Conny Conrad genießt den Abba-Sound Foto: Lück

Elvis ist tot. Pink Floyd Geschichte. Und wie lange die Stones noch auftreten, ist nach dem Tod von Charlie Watts auch unklar. Doch plötzlich schießen Abba wieder durch die Decke. Conny Conrad, Komponist und Musikproduzent aus Weitingen, erklärt das Phänomen.

Eutingen-Weitingen - 28 Millionen Youtube-Klicks auf den Titelsong "I still have faith in you" ihres neuen Albums "Voyage". Bei den Google-Suchanfragen ganz oben. Das Highlight im Quotenrenner "Wetten, dass" mit Thomas Gottschalk. Abba sind wieder da. Obwohl die Band mit Frida, Agnetha, Benny und Björn schon weit in den 70ern sind. Für die Live-Show lassen sich die vier verkabeln und lassen Avatare – also digitale Figuren – auftreten. Doch warum sind Abba auf einmal wieder so weit vorne?

 

Conny Conrad ist einer der bekannteste Musiker der Raumschaft. Der Komponist und Produzent sagt: "Ich mag Abba. Sie sind ein Phänomen. Ich hoffe, dass der Boom dazu führt, dass ihre spezielle Art der Musik der jungen Generation wieder neue Impulse in der Rock- und Popmusik gibt."

Abba – das ist für viele von uns eigentlich "Easy Listening-Musik". Bringen die alten, guten Zeiten ins Ohr, als Mutti und Oma uns mit dem voll aufgedrehten Radio eher mit dem "Schlagergedöns" genervt haben. Was soll daran die Musik neu beleben?

Conny Conrad schmunzelt: "Mir ging es in den 70er-Jahren genauso. Ich war damals auf Black Sabbath – Fernando war mir damals auch zu seicht. Doch im Laufe der Jahre bin ich auch seichter geworden. Und habe die Qualität der Abba-Songs lieben und schätzen gelernt!"

Hochkomplexe Musik

Okay. Doch was steckt hinter dem Phänomen Abba? Conny Conrad: "Die Musik geht sehr leichtfüßig ins Ohr. Man bekommt gar nicht mit, wie hochkomplex die Musik ist. Am Ende klingt der Song so, als man ihn schon immer kennt!" Das hat Dieter Bohlen mit Modern Talking und diversen Nachfolgeprojekten auch geschafft.

Conrad: "Abba setzt auf hochattraktive Akkord-Verbindungen und Arrangements. Mit den verschiedensten Instrumenten wie Konzertflügel, Ukulele oder Marimba werden attraktive Musikstimmungen geschaffen. Und dazu gibt es in jedem Song auch noch unterschiedliche Rhythmen. Der Euro-Pop à la Dieter Bohlen dagegen setzt immer auf denselben Bum-Bum-Takt, so gut wie immer auf dieselben Akkordfolgen mit etwas variierter Melodie mit den immer gleichen Synthie-Sounds."

Und der Mix aus musikalischer Komplexität, kompositorischer Intelligenz und Ohrwurm – das ist genau das, was Abba vom Normal-Pop unterscheidet. Conny Conrad: "Mit diesem Mix würde ich Abba neben Alan Parsons, Mike Oldfield, den Bee Gees oder den Eagles stellen. Abba hat dazu noch das Stilelement des mehrstimmigen Gesangs übernommen, das mit den Bee Gees und den Beatles groß wurde. Und mit Queen ab den 70er-Jahren auch seinen unvergleichlichen Platz in der Rock-Geschichte gefunden hat. Und ich hoffe, dass dieses Element des mehrstimmigen Gesangs wieder Platz in der aktuellen Musik findet. Mehrstimmigen Satzgesang muss man können – auch ich bringe das in meinen Produktionen seit Jahren wieder nach vorne!"

Künstler heute kaum zu unterscheiden

Denn, so Conny Conrad: "Wenn man sich beispielsweise die Pop-Charts der letzten Jahre so durchhört, dann kann man doch kaum noch die Künstler unterscheiden. War das Lied, was ich gerade im Radio gehört habe, Ed Sheeran oder Justin Bieber? Es werden immer die gleichen Arrangements benutzt. Dass man Mainstream-Künstler sofort am Hören erkennt – das gibt es kaum noch. Abba haben das geschafft!"

Natürlich war Abba auch als Band-Konzept Vorreiter. Conny Conrad: "Ein sensationell gutes Marketing hat natürlich mit zum durchschlagenden Erfolg geführt. Zwei Männer, zwei Frauen – für jeden Geschmack optisch etwas dabei. Ein Konzept, welches später bei unzähligen Boy- und Girlbands aufgenommen wurde. Und mit dem Auftritt bei ›Wetten, dass‹ haben sie sich rechtzeitig vor Weihnachten auch im deutschsprachigen Raum wieder ins Gespräch gebracht."

Und wie findet Conny Conrad das neue Abba-Album? Der Musiker: "Es beweist, dass Abba auch in ihrem hohen Alter sich und der Nachwelt beweisen, dass sie es noch können. Auf dem Level, auf dem sie aufgehört haben!"

Das ist sehr diplomatisch. Soll heißen: Abba ist irgendwie wie Kraftwerk. Auf der Bühne: Vier alterslose Typen an Keyboards. Die Musik: vom Rechner. Der Sound: So wie damals auf Techno-Speed. Und trotzdem begeistert die Komplexität der Machart des Abba-Sound noch heute Musiker wie Conny Conrad.

Info: Das ist Conny Conrad

 Conny Conrad begeisterte sich schon in der Kindheit für Musik. Chorknabe, Schulband 1973 auf dem Musik-Gymnasium. Später entschied er sich, zur Polizei zu gehen – sicheres Fundament, um weiter unabhängig Musik zu machen. War mit der Band "Dark Ocean" mit Barclay James Harvest auf Tour. Conrad gründete Anfang der 2000er sein eigenes Independent-Label, hat seitdem 135 CDs produziert und über 2,5 Millionen Tonträger verkauft.

 Aktuelle Projekte: Die Hits "Live your life today", "Send me a little light" und "My CarGuitar" von Conny Conrad und Gerd Kannemann werden millionenfach weltweit im Radio gespielt, "Big Balloon" wird im Januar 2022 veröffentlicht.

 Auswahl von aktuellen Veröffentlichungen: Senior Voice-Siegerin Sylvia Christoph - "Inside-Outside", Claudia Degen – "Soulmates", Chris Schobis – "Empty Road", Christoph Schobesberger – "Wenn ich der Mozart wär".

 Internationale Musikpreise: Über 160. Zuletzt "Filmhaus Berlin", "London Movie Awards" und "Europe Film Festival". Conny Conrad wird am 18. Dezember der "Rock-Oscar für sein Lebenswerk" beim Deutschen Rock- und Pop-Preis in Siegen überreicht.