Bei der Verurteilung führender Kader des chinesischen Sicherheitsapparats geht es um Korruption – aber auch um das Kaltstellen politischer Gegner von Staatschef Xi Jinping.
Am Freitag hat die größte Säuberungswelle innerhalb des chinesischen Machtapparats der letzten Jahre ein spektakuläres Ende gefunden: Sun Lijun, ehemaliger Vizeminister für öffentliche Sicherheit, wurde zum Tode verurteilt, wobei die Vollstreckung der Strafe für zwei Jahre ausgesetzt und dann in lebenslange Haft umgewandelt werden soll. Das Gericht in Changchun sah es als erwiesen an, dass der 53-jährige Parteikader während seiner gesamten politischen Karriere Bestechungsgelder in Höhe von nahezu 100 Millionen Euro angenommen hat.
Doch seine Causa besitzt darüber hinaus eine politische Dimension: Sun wird vorgeworfen, als führender Kopf eine oppositionelle „Clique“ formiert zu haben, die sich gegen Staats- und Parteichef Xi Jinping positioniert hat. Auch der ehemalige Justizminister Fu Zhenghua, der am Donnerstag ebenfalls wegen Korruption zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, soll der politischen Seilschaft angehört haben. Ähnlich gelagert sind zudem die Fälle der Polizeichefs von Shanghai, Chongqing und Shanxi, die diese Woche zu langjährigen Gefängnisstrafen verdonnert wurden. Insgesamt hat es allein diese Woche sechs führende Kader aus dem chinesischen Sicherheitsapparat getroffen.
Der Parteiapparat: moralisch verkommen
Der Zeitpunkt der hochorchestrierten Säuberungswelle ist natürlich kein Zufall. Sie erfolgt nur wenige Wochen vor dem historischen 20. Parteikongress in Peking, während dem Xi Jinping voraussichtlich seine dritte Amtszeit ausrufen wird – als erster Staatschef seit Mao Zedong. Denn nach Maos Tod hatte die Führung der Kommunistischen Partei die Machtdauer des Staatschefs auf zwei Legislaturperioden beschränkt. Dass Xi mit dieser Konvention bricht und sich potenziell als Führer auf Lebenszeit proklamiert, dürfte innerhalb des Machtapparats erhebliche Kontroversen ausgelöst haben.
Der seit 2012 amtierende Parteichef hatte bald nach seiner Machtergreifung eine Antikorruptionskampagne ausgerufen, die in den letzten Jahren Hunderttausende Regierungsbeamte hinter Gitter brachte. Dabei ging es dem 69-Jährigen einerseits darum, die tatsächlich grassierende Korruption einzudämmen. Der Parteiapparat war damals offensichtlich moralisch verkommen: Nicht wenige lokale Regierungsvertreter haben in jenen Tagen selbst vor ausländischen Journalisten stolz ihre Mätressen und Golduhren zur Schau gestellt. Bei Razzien der letzten Jahre haben sich dementsprechend Abgründe aufgetan.
Wer vor den Pranger gestellt wird, entscheidet die Partei
Doch gleichzeitig hat Xi seine Kampagne stets auch dazu genutzt, politische Konkurrenten mundtot zu machen. Denn Beobachter merkten bereits früh an, dass seine engsten Verbündeten vom Korruptionskampf verschont blieben. Zudem ist Xis Sicherheitsapparat auch konsequent gegen Investigativjournalisten vorgegangen, die während der nuller Jahre noch etliche korrupte Parteikader auf Lokalebene aufdecken konnten. Die Botschaft war klar: Wer vor den Pranger gestellt wird, soll stets in der Hand der Parteiführung bleiben.
Die jetzigen Urteile sind zweifelsohne auch als Warnung an potenzielle Widersacher zu verstehen. Die Zielsetzung der Säuberungswelle dürfte auch innerhalb der Bevölkerung verfangen.