Sport unter Corona-Bedingungen – das Land Baden-Württemberg hat sehr kurzfristig die Regeln geändert. Das kommt bei den Vereinen nicht gut an. Foto: Alphaspirit

Zwischen Wut, Unverständnis und Resignation pendeln die Reaktionen der Vereine, nachdem das Land Baden-Württemberg am späten Freitagabend die Corona-Verordnung Sport in der neuen Fassung notverkündet und bereits am Samstag in Kraft gesetzt hat.

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So beklagt Thomas Stoll, Faustball-Trainer des Bundesligisten TSV Calw: "Es ist ein Durcheinander!" Damit meint er nicht nur die Situation durch die aktualisierte Corona-Verordnung, sondern auch verschiedene Regeln in verschiedenen Bundesländern. "Wir wünschen uns, dass die Ankündigungen rechtzeitiger kommen würden und vor allem, dass sie auch einheitlich sind!"

"Eine Frechheit den Vereinen gegenüber"

In die ähnliche Kerbe haut Arash Yahyaijan, Sportvorstand des Fußball-Oberligisten FC 08 Villingen: "Es ist für Vereine am Samstag nahezu unmöglich, neue Regeln anzuwenden, wenn diese erst an einem Freitagabend um 20.49 Uhr veröffentlicht werden." Der Handball-Abteilungsleiter des TV Weilstetten (Zollernalbkreis), Dietmar Kipp, wird deutlich: "Ich finde diese kurzfristige Herangehensweise den Vereinen gegenüber eine Frechheit. Weshalb es nach dem Mittwoch so lange gedauert hat, eine aktualisierte Verordnung Sport herauszubringen, erschließt sich mir nicht." Christian Braun, der Spielertrainer ds Fußball-Landesligisten SV Wittendorf, berichtete, dass seine ungeimpften Spieler "schon einen PCR-Test gemacht" hatten, "da finde ich es sehr traurig, dass so eine Mitteilung dann erst am Freitagabend kommt. Unser Gegner wollte auch nicht mehr verlegen."

"Das ist schon extrem"

Zwar war Kunstrad-Bundestrainer Dieter Maute (RSV Tailfingen/Zollernalbkreis) nicht direkt betroffen, da keine Veranstaltung anstand, für ihn war aber auch klar: "Es würde mich auch stören, wenn ich so kurzfristig auf eine neue Verordnung reagieren müsste. Aus organisatorischer Sicht ist das schon extrem." Für ihn steht der Sportbetrieb – auch für Nicht-Kadersportler – im Mittelpunkt, deshalb meint er: "Wäre ich mir als Veranstalter nicht sicher, ein entsprechendes Konzept perfekt umsetzen zu können, würde ich auf Zuschauer verzichten."

Biathlon-Landestrainerin Tanja Bauer aus Schömberg (Kreis Calw) weist darauf hin, dass es "für Vereine oder Verbände kaum möglich" sei, "auf die Beschlüsse kurzfristig zu reagieren und diese auch umzusetzen". Ihr Landesverband, aber auch der von ihr geleitete Landesstützpunkt in ihrer Heimatgemeinde, hat sich daher vorgenommen, immer "einen guten Schritt" voraus zu sein: "Wir verlassen uns nicht auf die Politik!"

Verhältnismäßigkeit wird angezweifelt

Auch die Verhältnismäßigkeit wird angezweifelt. "Warum werden beim Bundesliga-Rheinderby in Köln 50.000 Zuschauer reingelassen, bei 100 Zuschauern bei uns in der Landesliga muss jeder einen Test vorweisen?", fragt sich nicht nur der stellvertretender Bezirksvorsitzender im Fußball-Bezirk Schwarzwald, Werner Fichter.

"Das versteht keiner mehr"

"Inzwischen sind wir es ja gewohnt, dass neue Anordnungen gleich am nächsten Tag umgesetzt werden sollen", zuckt Sven Kieninger, Geschäftsführer des TV Villingen, der unter anderem mit den Volleyball-Damen in der Regionalliga aktiv ist, mit den Schultern. Stephan Lermer, Handball-Abteilungsleiter des TV St. Georgen, berichtete dagegen, dass in seinem Verein alle froh waren, "dass wir nach der Veröffentlichung am Freitagabend an diesem Wochenende kein Heimspiel hatten. Es ist einfach schwierig, die Organisation so kurzfristig wieder umzustellen." So sieht es auch Peter Gary, der Vorsitzende des VfH Schwenningen: "Das versteht so langsam keiner mehr. Das wirkt alles etwas hilflos."

