Ob Micky Maus, Superman, Asterix, Lucky Luke oder Hägar, der Schreckliche: Der Gerlinger Verleger Adolf Kabatek brachte all diese Comic-Helden einst nach Deutschland. Jetzt zeigt eine Ausstellung in Gerlingen, wie viel Kabatek selbst in „Asterix“ steckt.
Gerlingen - Auf einige Kartons werden 2007 Zettel mit dem Wort „Ausstellung“ geklebt: Als Johannes Kabatek damals das Elternhaus in Gerlingen räumen und auflösen muss, reserviert er sie für besondere Erinnerungsstücke. Hier hinein wandert alles, was er noch im früheren Arbeitszimmer seines Vaters gefunden hat: Briefe, Zeichnungen, Akten, Fotos, Kritzeleien, Notizblöcke, Magazine, Hefte, Manuskripte, Abrechnungen. Irgendwann, so sein Gefühl, wird man all dies einmal der Öffentlichkeit präsentieren. Denn es dokumentiert nichts weniger als das vermutlich wichtigste Kapitel der deutschen Comicgeschichte der Nachkriegszeit: Wie von 1951 an der Gerlinger Verlagsmanager Adolf Kabatek die deutsche Jugend mit den besten und witzigsten Comics der Welt versorgte.
Es hat 15 Jahre gedauert, bis der inzwischen 56-jährige Sohn, mittlerweile Professor für Romanistik an der Universität Zürich, diese Idee umsetzen konnte. Seit vergangenem Sonntag zeigt das Stadtmuseum Gerlingen erstmals wahre Schätze aus dem Nachlass des langjährigen Ehapa-Verlagsleiters: „Adolf Kabatek und die Comics“ würde mit Sicherheit auch an noch zentralerem Ort und auf noch größerem Platz viele Comicfans überraschen und erfreuen.
Von Donald Duck bis Hägar, dem Schrecklichen
Aber diese Premiere knapp jenseits der Stuttgarter Stadtgrenze, unweit der Endhaltestelle der Stadtbahnlinie U 6 hat ihren eigenen Zauber: Just von Gerlingen aus hat Kabatek sein Netzwerk in die große Comicwelt geknüpft. Hier hat der sudetendeutsche Flüchtling seine Familie gegründet und dienstags im Kirchenchor gesungen – wenn er nicht gerade in Kopenhagen Aufsichtsratssitzung hatte, in Oregon den legendären Donald-Duck-Zeichner Carl Barks besuchte, in Paris mit René Goscinny und Albert Uderzo an „Asterix“-Kinofilmen feilte oder mit Dik Browne in New York über „Hägar, den Schrecklichen“ sinnierte.
Nun ist die zentrale Bedeutung des viele Jahre in Stetten ansässigen Ehapa-Verlages für den bundesdeutschen Comic- und Kinderzeitschriftenmarkt kein Geheimnis. Und natürlich stellte auch bisher niemand in Abrede, dass der in leitender Position tätige Adolf Kabatek maßgeblichen Anteil am Erfolg der deutschen Ausgaben von „Micky Maus“, „Superman“, „Lucky Luke“, „Isnogud“ oder „Popeye“ hatte.
Es kommt auch auf den Text an
Zu kurz aber kam bisher das Wissen, wie stark Kabatek eben nicht nur als Mann mit dem richtigen Gespür für einen wachsenden Markt am Erfolg beteiligt war, sondern als eigenständig kreativer Kopf. Als die Verlagsbosse in Kopenhagen ihre deutsche Tochter Ehapa 1951 damit beauftragen, eine deutsche Ausgabe der US-„Micky Maus“ auf den Markt zu bringen, arbeitet Kabatek eng mit einer eher zufällig rekrutierten Übersetzerin zusammen – Erika Fuchs. Und er ist eben nicht nur der Mann fürs Geschäftliche, sondern er wird ihr Assistent bei der Textarbeit.
