Die Calwer Autorin und Regisseurin Lea Ammertal tritt regelmäßig als Clara Schumann in Bad Wildbad auf. Auch am Clara-Schumann-Tag am Sonntag, 21. August. Foto: Zoller

Seit mehr als zehn Jahren repräsentiert Lea Ammertal die Pianistin Clara Schumann in Bad Wildbad. Bei Spaziergängen oder Vorträgen haucht die Calwer Autorin und Regisseurin Ammertal dem berühmten Kurgast von einst neues Leben ein.

Bad Wildbad - Lea Ammertal liest liebend gerne aus Briefen der berühmten Pianistin Clara Schumann (1819-1896), die sie während ihres Kuraufenthalts in Wildbad 1859 verfasst und an Freunde, Verwandte und Geschäftspartner geschrieben hat. Um das Gefühl ihrer Zuhörer für den Zeitgeist zu stärken, verknüpft sie ihre Veranstaltungen mit Gedichten von Schriftstellern wie Ludwig Uhland und Justinus Kerner, die zeitlebens eng mit dem Kurort verbunden waren und berichtet: "Die Idee war zunächst, den Gästen von Bad Wildbad Clara Schumann als Person möglichst lebensnah zur Geltung zu bringen." Eine schöne Aufgabe für Ammertal, die bei den Aurelius-Sängerknaben in Calw als Regisseurin und szenische Trainerin Musiktheateraufführungen inszeniert und selbst Songspiellibretti schreibt und für die Konzerte mit Marcel Baluta kleinere Szenen entworfen hat.

 

Annäherung an Clara Schumann

Clara Schumann, die als neunjähriges Wunderkind bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt im Leipziger Gewandhaus das Publikum in Bann schlägt, ist eine faszinierende Persönlichkeit und nicht nur Pianistin, Pädagogin, Konzertorganisatorin, sondern auch Mutter von sieben Kindern. Noch nicht volljährig unternimmt sie alleine eine Konzertreise nach Paris und setzt sogar gegen den Willen ihres Vaters ihre Hochzeit mit Robert Schumann (1810-1856) per Gerichtsbeschluss durch. Nach dem frühem Tod ihres Mannes war sie gezwungen, für sich und ihre Kinder durch Musikunterricht und Konzertreisen im In- und Ausland selbst zu sorgen. Die damals bedeutendste Pianistin Europas macht mit ihren Interpretationen am Klavier die Kompositionen ihres Mannes bekannt und wird, um es mit Worten aus dem heutigen Sprachgebrauch zu nennen, damit selbst zum "Mega-Star".

Kur in Bad Wildbad

Wegen eines rheumatischen Leidens nutzte Clara Schumann Wildbad drei Jahre nach dem Tod Ihres Ehemannes zur Kur. Nahezu täglich schrieb sie ausführliche Briefe an ihre Kinder, an Verleger, an Freunde und befreundete Komponisten wie Johannes Brahms (1833-1897), mit dem sie eine lebenslange Freundschaft pflegte.

Diese Briefe nutzt Ammertal als Grundlage für ihre Veranstaltungen, die sich immer um ein besonderes Motto ranken. Dabei geht es um Clara Schumann ganz privat als Gattin, Mutter, Großmutter, das Musikleben ihrer Zeit oder die Schumanns und der schwäbische Dichterkreis. "Bei letztgenanntem lege ich den Fokus auf Justinus Kerner, der mit seinem Buch ›Das Wildbad im Königreich Württemberg‹, erschienen 1812, die Heilkraft des Thermalwassers in einen überregionalen Fokus rückt", so Ammertal, die stets akribisch recherchiert und dabei auch die umwälzenden Entwicklungen wie die Einführung der Eisenbahn als Reise- und Transportmittel in ihre Texte mit einbezieht. "Clara als Naturmensch empfand dieses Thema durchaus zwiespältig, denn einerseits nutzte sie die im Vergleich zum Verkehr mit der Kutsche schnelle Verbindung gern, andererseits bedauerte sie den Eingriff in die Natur und schon damals die Umweltverschmutzung", so Ammertal, die dazu aus dem Brief vom 20. Juli 1859 an Johannes Brahms zitiert: "Der Ort (Wildbad) liegt gar friedlich, etwas melancholisch, rings von schwarz bewaldeten Bergen umgeben, viel Tannen, die den Saum der Berge schön dunkel erscheinen lassen. Das Tannen-Aroma wird man wohl erst spüren, wenn’s einmal regnet! Die Hitze, die wir auf der Reise ausgestanden, war fürchterlich, namentlich auf der letzten Strecke, 5 Stunden im Omnibus (gemeint ist eine Pferdekutsche, die bis zu acht Personen befördern konnte, Anm. d. Red.). Bis hier ist noch keine Eisenbahn gedrungen, sie fangen jetzt aber auch schon an – leider! Es will einem hier doch gar nicht in den Kopf."

