"Eine attraktive Stadt hat eine gute Nutzungsmischung von inhabergeführten Geschäften und Filialen bekannter Ketten, von Gastronomie, Cafés und Bistros sowie Kunst und Kultur". Thomas Herr kann auf seine ersten 100 Tage als Citymanager zurückblicken.
Villingen-Schwenningen - Als solcher habe er mit Villingen und Schwenningen gleich zwei unterschiedliche Innenstädte mit unterschiedlichen Herausforderungen zu betreuen. Hier der badische Teil mit seiner Kleinflächigkeit, dort der württembergische mit eher großen Handelsflächen. Was Villingen vor Inflation und Energiekrise noch zum Nachteil gereichte, kehre sich jetzt ins Gegenteil um.
Zurzeit scheitern Mietverträge häufig an unbezahlbaren Pachten, die für große Ladengeschäfte ohnehin höher lägen als für die kleinen, sagt er. Umso größer sei nun die Herausforderung, eine Nachfolgeregelung für den davonziehenden Sport-Müller zu finden. Generell bittet er um Geduld, was die Konzeptionen vor allem der Schwenninger Innenstadt angeht. Schnellschüsse entfachen in der Regel nur Strohfeuer und davon habe keiner etwas, sagt er. In einem schon gut organisierten Netzwerk von Gewerbeverband Oberzentrum (GVO), Industrie- und Handelskammer (IHK), den Händlern und den Vereinen, der Gastronomie sowie den städtischen Ämtern heiße es, Ideen und Impulse aufzunehmen und umzusetzen – das aber nachhaltig. Er ist davon überzeugt, dass wöchentliche Feste in der Innenstadt den Handel nicht weiterbringen.
Interesse an Digitalisierung und neuen Medien
Thomas Herr stammt aus Grüningen, ist 46 Jahre alt und gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann. Schon als junger Mann, so erinnert er sich, wollte er beruflich unbedingt "etwas mit Menschen machen". Der Ausbildung in Donaueschingen folgten das Studium zum Handelsfachwirt und in der Zeit aufkeimender Digitalisierung die Beschäftigung in einem Vertrieb von Kopierern und Scannern. 2004 wagte Herr den Sprung in die Selbstständigkeit und vertrieb Bodenbeläge, Zimmertüren und Garagentore. Seine Firma "Homestyle" war im Gebäude des ehemaligen Marktkaufes in Villingen (heute Röther) untergebracht.
Um einen Online-Shop führen zu können, nutzte Herr nebenher eine Ausbildung bei der IHK zum eEconomic-Master. Nachdem das Einkaufscenter 2010 schloss, musste er auch aufgeben und wechselte zurück ins Angestelltenverhältnis bei Baustoffe Stark. Sein Interesse an Digitalisierung und neuen Medien veranlasste ihn, 2019 bei der VWA Freiburg eine Fortbildung zum Social Media Manager zu nutzen. Mit seinen Erfahrungen im Handel und den Nutzungsmöglichkeiten im world-wide-web erhielt er im Juni den Zuschlag für die von der Stadt neu ausgeschriebene Stelle des Citymanagers. Mit der Stabstelle Citymarketing ist er der Wirtschafts und Tourismus GmbH zugeordnet.
Ein weiteres Kriterium spricht für ihn: Herr ist in der Stadt sehr vernetzt. Mit seinem Lebenspartner wohnte er einige Jahre sowohl in Villingen als auch in Schwenningen, inzwischen ist man wieder nach Grüningen zurückgekehrt. Das Ehrenamt führte ihn als Schriftführer und Tenorhornbläser beim Musikverein Grüningen zum Deutschen Roten Kreuz (DRK), wo er an vielen Wochenenden die Ärztevermittlung unter der bekannten Telefonnummer 116 117 übernahm.
Engagement für die CDU
Aus einer politisch interessierten Familie stammend, trat Herr zudem als Mittzwanziger der CDU bei. Als 2004 ein Streit um die Nachfolge von Ministerpräsident Erwin Teufel zwischen Annette Schavan und Günther Oettinger entbrannte, trat er aus Protest vorübergehend wieder aus. Doch er blieb den Christdemokraten treu, ist längst wieder Mitglied und trat 2014 und 2019 sogar zur Gemeinderatswahl an. Bei seiner ersten Kandidatur, so erinnert er sich und lacht, sei ihm schon der miserable Internetauftritt des CDU-Stadtverbandes VS aufgefallen. Und da er keiner ist, "der nur schilt und nichts tut", übernahm er die Aufgabe, das Erscheinungsbild im Netz aufzupolieren. Die Folge: Nach dem Rücktritt von Klaus Martin als Vorsitzender übernahm Thomas Herr im November 2019 die Verantwortung. Damals ahnte er freilich noch nichts von seiner Zukunft als Citymanager. Denn für ihn war sofort klar, dass sich Job und Ehrenamt in diesem Fall nicht würden vereinbaren lassen. Er gab den Vorsitz bekanntlich ab. Internetbeauftragter für die Kreis-CDU ist er geblieben.
Zusammenrücken von Villingen und Schwenningen im Blick
An einem typischen Arbeitstag bekommt Herr den Anruf einer Dame, die in Villingen oder Schwenningen ein Café eröffnen möchte. Er kennt die Möglichkeiten und stellt entweder den Kontakt zum Immobilienbesitzer sofort her oder er spaziert mit der Interessentin zuvor die in Frage kommenden Orte ab. Auf das, was potenzielle Pächter und Vermieter miteinander ausmachen, habe er aber keinen Einfluss mehr, sagt er.
Ob das "FestiViel" kürzlich in Villingen, der verkaufsoffene Sonntag in Schwenningen mit Museumsfest unter dem Motto "Gute Zeit" am 23. Oktober oder die beiden nahenden Weihnachtsmärkte – für den Citymanager Herr sind das Anlässe, die Gesellschaft der Villinger und Schwenninger trotz zweier Innenstädte – die das wohl auch immer bleiben werden – weiter zusammenrücken zu lassen und Kräfte zu bündeln. "Das wäre ein enormer Gewinn."