei einem Ausbruch in einer Behinderteneinrichtung erst mal zwei Tage ohne jegliche Informationen von Seiten des Gesundheitsamtes allein gelassen zu werden". Daran müsse sich dringend etwas ändern.

Anmerkung der Redaktion: Namen und genaue Wohnorte der genannten Personen und der Einrichtung wurden zum Schutz der Persönlichkeitsrechte nicht genannt, liegen unserer Redaktion jedoch vor.