Briefpassagen von Clara Schumann

In ihrem 2019 erschienenen Erzählbändchen "Weiße Maschen" setzt Ammertal den Fokus auf Clara als junge Frau, die sich aus heutiger Perspektive in einem dichten Spannungsfeld von Leistung, Etikette und Zwängen ihrer Zeit einerseits, Harmoniebedürfnis und musikalischem Ehrgeiz andererseits bewegte. Bei ihren Touren durch den Kurpark allerdings bleibt Ammertal den historischen Begebenheiten treu und zitiert an der Enz eine Passage aus Claras Briefen:

"Ich bin jetzt hier zur Cur und finde das Bad herrlich, die Luft erquickend." Bei Interesse der Gäste geht es sogar hoch bis zum Uhland-Gedenkstein, zumal die Gedichte Uhlands, wie auch Kerners von Robert und Clara, ebenso wie von Johannes Brahms sehr geschätzt und einige davon sogar vertont wurden. "Diese enge Verknüpfung von Musik und Poesie ist mir besonders wichtig", sagt Ammertal, die sich unterwegs im Park, im engen Korsett und schwarzen Reifrock bewegt und aus einem Brief an Eugenie Schumann vom 3. August 1859 zitiert: "Hier giebt es auch viel zu pflücken, aber vielmehr Heidelbeeren als Blumen; die sehen freilich nicht so schön aus aber schmecken doch sehr gut."

Das Kostüm, das sie seit Etablierung der Spaziergänge trägt, leiht sie jedes Jahr aufs Neue vom Theater Pforzheim aus. "Es ist ein nach historischen Mustern gefertigtes Stück, das den praktischen Abschluss einer Gesellenprüfung als Theaterkostümschneiderin bildete. Erstaunlicherweise passte es mir bei der ersten Anprobe wie auf den Leib geschnitten!" Da Clara nach Roberts Tod nur noch im schwarzen Witwengewand auftrat, ist es passend zu meinen Veranstaltungen." Im Hochsommer ist dieses Prachtgewand allerdings etwas anstrengend zu tragen, zumal das Kleid mit Reifunterrock mehr als fünf Kilo auf die Waage bringt.

Die nächste Gelegenheit, Ammertal zu erleben, bietet sich beim "Clara-Schumann-Tag" der Touristik Bad Wildbad am Sonntag, 21. August. Beim zwanglosen Flanieren durch den Kurpark liest Ammertal an ausgewählten Plätzen Passagen aus dem Briefwechsel Claras mit beispielsweise Johannes Brahms, Theodor Kirchner und ihren jüngsten Kindern, Eugenie und Felix. Man erlebt dabei – ganz wie die naturliebende Clara – die Faszination und den Zauber der großzügig gestalteten Parkanlagen, denn besonders beeindruckt war Clara davon, dass es "überall Plätze am Bach gibt, wo man ungestört sitzen und schreiben kann". Treffpunkt ist um 14.30 Uhr an der Touristik Bad Wildbad in der König-Karl-Straße 5. Die Tickets dazu kosten sechs Euro (mit Gästekarte vier Euro) und sind im Vorverkauf bei der Touristik Bad Wildbad ebenso erhältlich wie am Treffpunkt. Der Spaziergang dauert etwa eine Stunde.

"Kreisleriana" steht im Mittelpunkt

1859: Clara Schumann weilt sechs Wochen zur Kur in Wildbad, sucht im warmen Thermalwasser Linderung ihres Gelenkrheumatismus und ist schließlich begeistert von dem idyllischen Kurort im Schwarzwald. Clara Schumann – eine ungewöhnliche Frau ihrer Zeit: Ehefrau und Muse des genialen Komponisten Robert Schumann, Mutter von acht Kindern und die bedeutendste und erfolgreichste Pianistin des 19. Jahrhunderts.

Seit 13 Jahren veranstaltet die Touristik Bad Wildbad im August Clara Schumann-Konzerte mit viel Musik der Romantik, Gesprächskonzert-Matineen und geführten Spaziergängen im Kurpark. In diesem Jahr gibt es dazu zwei Highlights: am Sonntag, 21. August, findet im Rahmen des Clara- Schumann-Tages im Forum König-Karls-Bad eine Matinee mit dem Musikwissenschaftler und Schumann-Spezialisten Wolfgang Seibold – begleitet von Evelin Gritzfeld am Klavier – statt, wobei die "Kreisleriana" zum 200. Todestag von E.T.A. Hoffmann im Mittelpunkt steht: mit Musik von Robert Schumann und natürlich mit Texten von E.T.A. Hoffmann.

Beginn ist um 11 Uhr, Karten gibt es im Vorverkauf bei der Touristik Bad Wildbad für zehn Euro (mit Gästekarte acht Euro) und an der Tageskasse. Einlass ist bereits ab 10 Uhr.