Jens Scholl vom Nahkauf-Supermarkt mit Obst und Gemüse, das nicht mehr verkauft werden kann, aber noch genießbar ist und deshalb an das Foodsharing geht. Foto: Patrick Ganter

So manche Lebensmittel landen im Einzelhandel im Müll, obwohl sie noch genießbar sind. Das ist das Kernproblem, gegen das sich ein Vorstoß aus der Politik richtet.

Donaueschingen - Denn Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) wollen das sogenannte Containern künftig straffrei stellen, sofern dabei nicht gewaltsam vorgegangen wird. Was sagen ein Einzelhändler und ein Landwirt aus Donaueschingen dazu? Und wie ist das Containern aus medizinischer Sicht zu bewerten?

 

Jens Scholl, leitender Angestellter des Nahkaufs in der Karlstraße in Donaueschingen, sieht das Thema des Containerns "eher kritisch" und nennt ein Beispiel: Es gebe viele Produkte, die gekühlt werden müssen – wenn sie aber entsorgt werden mussten, werden sie das nicht mehr. Das könnte eine gesundheitliche Gefahr bedeuten, findet Scholl. "Beispielsweise bei Fleisch", wie er hinzufügt. Für seine Läden gehe er eher den Weg, Produkte abzugeben, die beispielsweise nicht mehr verkauft werden können, aber noch essbar sind. Alle zwei Tage gehen Waren an das Foodsharing im Bezirk und zweimal in der Woche kommt die Tafel.

Das MHD könnte lockerer gefasst werden

Was auf diesem Weg nicht mehr verwertbar sei, sei dann auch wirklich Abfall. "Da würde ich auch bitten, die Finger davon zu lassen", sagt Scholl. Er würde sich wünschen, dass die Grenzen des Gesetzgebers in Sachen Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) etwas lockerer werden. Denn die seien eng gefasst – häufig zu eng. Eier benötigten ein MHD, Nudeln und Konservendosen eher weniger.

Scholl glaubt aber, dass ein Umdenken stattfinden wird. Auch beim Konsumenten, der eben nicht mehr nur die 1A-Ware kauft, sondern auch mal eine Banane, die einen braunen Fleck hat. Oder auch mal zum Produkt greift, das nahe dem MHD ist. Unter anderem aus Gründen der Nachhaltigkeit.

Vor allem ärgerlich, dass Lebensmittel überhaupt weggeworfen werden müssen, ist es für Uwe Münzer, Mitglied des Kreisverbandsteams Donaueschingen des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV).

"Wegwerfen schmerzt"

"Wir produzieren zum Verzehr und es schmerzt, wenn Lebensmittel weggeworfen werden", sagt er. Münzer bemängelt, dass es an Wertschätzung für das erzeugte Produkt fehle. Wenig Verständnis hat er auch für den Vorstoß aus der Politik, das Containern zu legalisieren – oder viel mehr dafür, dass das Gesetzesvorhaben überhaupt nötig ist. "Es ist aus meiner Sicht traurig genug, dass es so ein Gesetz überhaupt braucht", sagt Münzer.

Gesundheitlich nicht unbedenklich

Aber wie sieht es eigentlich mit dem gesundheitlichen Aspekt aus? Aus medizinischer Sicht sei es nicht ganz ungefährlich, Lebensmittel aus der Tonne zu holen, findet Birgit Klausmann, Praxismanagerin in der Allgemeinarzt-Praxis Stuff in Donaueschingen. "Ein gewisses Risiko gibt es auf jeden Fall", sagt sie. Beispielsweise könnten sich Keime bilden, die dann zu Problemen mit dem Magen-Darm-Trakt führen können.

Im schlimmsten Fall könnte es zu einer Lebensmittelvergiftung kommen. Im Praxisalltag komme es hin und wieder mal vor, dass es aufgrund von Lebensmitteln zu gesundheitlichen Problemen kommt – auch ganz losgelöst vom Containern. "Die Dunkelziffer der betroffenen Patienten ist wahrscheinlich viel höher als gedacht", sagt Klausmann.

Es wird gespendet

Regina Tran Van, Pressesprecherin von Aldi Süd, verweist auf die aus Sicht des Unternehmens ohnehin schon geringe Lebensmittelverschwendung bei den eigenen Läden. Es gebe konkrete Maßnahmen dazu, unter anderem "der Einsatz eines intelligenten Bestellvorschlagssystems für bedarfsgenaue Bestellungen", wie die Sprecherin sagt. Auch werde loses Obst und Gemüse angeboten, damit Kunden nur die Menge kaufen, die sie auch benötigen. "Alle nicht mehr verkaufs- aber noch verzehrfähigen Lebensmittel werden bei Aldi Süd in der Regel gespendet", sagt Regina Tran Van. Man sei langjähriger Partner der Tafeln und weiterer Organisationen wie Foodsharing.

Eine eigene Strategie

Der Discounter Lidl listet zum Thema Lebensmittel wegwerfen Maßnahmen aus der eigenen Lebensmittelrettungs-Strategie auf. Diese habe das Ziel, "Lebensmittelverluste und den organischen Abfall im Unternehmen bis 2025 um 30 Prozent zu reduzieren." Unter anderem durch ein effizientes Warenwirtschaftssystem oder durch gezielte Rabattierung von Lebensmitteln, deren Haltbarkeitsdatum bald erreicht ist.

"Containern kein wirksamer Beitrag"

Die Meinung des Handelsverbandes Lebensmittel zum Containern ist klar – und ablehnend. "Zur Entsorgung bestimmte Nahrungsmittel aus Abfalltonnen zu fischen, ist kein wirksamer Beitrag zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung", heißt es in einer Pressemitteilung, auf die Pressesprecher Christian Böttcher verweist. Der Verband sei also gegen eine Änderung der Rechtsgrundlage. Es sei bereits jetzt eine "hinreichend differenzierte Verfolgung und Rechtsprechung in Strafsachen möglich, die das Containern von Lebensmitteln betreffen".

Eine Anfrage bei Edeka Südwest blieb inhaltlich unbeantwortet. Das Unternehmen verwies auf Nachfrage auf den hier bereits zitierten Branchenverband. Rewe tut das für die politische Einordnung auch und nennt Maßnahmen, etwa die Tafeln, die Lebensmittelverschwendung reduzieren sollen.

Info: Aus der Tonne fischen

Das sogenannte Containern bezeichnet die Mitnahme von weggeworfener Ware aus Abfallcontainern. Es geht dabei vorrangig um Lebensmittel, die im Einzelhandel entsorgt werden. Wer diese aus dem Mülleimer mitnimmt, bewegt sich bislang in einer rechtlich schwierigen Lage. Sowohl wegen Hausfriedensbruchs als auch wegen Diebstahls können Personen belangt werden, die containern. Die Initiative von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Justizminister Marco Buschmann will das Containern entkriminalisieren: "Wer Lebensmittel vor der Tonne rettet, sollte dafür nicht weiter strafrechtlich verfolgt werden", sagt Özdemir.