Christof Küster, der Intendant des Stuttgarter Studio Theaters. Foto: Studio Theater

Christof Küster, Intendant des Stuttgarter Studio Theaters, bespielt größte Barockbasilika Deutschlands

Stuttgart - Die Glocken läuten, und Christof Küster gibt letzte Anweisungen für das Bühnenbild. Letzte Vorbereitungen für die Premiere, an diesem Mittwoch ist Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ von 1961, sofern das Wetter hält, vor imposanter Kulisse in Weingarten zu sehen: Deutschlands größter Barockbasilika. Hier spielt das elfköpfige Ensemble das Stück über drei angeblich verrückte Physiker und deren Auseinandersetzung um die Verantwortung der Wissenschaft im Zeitalter der nuklearen Bedrohung.

Der Intendant des Stuttgarter Studio Theaters arbeitet zum ersten Mal für die Klosterfestspiele – auf einer Bühne, in die das kleine Theater sicher vier Mal hineinpassen würde. „Mindestens“, sagt Küster. „Die Arbeitsbedingungen sind sehr gut hier, ich erlebe eine große Offenheit. Es ist sehr reizvoll, so einen Ort zu bespielen. Ich mag den intimen Theaterraum, aber hier kann man größere Bilder bauen. Und da ich bildreich denke und inszeniere, gibt mir das tolle Möglichkeiten.“

Die Bühne ist eine Art Wellness-Bereich mit Sauna und Kurpark samt Kneippbecken und Schachbrett. Das Stück von Dürrenmatt hat auch kriminalistische und überraschende Wendungen, „es erinnert mit Doktor von Zahn als Weltherrscherin in Teilen geradezu an die frühen James-Bond-Filme“.

„Das Stück wirkt ja ein bisschen verstaubt, wir haben es in die späten 70er-Jahre verlegt“

Welche Spezialeffekte es in Weingarten geben wird, will Küster nicht verraten, aber über Aktualisierungen, die er vorgenommen hat. „Das Stück wirkt ja ein bisschen verstaubt, wir haben es in die späten 70er-Jahre verlegt. Es ganz ins Heute zu zerren, würde nicht aufgehen“, sagt Küster. „Es gibt außerdem einen Erzähler, der durchs Stück führt: Damit fangen wir die seitenlangen poetischen Regieanweisungen auf. Und wir bauen assoziative Gedanken ein, die in Richtung Genforschung gehen.“ Warum das? „Spannende Fragen nach den Grenzen der Forschung heute kommen vor allem aus diesem Bereich: Fragen wie diese: Kann, will und soll man wissen, welche Krankheit ein Mensch einmal bekommen wird?“

Nach der Dürrenmatt-Premiere arbeitet Küster gleich weiter im Freien. Am 21. und 22. September zeigt er in Esslingen noch ein großes Open-Air-Projekt mit Vereinen, Orchestern und Chören. Küster: „Die Planungen laufen schon seit einem Jahr. „ Wir haben Menschen vom Hartz-IV-Empfänger über Schüler bis zu Vertretern aus der Wirtschaft befragt, welche Hoffnungen, Sorgen, Wünsche sie für die Zukunft haben.“ Die daraus entstandenen Szenen – samt eigens für die zwei Aufführungen entstandenen Kompositionen – für Chöre, Schauspieler und Laien werden auf neun Esslinger Brücken inszeniert. Die Zuschauer gehen von Station zu Station, um die rund Zehn-Minuten-Dramolette zu erleben. „Die O-Töne geben viel her, die Herausforderung war dann, all das in eine Form zu bringen. Ähnlich wie ich es schon bei dem Musical ,Die Schlichtung‘ im Studio Theater gemacht habe, wo wir ebenfalls viel Material hatten.“

„Von der Leitung des Studio Theaters allein kann ich ja nicht leben“

Die Theaterferien sind für den Intendanten und Regisseur also ziemlich kurz, zwei Wochen am Meer in Holland müssen reichen. „Es ist schon relativ viel gewesen in diesem Jahr“, sagt Küster. „Es ist aber auch schön, das alles zu machen und auch finanziell gut, denn von der Leitung des Studio Theaters allein kann ich ja nicht leben.“

Für das Theater in der Hohenheimer Straße hat Küster für die erste Saisonhälfte bereits geplant: ein Livehörspiel (Molières „Menschenfeind“) und „Bluthochzeit“ von Lorca. Der Intendant will im Februar eine Produktion herausbringen, mit der er die Theatermusicalform von „Die Schlichtung“ fortsetzen kann. Der sich auf Stuttgart 21 beziehende Renner der Saison, hatte sogar überregional Beachtung gefunden. Eine Bestätigung für den Theatermacher, der dem Studio Theater mit seiner künstlerisch anspruchsvollen Mischung aus Klassikern, Schulsternchenthemen und politisch Aktuellem auch ein junges, waches und kritisches Publikum anzieht. Küster will das fortsetzen und neben seiner freien Gruppe Nomad im Studio Theater bleiben : „Wir versuchen, immer wieder etwas Außergewöhnliches zu finden. Und kontinuierlich an einem Haus zu arbeiten, hat eben auch den Vorteil, aktuell reagieren zu können und sich nicht von Projekt zu Projekt hangeln zu müssen.“