Auch finanzielle Folgen

Verständnis zeigte man dagegen bei der SG Deißlingen/Lauffen, dem Tabellenführer der Fußball-Bezirksliga Schwarzwald (wfv), "auch wenn die Maßnahmen der neuesten Corona-Verordnung sehr kurzfristig angeordnet wurden und umgesetzt werden mussten". Hauptsächlich aufgrund des Winterwetters wurden die Spiel in der Liga abgesetzt, und darüber war Rolf Schumpp, der Teammanager der Spielgemeinschaft nicht böse: "Für die SG Deißlingen/Lauffen wäre es schwierig gewesen, die Umsetzung der neuen Corona-Verordnung organisatorisch zu bewältigen." Zudem weit er auf finanzielle Folgen der Regelungen hin: "Geringe Zuschauerzahlen sorgen bei kleinen Amateurvereinen für fehlende Einnahmen, wenn nur noch Zuschauer mit 2G+ erlaubt sind."

Unsere Sportredaktion hat folgende Stimmen aus der Region gesammelt.

Thomas Stoll (TSV Calw, Faustball-Bundesliga)

"Es ist ein Durcheinander. Wir wünschen uns, dass die Ankündigungen rechtzeitiger kommen würden und vor allem, dass sie auch einheitlich sind. Unsere Mannschaft ist nicht nur in Baden-Württemberg unterwegs, sondern auch in Bayern und in Hessen. Dort gelten unter Umständen andere Bestimmungen. Bei unseren Faustballern wird generell getestet. Auch Geimpfte und Genesene werden vor den Spielen und sogar jeweils auch vor dem Training getestet. Wir lassen uns da auf gar nichts ein."

Tanja Bauer (Schömberg, Biathlon-Landestrainerin)

"Wir verlassen uns nicht auf die Politik. Es ist für Vereine oder Verbände kaum möglich, auf die Beschlüsse kurzfristig zu reagieren und diese auch umzusetzen. Wir gehen unseren eigenen Weg. Wir sind mit den Hygienevorschriften meist einen guten Schritt voraus. Da müssen wir nicht von heute auf morgen reagieren. Ich habe großen Respekt vor der Pandemie. Die Gesundheit der Sportler und Sportlerinnen steht bei uns im Vordergrund. Trainer und Verantwortliche sollten die Vorreiterrolle spielen. Einen Vorteil haben wir: Bei uns kommt kaum enger Kontakt zustande. Wir sind im Freien und können genügend Abstand halten."

Arash Yahyaijan (FC 08 Villingen, Fußball-Oberliga)

"Ich nehme diese Thematik nicht nur aus persönlichen Gründen sehr ernst. Was ich aber etwas unglücklich finde, ist der Zeitpunkt der jüngsten Coronaverordnung. Es ist für Vereine am Samstag nahezu unmöglich, neue Regeln anzuwenden, wenn diese erst an einem Freitagabend um 20.49 Uhr veröffentlicht werden. Es gibt doch derzeit gar nicht genügend Test- und Impfmöglichkeiten. Solche Veränderungen sollten früher kommuniziert werden. Vereine, gerade die im Breitensport, müssen also auch die realistische Chance haben, neue Regeln umzusetzen. Es darf nicht sein, dass Vereine wegen der Coronapandemie kaputtgehen."

Peter Gary (VfH Schwenningen, Handball-Bezirksliga)

"Das versteht so langsam keiner mehr. Für Zuschauer und Funktionäre gilt 2G+, für Spieler gilt 2G. Das wirkt alles etwas hilflos. Ob wir am 11. Dezember noch das Derby gegen die TG Schwenningen? Ich habe da kein gutes Gefühl."

Dieter Maute (RSV Tailfingen, Bundestrainer Elite-Kunstradfahrer)

"Es würde mich auch stören, wenn ich so kurzfristig auf eine neue Verordnung reagieren müsste. Aus organisatorischer Sicht ist das schon extrem. Wäre ich mir als Veranstalter nicht sicher, ein entsprechendes Konzept perfekt umsetzen zu können, würde ich auf Zuschauer verzichten. Für mich ist entscheidend, dass der Wettkampfbetrieb aufrechterhalten wird, denn darauf trainieren Leistungssportler hin. Ich hoffe, es bleibt dabei, dass nicht nur Kader-Athleten Sport treiben dürfen. Andernfalls droht, dass mancher Sportart die komplette Basis wegbricht und sie damit sogar gefährdet sein kann."

