Billy Pilgrim (links) hat auch Stress mit brutalen Kameraden. Foto: Cross Cult/Albert Monteys

Kurt Vonneguts Roman „Schlachthof 5“ ist ein irrer Klassiker. Autobiografisches aus dem Zweiten Weltkrieg, Ufos und Zeitreisen treffen aufeinander. Nun gibt es einen kongenialen Comic.

Billy Pilgrim hat eine der schlimmsten Feuerhöllen des Zweiten Weltkriegs überlebt. Nun sitzt er als Entführungsopfer von Untertassenkidnappern gefangen in einem außerirdischen Zoo. Aber er ist nicht wirklich gut eingesperrt. Er rutscht in anderer Zeitepochen, zurück in den Krieg, oder in sein Zivilleben als Optiker, auch mal voran zum Moment seines Todes. Klingt wild? Ist es auch. Zugleich ist es ernt gemeint und ergreifend. Es ist die Geschichte von Kurt Vonneguts 1969 erschienenem Roman „Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug“. Und die gibt es jetzt auch in einer kongenialen Comic-Adaption von Autor Ryan North und Zeichner Albert Monteys.

 

Vonnegut (1922-2007) selbst hatte als Kriegsgefangener im Keller eines Schlachthofs die Bombardierung von Dresden überlebt. Nach dem Angriff wurde er Teil des Räumkommandos in einer Endzeitlandschaft. Unter den Trümmerhaufen lagen in verschütteten Luftschutzkeller die Leichen der Erstickten und Verschmorten. All das erlebt auch Billy Pilgrim.

Seriös sein reicht nicht

Krieg ist eine Katastrophe. Der kommt man, fand Vonnegut, mit stinknormaler Seriosität nicht bei. So hat der US-Autor eine Mischung aus Groteske, Satire, Utopie, Autobiografie, Essay und aus ungemein warmer, direkter Leseransprache entwickelt. Sein waidwunder Humanismus gehört zu den Kostbarkeiten der Literatur des 20. Jahrhunderts.

Dass einer aus der zeitlichen Verankerung gerissen ist, dass er durch seine Lebensmomente hüpft, das lässt sich im Comic wunderbar darstellen. Von einem Bild zum nächsten erfassen wir sofort die drastische Änderung. North und Monteys führen uns absolut trittsicher dorthin, wo es keinen festen Untergrund mehr gibt. Sie mischen wie Vonnegut lakonische Selbstverständlichkeit und bizarrste Begebenheiten, pumpen ein frisches Gefühl der Ungeheuerlichkeit in das, was man via Geschichtsbuch, Fotos und Kriegsfilmroutine unter „war wohl leider so“ abgeheftet hat.

In den Krieg verirrt

Die Darstellung von Pilgrim als Soldat ist absolut glaubhaft – eben weil dieser Typ kein kein bisschen Soldat ist. North und der Spanier Monteys, der in seinen aufgeräumten Bildern ganz der franko-belgischen Tradition verpflichtet ist, zeigen ihn als Verirrten. Billy Pilgrim – ein sprechender Name – wirkt, als sei er mitten aus der zivilen Normalität heraus auf dem Gefechtsfeld gelandet. Aus diesem Widerspruch – einer tickt mitten im Krieg noch immer im Takt des Friedens – ist ursprünglich Vonneguts Idee der Entwurzelung entstanden,das Konzept, Billy Pilgrim wie auf Schmierseife abrupt vor und zurück durch die Zeit rutschen zu lassen.

Dieser Mann, den Monteys so rührend zeichnet, zäh und zerbrechlich zugleich, passt überall hinein und nirgends. Sein Leben bietet keine Einschränkungen und keinen Halt mehr. Dass Vonnegut von dieser Erschütterung mit Hilfe von fliegenden Untertassen, Zeitreisen und Aliens erzählen konnte, dass sein Buch zugleich eine aufmunternde Komödie und ein ergreifender Augenzeugenbericht über ein Kriegsgräuel wurde, schien ein ziemlich einmaliges literarisches Bravourstück. Aber North und Monteys werden dem mit den Mitteln des Comics wunderbar gerecht.

Albert North, Albert Monteys: Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug. Comic. Deutsch von Matthias Wieland. Cross-Cult-Verlag, Ludwigsburg. 192 Seiten, 35 Euro.