Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann trägt am Freitag eine Umzugskiste aus dem Staatsministerium in Stuttgart. Auch seine Frau Gerlinde Kretschmann packt mit an. Wegen Renovierungsarbeiten muss die Landesregierung in das benachtbarte Clay-Haus umziehen. Foto: dpa

Der prächtige Regierungssitz, die Villa Reitzenstein, wird saniert. Auch Winfried Kretschmann muss dazu vorübergehend weichen - ins benachbarte Clay-Haus. Er und seine Frau Gerlinde haben am Freitag beim Umzug Kisten geschleppt.

Stuttgart - Beim Umzug der Landesregierung von der Villa Reitzenstein in das benachbarte Clay-Haus haben auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Frau Gerlinde am Freitag mit angepackt.  Bei einer von der Bild-Zeitung initiierten Aktion konnten Bürger beim Umzug helfen und mit dem Ministerpräsidenten und seiner Frau ins Gespräch kommen. Der Umzug der Landesregierung wird von einem Umzugsunternehmen geleitet.

Eine Tag zuvor wurde der Ministerpräsident von Journalisten gefragt, ob ihm die Villa Reitzenstein nicht doch ans Herz gewachsen sei. Kretschmann überlegt kurz und hebt dann vor allem die Schönheiten des Parks hervor, den das Staatsministerium, also seinen Regierungssitz, umgibt. „Ich halte mich da ja auch fit, indem ich ab und zu jogge und gymnastische Übungen mache“, gibt der 65-Jährige preis. Seine Joggingrunden wird Kretschmann aber nach Angaben eines Regierungssprechers auch noch drehen können, wenn er wegen Sanierungsarbeiten in ein benachbartes Gebäude umgezogen ist.

Ville wird zwei Jahre saniert

An diesem Freitag werden Kisten gepackt in der imposanten Villa in Stuttgarter Halbhöhenlage. Zu Beginn seiner Amtszeit 2011 behagte Kretschmann der Regierungssitz nicht so ganz. „Ich hätte schon lieber ein Staatsministerium, das mitten in der Stadt liegt und nicht abgelegen auf dem Berg, wo es von der Bevölkerung abgeschottet ist“, sagte er damals. Diese Vorstellungen einer innerstädtisch gelegenen und deshalb bürgernäheren Regierungszentrale ließen sich aber aus den verschiedensten Gründen nicht verwirklichen. Somit wird Kretschmann nach der zweijährigen Sanierung wieder in die Villa zurückkehren.

Die Witwe Baronin Helene von Reitzenstein ließ die Villa 1913 erbauen. Vorab schickte sie die Architekten nach Frankreich und Italien, um sich inspirieren zu lassen. Es entstand eine Villa mit eleganten Sälen und Salons, ausgestattet mit Stuck, Kronleuchtern und wertvollen Möbeln. Von 1921 an gehörte sie dem württembergischen Staat und diente den württembergischen Staatspräsidenten und ab 1933 der Gau-Leitung der NSDAP als Sitz. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Villa der Sitz der amerikanischen Militärverwaltung unter dem Gouverneur der amerikanischen Besatzungszone Lucius Clay. Seit 1952 regiert von dort aus der baden-württembergische Ministerpräsident.

Gesamtes Areal wird neu geordnet

Mittlerweile ist das denkmalgeschützte Gebäude in die Jahre gekommen. Es lässt sich schlecht beheizen - unterm Dach wurde Asbest gefunden. Bis Mitte 2015 steht nun eine technische und energetische Rundumerneuerung an. Die Villa bekommt unter anderem eine Dämmung und moderne Fenster. Die Gelegenheit wird dazu genutzt, das gesamte Areal neu zu ordnen: Ein benachbarter, asbestbelasteter Erweiterungsbau aus den 1970er Jahren wird ganz verschwinden und durch einen Neubau ersetzen, der allerdings zu einem großen Teil unter die Erde kommt, damit die „Villa im Park“ wieder besser zur Geltung kommt. Der Neubau dient auch dazu, alle wesentliche Gebäude miteinander zu verbinden - zudem werden dort eine Kantine und ein Besucherzentrum untergebracht.

Kosten inklusive Umzug: 30 Millionen Euro

Die Sanierungskosten werden mit rund 30 Millionen Euro veranschlagt - einschließlich des Umzugs in die Ausweichquartiere, der mit dem Weggang der Hausspitze an diesem Wochenende abgeschlossen sein wird. Kretschmann bezieht ein Büro im benachbarten Clay-Haus - es ist etwas kleiner als sein bisheriges. Von dort aus hat er aber weiterhin einen freien Blick auf den Stuttgarter Talkessel. Eine gute Nachricht hat Kretschmann für die Bürger: Der Park an der Villa, in dem Bienen fleißig den „Regierungshonig“ sammeln, könnte vielleicht schon in diesem Sommer zu bestimmten Zeitpunkten für die Bevölkerung geöffnet werden. Bislang sprachen Sicherheitsgründe dagegen.