Werner Fichter (Fußball-Bezirk Schwarzwald/SBFV)

"Die Verordnung wurde zu kurzfristig am Freitagabend veröffentlicht, gerade für die Fußball-Vereine, die am Wochenende ein Heimspiel hatten. Alles kann ich persönlich in der Verordnung nicht nachvollziehen. Warum werden beim Bundesliga-Rheinderby in Köln 50.000 Zuschauer reingelassen, bei 100 Zuschauern bei uns in der Landesliga muss jeder einen Test vorweisen. Da fehlt mir langsam die Verhältnismäßigkeit. Wir werden am Dienstagabend im Fußball-Bezirk darüber diskutieren, ob wir beispielsweise mit der Bezirksliga jetzt nicht früher in die Winterpause gehen."

Dietmar Kipp (TV Weilstetten, Handball)

"Ich finde diese kurzfristige Herangehensweise den Vereinen gegenüber eine Frechheit. Weshalb es nach dem Mittwoch so lange gedauert hat, eine aktualisierte Verordnung Sport herauszubringen, erschließt sich mir nicht. Die Leidtragenden der Forderung nach 2G+ für das Publikum sind die Vereine, weil sich viele Zuschauer den Aufwand mit der zusätzlichen Testerei nicht geben wollen und dieses Prozedere bei ihnen für Unverständnis sorgt."

Sven Kieninger (TV Villingen)

"Natürlich war die Veröffentlichung der neuesten Verordnung am Freitagabend vor einem Sportwochenende ein sehr ungünstiger Zeitpunkt. Inzwischen sind wir es aber ja gewohnt, dass neue Anordnungen gleich am nächsten Tag umgesetzt werden sollen. Aber im Grunde genommen ändert sich so viel – im Vergleich zur Alarmstufe 1 – ja nicht mehr. Wir werden bei den Regionalliga-Heimspielen unserer Volleyballerinnen jedenfalls weiter Zuschauer empfangen, auch wenn die Kontrollen nun zeitlich am Eingang etwas länger dauern. Ich gehe aber persönlich davon aus, dass der Spielbetrieb in den Ligen bald einmal aufgrund der dramatischen Situation unterbrochen wird."

Stephan Lermer (TV St. Georgen, Handball)

"Wir sind froh, dass wir nach der Veröffentlichung am Freitagabend an diesem Wochenende kein Heimspiel hatten. Es ist einfach schwierig, die Organisation so kurzfristig wieder umzustellen. Bei uns im Südbadischen Handball habe ich den Eindruck gewonnen, dass es nicht so viele nicht geimpfte Spieler in den Ligen gibt. Sollte es tatsächlich bald zu einer Unterbrechung des Spielbetriebs kommen, haben wir terminlich noch Luft ins Frühjahr hinein. Hier hat der Südbadische Handball-Verband sehr vorausschauend geplant."

Rolf Schumpp (SG Deißlingen/Lauffen, Fußball-Bezirksliga)

"Wir haben Verständnis, auch wenn die Maßnahmen der neuesten Corona-Verordnung sehr kurzfristig angeordnet wurden und umgesetzt werden mussten. Wir haben uns kurzfristig mit dem SV Renquishausen für die Absetzung unseres Spiels am Wochenende verständigt – nicht nur wegen Corona, sondern auch wegen des winterlichen Wetter. Geringe Zuschauerzahlen sorgen bei kleinen Amateurvereinen für fehlende Einnahmen, wenn nur noch Zuschauer mit 2G-plus erlaubt sind. Zudem wäre es auch für die SG Deißlingen/Lauffen schwierig gewesen, die Umsetzung der neuen Corona-Verordnung organisatorisch zu bewältigen. Noch ausstehenden Spieltage in diesem Jahr sollten an Ostern 2022 nachgeholt werden. Ich fände es wichtig, wenn sich die Vereine in der aktuellen Situation solidarisch zeigen, denn es ist wichtig, einen fairen Wettbewerb zu haben."

Christian Braun (SV Wittendorf, Fußball-Landesliga)

"Bei uns hatten die Ungeimpften schon einen PCR-Test gemacht. Da finde ich es sehr traurig, dass so eine Mitteilung dann erst am Freitagabend kommt. Unser Gegner wollte auch nicht mehr verlegen. Ich will nicht wissen, wie viele Ungeimpfte da mitgespielt haben, denn als Auswärtsteam bist du mit den Regelungen klar im Nachteil. Am Ende müssen wir es aber so nehmen wie es ist."

Philipp Wolf (SG Empfingen, Fußball-Landesliga)

"Ich finde die Lösung des wfv schade. Hier schiebt man den Vereinen den schwarzen Peter zu. Warum findet man nicht wie bei den höherklassigen Vereinen eine einheitliche Lösung? Man hätte meiner Meinung nach gemeinsam die Runde unterbrechen sollen, wie es zum Beispiel der BFV gemacht hat und die Spiele im Frühjahr nachholen können. So aber müssen es wieder die Vereine ausbaden."