Aus dieser Zeit stammt seine Überzeugung, dass der Erfolg einer Comicreihe eben auch an der Qualität ihrer Texte hängt. Er lernt von der legendären Donald-Duck-Übersetzerin Fuchs – deren Werk, es ist ein Elend, gerade zwischen die Mühlsteine der Gender- und Rassismusdebatte gerät –, dass es beim Übertragen der Sprechblasen keineswegs nur darum geht, englische Vokabeln ins Deutsche zu übersetzen. Sondern einen eigenen Ausdruck, einen spezifischen Witz, ein eigenes Tempo zu finden. Davon kann er zehren, als es 1967 darum geht, den Gallier Asterix der französischen Meister René Goscinny und Albert Uderzo erfolgreich nach Deutschland zu holen.
„Die spinnen, die Römer!“
In Gerlingen kann man nun jene großen Manuskriptbände betrachten, in denen Kabatek Zeile für Zeile die Rohübersetzung seiner Mitarbeiterin Gudrun Penndorf redigiert und verbessert hat – und Schritt für Schritt jenen spezifischen „Asterix“-Stil und -Witz entwickelte, der zum riesigen Erfolg der Serie in Deutschland beigetragen hat. Kabatek ist es, der aus der korrekten Obelix-Übersetzung „Sind die Römer doof!“ das inzwischen geflügelte Wort „Die spinnen, die Römer!“ macht. Und Kabatek erkennt, dass man noch das kleinste römische Lager im Deutschen ebenso liebevoll wie doppeldeutig benennen muss – so entstehen Geranium, Seisdrum, Hauteuchdrum, Saudum oder Toblerorum. Letztere Erfindung beschert Familie Kabatek nicht nur den Dank des Schweizer Unternehmens, sondern den Kindern eine Schokoladenlieferung.
Vermeidet den Krieg!
Der Originaltexter Goscinny wird übrigens von Freunden gewarnt, dieser deutsche Verleger gehe doch recht frei mit seiner Vorlage um. Doch zum Glück ist man miteinander befreundet; die Franzosen wissen ihr Kind bei Kabatek in besten Händen und vertrauen ihm. So kann sich dieser sogar kleine U-Boote erlauben, die anderswo zum großen Krach geführt hätten. Im Band Nr. 25, „Der große Graben“, wandelt er ein lateinisches Zitat aus dem Original ab. Aus dem Cicero-Spruch „Si vis pacem, para bellum“ („Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor“) wird im deutschen Heft „Si vis pacem, evita bellum“ – „Willst du Frieden, vermeide den Krieg“.
„Der deutsche Asterix ist mein Baby“ schrieb Adolf Kabatek einst im Rückblick – und das würden wohl auch Goscinny und Uderzo bestätigen, könnten sie es noch. Immerhin bestätigt jetzt diese nicht nur nostalgische, sondern auch erhellende kleine Ausstellung in Gerlingen die Vater- und Co-Autorenschaft. Sie kommt pünktlich zum 90. Geburtstag Adolf Kabateks, der 1997 nur 66-jährig verstarb. Und, beim Teutates: Dieser Nachlass gehört nicht in Umzugskartons und in den Keller, sondern hoffentlich bald zum Bestand eines der großen Literaturarchive des Landes.
Comicschau in Gerlingen
Autor: Gerade mal 40 Kilogramm Besitz durfte der 13-jährige Adolf Kabatek am 17. Juni 1945 bei der Vertreibung aus Reichenberg mitnehmen. Seine kleine Reisetruhe ist in der Ausstellung zu sehen.
Anerkennung:
Erst Adolf Kabatek machte den US-Zeichner Carl Barks als eigentlichen Schöpfer von Donald Duck in Deutschland bekannt. Die beiden verband eine Freundschaft; Barks schickte eigens gezeichnete Donalds nach Gerlingen – gern auch mit deutschem Text (links).
Ausstellung: Bis 13. Februar. Stadtmuseum Gerlingen, Weilimdorfer Straße 9-11, Di 15–18.30 Uhr, So 10–12 Uhr und 14–17 Uhr. Vorab-Buchung erforderlich.