Der elfjährige Anton Kemmler hat Sonderapplaus bekommen. Foto: Meinert

Die 1900 gegründeten Stuttgarter "Hymnus-Chorknaben" bezeichnen sich als "ältester Knabenchor im Südwesten Deutschlands" und bestehen aus mehr als 200 jungen Sängern, verteilt auf mehrere Vorchöre und den Konzertchor, der mit 41 Sängern zum Adventskonzert in die Balinger Stadthalle eingeladen hatte.

Balingen - Instrumental begleitet wurden die 28 Knaben und 13 Jugendlichen vom 1990 in Japan geborenen Tatsuya Ohira am Flügel und vom 1964 geborenen Georg Noeldeke am Kontrabass. Künstlerischer Leiter des Chores ist seit 2010 der 1966 geborene Kirchenmusikdirektor Rainer Johannes Homburg. Als Philosoph betrachtet er den Klang als "Brücke von musikalischer Welterkenntnis zur Wahrheit und Schönheit des künstlerischen Augenblicks" und als "Träger musikalischen Denkens" – akustisch ist er nicht zuletzt der Erfolg der soliden und professionellen, langjährigen Stimmausbildung, die zum Konzept der Hymnus-Chorknaben gehört.

Den Konzert-Auftakt gestaltete der Knabenchor mit fünf in Folge vorgetragenen a-capella-Werken: Auf "Man singt mit Freuden vom Sieg" von Walter Kraft folgte "Herr, wenn ich nur dich hab" von Johann Jeep, das Osterlied "Ich bin die Auferstehung und das Leben" im Renaissance-Satz von Gallus Dreßler, "Und ich hörte eine große Stimm" von Melchior Franck sowie das bekannte "Also hat Gott die Welt geliebt" im Satz von Heinrich Schütz.

Die Sänger präsentierten sich mit transparentem Klang, reiner Intonation, exakter Absprache und guter Textverständlichkeit. Die überwiegend frischen Tempi schenkten den Kompositionen jugendlichen Schwung und Leichtigkeit. Johann Sebastian Bachs bekanntem Kantatensatz "Jesus bleibet meine Freude" in einer Fassung für Klavier solo verlieh Pianist Tatsuya Ohira eine persönliche und konzertante Note.

Das 1869 von Anton Bruckner als Graduale (Zwischengesang) zum Kirchweihfest komponierte "Locus iste" hat aus liturgischer Sicht ebensowenig mit einem Adventskonzert zu tun wie das Klaviersolo "Hochzeitstag auf Troldhaugen", das Edvard Grieg 1896 als Ständchen zum 50. Geburtstag von Nancy Giertsen – einer Familienfreundin der Griegs – komponierte, oder das "Duetto" (Andante con moto As-Dur) aus dem 3. Heft von Felix Mendelssohn-Bartholdys Klaviersammlung "Lieder ohne Worte". Dass sich die Hymnus-Chorknaben auch mit begleiteter und auch zeitgenössischer Literatur wohlfühlen, bewiesen das "Te Deum in C" von Benjamin Britten, das "Magnificat" von Johann Pachelbel und "All things bright and beautiful" von John Rutter – jeweils mit Begleitung von Flügel und Kontrabass.

Nach der Pause folgten Advents- und Weihnachtslieder: Neben "Klassikern" wie "Machet die Tore weit" von Andreas Hammerschmidt und "Tochter Zion" im Satz von Georg Friedrich Händel begeisterte besonders der a-capella-Satz "O Bethlehem, du kleine Stadt" von Ralph Vaughan Williams, bei dem der elfjährige Anton Kemmler mit klarer Stimme und lupenreiner Intonation den Beginn der Verse solistisch vortrug und dafür verdienten Sonderapplaus erntete, ebenso wie "Herbei, o ihr Gläubgen" im Satz von David Willcocks, bei dem die a-capella-Passagen des Chores instrumental von Flügel und Kontrabass eingerahmt wurden, was einmal mehr die reine Intonation der Sänger deutlich werden ließ. Ebenfalls von Willcocks stammt der Satz "I saw three ships" – ein munterer Dialog zwischen hohen und tiefen Stimmen, der sich inhaltlich auf die Heiligen Drei Könige bezieht und von den Sängern mit viel Esprit vorgetragen wurde.

Mit "Vom Himmel Hoch" im Satz von Johann Sebastian Bach und "Kommet, ihr Hirten" im Satz von Carl Riedel folgten zwei bekannte Weihnachtslieder, bevor mit "Es ist ein Ros’ entsprungen" ein weiterer musikalischer Höhepunkt gelang: Eingebettet in den bekannten Chorsatz von Michael Praetorius folgte ein durchkomponierter Satz von Heinrich von Herzogenberg, bei dem sich a-capella- und instrumental begleitete Passagen abwechselten – eine reizvolle Kombination, von deren Art man sich mehrere gewünscht hätte. Mit "Hosianna" erklang eine moderne adventliche Komposition von Rainer Johannes Homburg, die das "Hosianna" mit dem Choral "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit" kombiniert und als energievolles Wechselspiel zwischen Chorpassagen in hoher Lage und eigenständigen Instrumentalintermezzi gestaltet ist und einen weiteren Sonderapplaus erhielt. Den Abschluss des Programms bildete das von Flügel und Kontrabass begleitete "Christmas Lullaby" von John Rutter. Die rund 80 Zuhörerinnen und Zuhörer bedankten sich mit anhaltendem Applaus, und die Hymnus-Chorknaben lieferten die geforderte Zugabe mit "Stille Nacht, Heilige Nacht".