Der Hauptangeklagte im Prozess um Betrug mit Latexhandschuhen hat sich erstmals selbst geäußert. Foto: Müller

In den Prozess gegen ein Albstädter Ehepaar, das laut Anklage für über zwei Millionen Euro nicht existente Einweghandschuhe verkauft haben soll, kommt Bewegung. Die Angeklagten haben sich am Montag erstmals über ihre Anwälte zur Sache geäußert.

Albstadt - 550.000 Packungen Latexhandschuhe hatte der 31-jährige Hauptangeklagte im Juni des vergangenen Jahres seinem österreichischen Geschäftspartner in Aussicht gestellt, der wiederum – über weitere Zwischenhändler und Vermittler – die Bundeswehr zu beliefern gedachte. Daraus wurde nichts; im Juli stellte sich heraus, dass es die Handschuhe überhaupt nicht gab.

Aktuelle Informationen zur Corona-Lage in unserem Newsblog

Allerdings war zu diesem Zeitpunkt bereits eine Anzahlung von 2,057 Millionen Euro geleistet worden, und dieses Geld war weg. Die Gretchenfrage, um die sich der Prozess nun dreht, ist die, ob der Angeklagte an dem Betrug beteiligt war, ja ihn gemeinsam mit Komplizen eingefädelt hat – oder ob er selbst ein Betrogener ist und sich hinters Licht hat führen lassen.

Anhand der Chatverläufe auf seinem und dem Handy seiner Frau, die in der Verhandlung am Montag von einem Esslinger Kriminalpolizisten präsentiert wurden, lässt sich die Frage nicht mit letzter Sicherheit beantworten. WhatsApp- oder Sprachnachrichten, die als unbezweifelbare Indizien für die Komplizität von Betrügern angesehen werden können, gibt es nicht.

Die gegenseitigen Ermahnungen der Beteiligten werden immer hektischer

Vor dem "Stichtag" 9. Juli 2020, an dem die zwei Millionen in Istanbul bar von einem türkischen Konto der mitangeklagten Ehefrau abgehoben worden waren, dominieren die immer hektischer werdenden gegenseitigen Ermahnungen der verschiedenen Beteiligten, doch bitte in die Pötte zu kommen – sei es mit der Unterzeichnung von Vertragspapieren, mit der Übermittlung noch fehlender Informationen, mit der Übersendung von Frachtbelegen und nicht zuletzt mit Überweisungen.

Sobald das Geld abgehoben ist, treten andere Themen in den Vordergrund. Bereits am 10. Juli vermeldet ein auf der Lieferantenseite zu verortender Beteiligter den Kauf eines Porsche Cayenne – er gab später bei einer Vernehmung an, er habe ihn sich vom Gehalt abgespart – , in der Folgezeit ist viel von Immobilien in Deutschland und der Schweiz die Rede, und in den Browserverläufen tauchen Ferraris und S-Klassen-Limousinen, Bulgari- und Rolex-Uhren, Versace-Accessoires und die Speisekarte der "Traube" in Tonbach auf.

Es werden Wechselkurse geprüft, es ist von Miami und Uruguay die Rede, und ein WhatsApp-Notenwechsel zwischen dem Angeklagten und einer Schwester legt den Schluss nahe, dass sie bei einer Einreise nach Deutschland einen höheren Geldbetrag am Zoll vorbeischmuggeln sollte. Schließlich wurden im September bei der Durchsuchung der Albstädter Wohnung der Angeklagten eine Rolex Yacht-Master und ein im Kniestock deponierter fünfstelliger Geldbetrag sichergestellt – nichts, was man bei in vergleichsweise bescheidenen Verhältnissen lebenden Leuten erwarten würde.

Allerdings sind fünf Stellen nicht dasselbe wie sieben Stellen, und bei den übrigen Rolex-Chronometern und Versace-Taschen im Haus handelte es sich um Falsifikate – Schein statt Sein. Und genau so stellte der Angeklagte dann auch seine Situation dar, als er sich am Montag erstmals im Prozess in einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung zur Sache äußerte. Seit jeher habe er davon geträumt, reich zu sein und dagegenhalten zu können, wenn betuchte Bekannte mit ihren Besitztümern protzten: "Ich wollte auch einen auf ›dicke Hose‹ machen."

Von Reichtum zeugen die Browserverläufe nicht – nur von der Sehnsucht danach

Die Browserverläufe bezeugten keineswegs existierenden Reichtum, sondern nur die Sehnsucht danach; etwa vorhandenes Geld stamme entweder aus einem früheren Geschäft oder aus Ersparnissen, und im Falle der Yacht-Master habe er halt seinem Hang zum Luxus und zur "dicken Hose" nachgegeben. Eine Ausnahme: Er sei kein reicher Mann – er wäre es nur gern gewesen.

Wer mag ihm das glauben angesichts der Tatsache, dass er und seine Frau – Videoaufnahmen bezeugen es – am 9. Juli 2020 2,06 Millionen Euro von ihrem Konto abgehoben haben und das Geld seither verschwunden ist? Auch dafür hat der Angeklagte eine Erklärung: Das Konto sei nur ausgewählt worden, weil man sich davon – irrigerweise, wie sich zeigte – eine Beschleunigung der Transaktion versprochen habe.

Den Koffer mit den Euro-Scheinen habe er wenig später einem Boten übergeben und fest geglaubt, dass sich alsbald 39 Lastwagen mit Latexhandschuhen auf den Weg nach Deutschland machen würden. Erst kurz danach habe er erfahren, dass der vermeintliche Lieferant ein Phantom sei; als er seinen Mittelsmann anrief, habe der ihm fröhlich erklärt: "Du bist nun Millionär." Was er ja auch habe sein wollen – aber doch nicht so!

Der Prozess vor dem Landgericht Hechingen wird am Donnerstag, 22. April, fortgesetzt.