Der US-Chipriese Nvidia stellt einen Negativrekord am Kapitalmarkt auf: Um fast 600 Milliarden Dollar brach der Börsenwert an einem einzigen Handelstag ein. Schuld ist neue Billigkonkurrenz beim Trendthema Künstliche Intelligenz (KI) – aus China.
Der Hype um Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Haupttreiber der Aktienrallye, doch große Profiteure wie der US-Chipriese Nvidia geraten plötzlich durch den neuen Konkurrenten DeepSeek aus China unter Druck. DeepSeek steht seit Tagen an der Spitze der App-Downloadcharts und rüttelt an der Vormachtstellung der US-Anbieter. Am Montag erlitt Nvidia einen historischen Kursabsturz: Die Aktie brach um knapp 17 Prozent ein, der Börsenwert des Konzerns fiel um fast 600 Milliarden Dollar – ein Rekordwertverlust. Der KI-Schock traf mit Siemens Energy auch ein deutsches Unternehmen heftig.
Warum reagiert die Börse so stark? Der Kursabsturz von Nvidia und anderen Konzernen, denen der KI-Boom zugute kommt, ist auch eine Gegenbewegung ihres vorangegangenen Höhenflugs an der Börse. Mit dem hohen Kursniveau nahm auch die Gefahr von Rücksetzern zu, da Anleger bei hoher Fallhöhe zu Gewinnmitnahmen neigen. Nvidia legte 2023 um 239 Prozent an der Börse zu, im vergangenen Jahr um gut 170 Prozent. Das Unternehmen stieg zum wertvollsten Börsenkonzern der Welt auf. Diesen Titel verlor es nun an den IPhone-Hersteller Apple, es liegt mit einer Marktkapitalisierung von 2,9 Billionen Dollar aber immer noch auf extrem hohem Niveau.
Warum ist DeepSeek so wichtig? Der chinesische Wettbewerber gilt vor allem deshalb als so bedrohlich für die KI-Konzerne aus der westlichen Welt, weil das Start-up offenbar mit wesentlich geringerem Aufwand entwickelt wurde, weniger Rechenleistung braucht und seine Services viel günstiger anbieten will. Obwohl sich die USA bemühen, China von den neuesten und leistungsstärksten Chip-Technologien abzuschneiden, ist die globale Tech-Elite schwer beeindruckt von den Fähigkeiten von DeepSeek und seinen KI-Modellen. Der bekannte US-Großinvestor Marc Andreessen spricht von einem der „beeindruckendsten Durchbrüche, die ich je gesehen habe“. Nvidia selbst bescheinigte DeepSeek mit seinem R1-Modell einen „exzellenten“ Fortschritt.
Müssen Investoren umdenken? Das Problem für Nvidia und Co. besteht vor allem darin, dass die Chinesen die Grundannahmen der bisherigen KI-Erfolgsstory der US-Unternehmen an der Börse in Frage stellen. Die enorm hohe Bewertung von Nvidia etwa basiert in erster Linie auf der Erwartung, dass die Kalifornier weiterhin teure Hochleistungschips an Tech-Kunden verkaufen und damit außergewöhnlich hohe Gewinnspannen erzielen können. Wenn DeepSeek wirklich eine Möglichkeit gefunden hat, wettbewerbsfähige KI-Modelle mit weit niedrigerem Aufwand herzustellen und diese auch für viel weniger Geld anzubieten als US-Rivalen wie Open AI oder Meta AI, könnte dies die Profitmargen stark drücken und die Kräfte am Markt massiv verschieben.
Wackelt die US-Vormachtstellung? Das ist derzeit noch nicht abzusehen, aber fest steht: Investoren und Tech-Konzerne wie Microsoft, Meta oder Alphabet stecken Unmengen an Geld in Start-ups und KI-Projekte aus den USA, jetzt stellt sich die Frage, ob die Investitionen ihren Preis wert sind. Tech-Investor Andreessen, der als einer der einflussreichsten Köpfe der US-Tech-Hochburg Silicon Valley gilt und Präsident Donald Trump berät, bezeichnete DeepSeek als „Sputnik-Moment der KI“. Damit bezieht er sich auf den Satelliten, mit dem die Sowjetunion 1957 das Selbstbild der USA als technische Supermacht erschütterte und den Wettkampf in der Raumfahrt eröffnete.
Experte Adrian Cox von der Deutschen Bank zieht beim Thema DeepSeek bereits Vergleiche zum Wachwechsel in der Autoindustrie: „Warum einen Tesla Model X fahren, wenn es ein BYD auch tut?“, fragt der Analyst mit Blick auf den chinesischen Billig-E-Autobauer mit den drei Buchstaben. Fest steht: In der KI-Welt hat sich der Wind rasant gedreht. Vergangene Woche noch dominierte nach Trumps Ankündigung des Stargate Project – einer hunderte Milliarden Dollar schweren KI-Offensive – die Diskussion, ob die USA der restlichen Welt uneinholbar enteilen könnten.
Was ist mit Siemens Energy los? Die Aktie des Energietechnikspezialisten brach am Montag zeitweise um über 20 Prozent ein. Dahinter stecken Sorgen, dass angesichts der womöglich deutlich effizienteren KI-Alternative aus China weniger Investitionen in IT-Infrastruktur benötigt werden. Siemens Energy hatte an der Börse in der Vorwoche wegen Trumps Stargate Project noch von der Erwartung eines starken globalen Ausbaus von Rechenzentren und KI-Netzinfrastruktur profitiert. Der DeepSeek-Schreck kostete das Unternehmen zwischenzeitlich rund zehn Milliarden Euro an Börsenwert, allerdings war die Aktie nach starken Geschäftszahlen zuletzt wieder im Aufwind.
Wie geht es weiter? Expertin Louise Dudley vom US-Vermögensverwalter Federated Hermes hält weiteren Gegenwind bei Tech-Aktien für möglich, da DeepSeek in eine Phase maximaler KI-Börseneuphorie platze. „Bei Firmen, die den Aufbau von Rechenzentren vorantreiben, könnten kurzfristige Auswirkungen zu spüren sein, da die Nachfrage bisher hoch war und der DeepSeek-Modellcode auf mögliche Leistungssteigerungen geprüft wird.“ Auch die Forschungspipelines stünden unter Druck, was Investoren beschäftigen dürfe. Aber Dudley sieht auch potenzielle positive Effekte, da DeepSeek das Interesse an KI-Tools bei Unternehmen und Verbrauchern wecken könne, da diese besser zugänglich würden und die Einführung der Technologien schneller voranschreite.