Das Komische lebt. Und Christian Brey kann es beweisen. Foto: Peter Petsch

Noch ist Christian Brey (40) in René Polleschs Stück „Die Revolver der Überschüsse“ auf der großen Bühne Nord am Pragsattel zu erleben. Wer den Schauspieler danach sehen will, muss zu Premieren nach Hamburg, Osnabrück, oder Frankfurt reisen, weil er nur noch als Regisseur arbeitet.

Stuttgart - Christian Brey strahlt. Die Augen untertassengroß, der Blick eine Mischung aus Enthusiasmus und Hysterie. So springt er über Sofas, räkelt sich auf einem Konferenztisch, quetscht sich in die Ablage eines Bücherregals. Die Dinge liebkosend und streichelnd, preist er Stühle, Trennwände, Sonnensegel an, verschwindet kurz auch mal in einer Umkleidekabine. Er macht das in einem enormen Tempo und mit dem immer gleichen irren Verkäuferlächeln.

Entstanden ist die Slapstickszene aus einer Verlegenheit. René Pollesch, Autor und Regisseur des Staatsschauspiel-Abends „Die Revolver der Überschüsse“, hatte der Bühnenbildnerin Janina Audick freie Hand gelassen. Und sie hatte im Probenzentrum Nord eine Drehbühne in einer Art konstruktivistischem Stil gebaut. Eine komplette Wohnung – in Einzelteile zerlegt. „Wie soll man darauf spielen? Immer nur vor dem Bühnenbild stehen? Das war auch keine Lösung.“ So erzählt es Christian Brey an einem Morgen im Café am Schlossgarten. „Inzwischen habe ich mir einen Parcours zurechtgelegt“, sagt Brey und ergänzt, dass die Idee, die Bühne als Showroom auch pantomimisch auszustellen, von Mitspielerin Inga Busch kam.

Die Szene ist ein gutes Beispiel dafür, wie aus Hürden tolle Theatermomente entstehen können. Und sie passt zu Christian Brey. Aus Unbehagen ist ihm einer, wenn nicht der größte Theatererfolg in Hasko Webers Intendanz geglückt: „Elvis lebt. Und Schmidt kann es beweisen“ mit Harald Schmidt. Und das kam so. Eine Vertragsverlängerung stand an. Christian Brey, der seit der Schauspielschule in Stuttgart engagiert war, wäre unkündbar geworden. Eigentlich himmlisch in Zeiten wie diesen – oder doch zu beamtisch? Brey nickt. Auch dies war ein Grund, sich aus dem Ensemble zu verabschieden: „In jeder Spielzeit in fünf Produktionen mitzuspielen, sie nicht selber aussuchen zu können und zu wissen, es ist ja nicht immer ein Jackpot dabei.“ Also, der Schauspieler wollte ein Jahr Auszeit nehmen. Doch da kam Schmidt.

„Wir sollten einfach den Betrieb nicht stören“

„Ich war ein großer Fan und wollte gern mitmachen.“ Weil Brey aber nicht singen kann, wie er behauptet, schlug er vor, „von unten mit draufzugucken. Ich merkte, dass mir das noch viel mehr Spaß macht, als selbst oben zu stehen“, sagt Brey. Seit den zahlreichen Gastspieleinladungen mit den Harald-Schmidt-Abenden „Elvis lebt“ und „Prinz von Dänemark“ ist Christian Brey für Komödien gefragt. In Hamburg am Deutschen Schauspielhaus etwa hat er kürzlich Dellaportes „Der Vorname“ inszeniert. Auf einer Bühne sieht man ihn nur noch, wenn er sich als Regisseur nach einer Premiere verbeugt.

Außer wenn René Pollesch ruft, den er seit der ersten Produktion 2001, „Smarthouse“, schätzt, weil er den Schauspielern auch sehr viel Gestaltungsfreiheit lässt. Auch diese Zusammenarbeit war eher ein Produkt glücklicher Umstände. So richtig gewollt, so Christian Breys Eindruck, sei der damals noch nicht so berühmte Pollesch nicht gewesen. „Wir konnten das machen, mussten aber abends proben und nach den Vorstellungen spielen. Wir sollten einfach den Betrieb nicht stören.“

Auch Brey war erst skeptisch. „René hatte mich an einer Supermarktkasse angesprochen. Er sagte, er hätte mich in einem Stück gesehen und ob ich bei ihm mitmachen wollte.“ Am liebsten, sagt Brey, hätte er abgesagt. Dann aber sah er in Hamburg sein erstes Pollesch-Stück. Begeisterung. „Ich hatte nicht gewusst, dass man so auch Theater machen kann. Dass man immer wieder vermeintlich Selbstverständliches infrage stellt.“

Brey hat seither in Stuttgart keinen der körperlich und geistig anstrengenden Verausgabungsabende verpasst. Was den Produktionen guttut, weil der Schauspieler mit seiner ironisch-skeptischen Art einen coolen Kontrapunkt zum Missbilligungsgestus von Mitspielerin Silja Bächli bildet, auch zum hemdsärmeligen Jetzt-macht-mal von Inga Busch und dem niedlich verwirrten Spiel von Lilly Marie Tschörtner.

Die Komödie wird es weiter schwer haben

Das Timing stimmt an dem Abend. Wie wichtig das ist und wie schwierig, darüber kann Christian Brey begeisternd sprechen. Auch zeigt er eine vermeintlich altmodische Liebe zum Handwerk. Wenn es lustig werden soll, merkt jeder Regisseur: Es geht nur mit guten Schauspielern, die an ihrer Technik feilen. „Eine Pointe, die nicht zündet, ist eine Pointe, die nicht zündet.“ Er sagt, wie gern er an Szenen herumtüftelt, schaut, wie und wann sich der Moment einstellt, in dem eine Wiederholung lustig wird.

Manches ist Technik, manches unerklärlich. Manches funktioniert – die irrwitzige Selbstfindungs-Farce „Die Altruisten“ von Nicky Silver im Kammertheater. Manches funktioniert nicht – Ben Johnsons „Volpone“ im Schauspielhaus. „Da steht man nach einer Premiere dann ganz schön einsam am Tresen“, sagt Christian Brey und macht eine verlegene Hans-guck-in-die-Luft-Miene.

Auch dass die Stadt- und Staatstheater sich mitunter mit der Wertschätzung der vermeintlich leichten Muse schwertun, trägt er mit erstaunlich viel Fassung. „Mit Herbert Fritsch hat sich in letzter Zeit etwas getan“, sagt Brey. Tatsächlich wurde Fritsch für seine hochtourigen Kostümspäße mit Einladungen zum Berliner Theatertreffen geadelt, doch das weiß Brey: Die Komödie wird es weiter schwer haben. Er wagt es trotzdem. Regiearbeiten in Osnabrück und Frankfurt sind schon verabredet.